Lützerath
Vor wenigen Jahren wurde ein Wald zum Symbol für den Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe. Jetzt ist es ein Dorf: Lützerath.

Sicher, das alles ist legal: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im letzten Jahr entschieden, dass Lützerath, ein Dorf direkt am Rand des Tagebaus Garzweiler II, zerstört und die Braunkohle, die sich unter diesem Dorf befindet, abgebaggert werden darf. Durch mehrere Studien wurde im vergangenen Jahr aber festgestellt, dass – trotz Energiekrise – die Braunkohle unter Lützerath nicht mehr benötigt wird. Warum also wird Lützerath dennoch zerstört und warum soll die Braunkohle dennoch gefördert werden? Berechtigte Fragen…

Niemand der Menschen, deren Heimat Lützerath einmal war, lebt dort mehr. Der letzte Bewohner von Lützerath, Eckardt Heukamp, hat es bis zum bitteren Ende dort ausgehalten, musste dann aber nach einem verlorenen Rechtsstreit im vergangenen Jahr seinen Hof an RWE verkaufen. Was soll´s also? Wenn dort eh niemand mehr lebt, kann Lützerath doch weg, oder!? Was soll da noch der Kampf um ohnehin verlorenes Terrain? Zumal es mittlerweile direkt an der riesigen Tagebaugrube liegt. Für das gigantische Zerstörungswerk des riesigen Schaufelbaggers benötigt niemand mehr ein Fernrohr, das Gemetzel an der Natur spielt sich unmittelbar vor Augen ab. Ist ein Mensch in Lützerath, ist er/sie direkt an der Grube.

Kohlekraftwerk (Foto: MM)

Der Räumungstermin für Lützerath steht an, der genaue Tag steht noch nicht fest. Auf jeden Fall wird es in den nächsten beiden Wochen geschehen. Zwar gibt es keine Lützerather mehr, die dort leben, der Grund und Boden gehört RWE, aber es gibt die Menschen verschiedenster NGOs und AktivistInnen, die sich nun seit Monaten, z.T. seit Jahren dort befinden. Sie leben in Baumhäusern, in selbst gebauten Häusern auf der von Eckardt Heukamp zur Verfügung gestellten Wiese, sie leben in besetzten Häusern oder sie pendeln täglich, um Präsenz zu zeigen. Seit Anfang diesen Jahres beginnen nun RWE und Polizei den Gürtel um Lützerath immer enger zu ziehen. Straßen und Wege werden gesperrt, so dass niemand mehr mit dem Auto, sondern nur noch zu Fuß oder mit dem Rad von Holzweiler oder Keyenberg nach Lützerath kommen kann. Bis zum 09.01.2023 ist die Mahnwache in Lützerath eine genehmigte Versammlung, an der jeder Mensch teilnehmen kann. Aber was geschieht nach dem 09.01.?

In Lützerath findet zur Zeit eine politische Machtdemonstration statt, deren Zeuge jeder Mensch sein kann. Während von der CDU, die – wie während der Auseinandersetzungen um den Hambacher Wald deutlich wurde – mit dem RWE-Konzern verbandelt ist, nichts anderes zu erwarten war, hat die GRÜNE Partei im NRW-Landtag – trotz aller Öko-Orden, die sie sich gern anheftet -, diesem ökologischen Gemetzel zugestimmt. Nun reden sich die Grünen aus dieser Katastrophe raus, indem sie auf den Kompromiss verweisen, den sie ausgehandelt haben: Lützerath kann weg, dafür dürfen andere Dörfer bleiben. Was für ein verlogenes Argument! Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Braunkohle unter Lützerath nicht benötigt wird. Sollten sich die Grünen wie vor einigen Jahren im Hambacher Wald auf den verschiedenen Treffen/Demos, die jetzt in oder um Lützerath stattfinden werden, blicken lassen, wird das sicher für sie keine Freude. Sie werden Rede und Antwort stehen müssen. Zu Recht!

