SCHLAGLICHT: GEDACHT …
KINDERSPIELPLÄTZE: …
KAYSERSBERG, 2022 …
Kaysersberg, ein kleiner, pittoresker Ort im Elsass und – was man deutlich merkt: Ein Touristenmagnet. Auch ohne stadthistorische Vorkenntnisse wird man bei einem Rundgang durch die malerischen Gassen allerorts gewahr, dass der Arzt und Philosoph Albert Schweitzer in diesem Ort geboren wurde. Tafeln mit kommentierten Zitaten des „Urwaldarztes“ regen auf Schritt und Tritt zum Nachdenken an und wie ich finde: auf eher angenehme Weise. In einem dieser Zitate bezieht sich Schweitzer auf die Heranführung der Kinder an die Natur und den Umgang mit ihr: „Gehst du mit Kindern in die Natur, lasse sie nicht gedankenlos Blumen brechen, schon in der ersten Stunde, die dann in den heißen Händchen welken und die sie dann, weil sie ihnen unbequem werden, achtlos wegwerfen, sondern wage, sie von den ersten Jahren an zur Ehrfurcht vor dem Leben zu erziehen!“ Der Satz und seine Auslegung befinden sich auf einem Schild an einem Spielplatz und in dem begleitenden Kommentar heißt es: „Bei einem Kinderspielplatz handelt es sich eigentlich um ein Versuchslabor. Ein Kinderspielplatz ist nämlich eine (nahezu) perfekte Nachbildung der Gesellschaft, in der Ihr Kind später leben wird…“ Auch wenn Zitat und Kommentar auf den ersten Blick nur wenig in Verbindung stehen, ließ mich das Gelesene beim weiteren Gang durch die Stadt nicht los. Noch am Abend komme ich beim Hundespaziergang an einem Spielplatz vorbei, der an Seelenlosigkeit kaum mehr zu überbieten ist (siehe Foto). Ein bisschen Wiese, ein paar stupide Spielgeräte … das war´s. Trotz schönstem Wetter sehe ich auch in den nächsten Tag kein einziges Kind. Mit diesen Assoziationen „Versuchslabor“ (was auch eher negativ aufstößt) und „Nachbildung der Gesellschaft“ fahre ich nach Hause. Plötzlich sehe ich Spielplätze aus einer anderen Perspektive und bin geradezu entsetzt über die fantasielose, zum Teil sinnfreie Bestückung der als Spielräume gedachten Areale, die zu nichts anderem zu gebrauchen scheinen als zum kurzen Innehalten. Wenn überhaupt. Hier wird keine Neugier geweckt; keine Möglichkeit zum sozialen Lernen geboten; keine Fähigkeiten herausgefordert; keine Fantasie beflügelt … ich bezweifle gar, dass sie auch nur den geringsten Spaßfaktor bedienen. Das ruft natürlich die Frage auf den Plan: Wer ist zuständig für die Spielplätze? Sind es die gleichen Behördenangestellten, die sich die einfallslosen Straßennahmen einfallen lassen? Wurden Pädagogen hinzugezogen? Wurden Eltern und vor allem Kinder selbst involviert? Wenn Spielplätze eine Nachbildung des jeweiligen städtischen Gesellschaftsbildes sind, dann würde das im Gegenzug bedeuten: Hier wird kein Wert auf gesellschaftliche Strukturen gelegt. Man hat eher den Eindruck: Kinder sind vor allem Störfaktoren, die es billig zu unterhalten gilt! Sind Spielplätze vielfach deshalb so grauenhaft gestaltet, um sie auf eine asoziale Gesellschaft vorzubereiten? Hier ist man einem Punkt angekommen, an dem man eine Stadt mit ihrer Einfallslosigkeit, Gesellschafts- und Kinderfeindlichkeit konfrontieren sollte. Wenn die Zukunft den Kindern gehört, wie so oft behauptet wird, dann sollte man für sie Raum schaffen, der gelebtes Leben möglich macht und nicht isoliertes Vorbeileben. Jeder Spielplatz sollte von einem „Fach“gremium aus Personen geplant und gebaut werden, die Ahnung vom kreativen und sozialen Spielen haben.