3. Tag: Hanekenfähr nach Meppen(Arnold Illhardt)
Amsterdam! Warum nur muss ich heute an Amsterdam denken? Freundlicherweise bringt uns unser Gastgeber vom Vortag mit dem Auto nach Hanekenfähr, das auf der Kreuzung von drei Wasserläufen – Ems, Dortmund-Ems-Kanal und Ems-Vechte-Kanal – liegt. In der Morgensonne dümpeln einige Sportboote auf dem von Bäumen überwachsenen Kanalabschnitt. Mich erinnert diese Stimmung an eine Amsterdamer Gracht – nur ohne Häuser.
Sprach ich von Morgensonne? Tatsächlich, das Gelbe dort am Himmel haben wir leidlich vermisst. Der Wetter-App kündigt 50% Regenwahrscheinlichkeit an, jetzt genießen wir wohl soeben die anderen 50. Wohlan denn, Herz, nimm Abschied von der Wettertristesse und gesunde.
Die ersten Streckenabschnitte sind mal wieder der reinste Sinnenrausch: Üppige Laubwälder, gut geteerte Wege, Natur, wohin das Auge schaut, eben alles, was das Radlerherz begehrt. Wäre da
nicht das AKW Emsland, das seine schmucklosen Schornsteine in den Himmel streckt. Das Kraftwerk, das 1988 ans Netz gegangen ist, soll 2022 als letzter niedersächsischer Atomreaktor abgeschaltet werden. Hoffentlich!
Wir umradeln großzügig Lingen, da wir die Stadt schon bei anderen Gelegenheiten kennengelernt haben. Dem unkundigen Besucher sei dieser alte Ort – wie bereits erwähnt – sehr ans Herz gelegt. An Holthausen und Biene vorbei geht es zum Speicherbecken Geeste. Hat man den Damm erklommen, liegen 230 Hektar Wasserfläche vor einem. In den1980er Jahren wurde der See als Kühlwasserbecken für das zwölf Kilometer entfernte Kernkraftwerk erbaut. Konzentrierte sich das Sehen im Vorfeld vor allem auf das vielfältige Grün der Bäume und Pflanzen, so ist diese weite Fläche für das Auge zunächst ungewohnt, fast schon ein Fremdkörper. Die gigantische Betoneinfassung will sich zunächst nicht in die Natur einfügen, dennoch ist es ein willkommener Rastplatz. Wir haben die Löffel vergessen und müssen den Joghurt „ausgabeln“!
Nach weiterer Strampelage durch einsame Landschaften entdecken wir hinter dem kleinen Ort Dalum einen kleinen Rastplatz direkt an der Ems, die hier bereits majestätische Maße angenommen hat. Die mitgebrachten oder in der letzten Bäckerei eingekauften Lebensmittel werden auf dem Tisch ausgebreitet und gereichen zu einem Festmahl, das im 5-Sterne-Restaurant nicht schmackhafter hätte sein könnte.
Noch ein paar Kilometer mit inzwischen leicht schmerzendem Hinterteil und wir erreichen unser heutiges Ziel: Meppen, auch genannt die grüne Stadt am Wasser, dort wo Ems und Hase (letzteres ist ebenfalls ein Fluss und in diesem Fall kein langohriges Tier) zusammenfließen. Begrüßt werden wir von einem unsympathisch dreinschauenden Mann im Anzug und unvermeidlicher Krawatte, der vor seinem Herrenausstattungsladen steht, und uns in seiner Hilfssheriffposition darauf hinweist, oder besser anpampt, dass Fahrradfahren in der Fußgängerzone verboten sei und mit Geldbußen bestraft würde. Letzteres scheint ihm sichtlich Freude zu bereiten. Wir radeln zwar nicht, sondern rollen ein, aber mir ist heute nicht nach verbaler Breitseite, stattdessen bedanke ich mich bei dem Unsympatikus für den guten Tipp und steige ab. Komische Begrüßungskultur.
Meppen hat sehr schöne alte Bauwerke, aber ein grauenhaftes Einkaufszentrum und – wie wir frustriert feststellen müssen: Keine vernünftigen Cafes. (Siehe unsere Cafe-Anforderungsliste unter http://www.farasan-telgte.de/cafes-mit-eigensinn/ ). Apropos Amsterdam! Irgendwie bekommen es die meisten deutschen Städte einfach nicht hin, eine ansprechende Cafe-Kultur zu bieten. Entweder sind die Städte auf unserer Tour cafefreie Zonen oder die Kaffeeaufbrühläden sind eine Mischung aus Tante-Hedwig´s-Kaffee-Hag-Stube und einer Dönerbude mit Deko-Overkill. Wie will man da Revolutionen planen?
Wir werden im Hotel Schmidt am Markt sehr freundlich empfangen und gut gebettet. Nachts träume ich von einem Hausboot auf der Brouwergracht in Amsterdam. Alles wohl kein Zufall.