Wir alle wissen oder können wissen, was die weitere Verfeuerung fossiler Brennstoffe für das Klima bedeutet. Das, was uns aus der Klima-Wissenschaft und anderen Wissenschaftszweigen an apokalyptischen Zukunftsaussichten vor Augen geführt wird, müsste reichen, um nicht einen Kubikmeter an Braunkohle mehr zu verfeuern. Diese Zukunft möchte niemand, der auch nur einen Hauch an Empathie besitzt, seinen/ihren Kindern und Enkelkindern zumuten. Und dennoch wird weitergemacht und machen wir weiter: Business as usual. Die 1,5 Grad-Grenze, die im Pariser Klimaabkommen 2015 vereinbart wurde, ist höchst wahrscheinlich nicht mehr zu erreichen. Auch 2022 hat Deutschland die selbst gesteckten Klimaziele nicht erreicht. Aber können die prognostizierten drei oder mehr Grad noch verhindert werden? Sicher nicht mit Hilfe der Politik, die – und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – auf ganzer Linie versagt. Was also tun? Resignation ist auf Grund unserer Verantwortung für die Menschen, die nach uns kommen, nicht zu verantworten. Wir müssen also handeln und der Politik klar machen, dass wir bereit sind, die notwendigen Veränderungen/Transformationen mitzutragen. Ihre Feigheit, ihr Nicht-Handeln liegt auch begründet in unserer mangelnden Bereitschaft, das Ruder noch rum zu reißen.

Foto: MM

Ja, Lützerath kann zu einem weiteren Symbol für den Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe werden. Hier können Menschen zeigen, dass sie wach und bereit sind, die Energietransformation mitzutragen. Dass sie bereit sind, die gewohnte energiehungrige Lebensweise hinter sich zu lassen. Dass sie bereit sind, für ihre Kinder, Enkel und weitere Nachkommen genügsamer zu leben und nicht mehr zu verbrauchen, als die Erde zur Verfügung stellt. Dass sie bereit sind, sich wieder als Teil der Natur zu begreifen, ohne die Menschen keinerlei Überlebenschance haben. Dass sie bereit sind, die Natur nicht länger als Supermarkt zu sehen, in dem sich mensch nach Belieben bedienen kann. Ja, und dass sie bereit sind, der Natur auch etwas zurückzugeben. Zum Beispiel in Form von Solidarität angesichts der furchtbaren Zerstörungen, die weltweit durch Menschenhand angerichtet werden. Warum also diese Solidarität nicht in Lützerath zeigen?! Auch um Menschen zu erleben, die eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation mittragen. Verbindung mit anderen Menschen bedeutet alles, wenn wir die dringend notwendigen Schritte gehen wollen.

Termine in Lützerath:

Sonntag, 08. Januar, 10 Uhr Friedhof Holzweiler, 11.30 Mahnwache Lützerath, Dorfspaziergang mit Waldführer Michael Zobel und Eva Töller (vorher noch einmal nachschauen, ob Ort und Zeit so bleiben). Es fahren Shuttles vom Bahnhof in Erkelenz. Das Parken im Parkhaus dort ist kostenlos. Die Parksituation in der Umgebung von Lützerath ist auf Grund von Sperrungen und absoluten Halteverboten (z.B. in Holzweiler) schwierig.

Samstag, 14. Januar, 12.00 Uhr, Großdemo, voraussichtlich im Nachbarort Keyenberg. Auch hier werden genauere Infos noch bekannt gegeben werden.

 

weitere Infos bezüglich der Termine und auch ganz allgemein unter u.a.:

Hambacher Wald – Kohle – Alle Dörfer bleiben

https://www.bund-nrw.de/presse/detail/news/luetzerath-grosse-demo-am-14-januar/

https://www.kirchen-im-dorf-lassen.de/

https://mahnwache-luetzerath.org/

https://greenwire.greenpeace.de/themengruppe-energie-klimaschutz/veranstaltung/luetzerath-dorfspaziergang-08012023

Klaus Wiegandt (Hrsg.): 3 Grad mehr. Ein Blick in die drohende Heißzeit und wie uns die Natur helfen kann, sie zu verhindern. München 2022.

 

Abgesehen von diesen Terminen kann bis einschl. 09. Januar jeder Mensch, der möchte, noch zur Mahnwache nach Lützerath. Nur nicht mehr mit dem Auto. Die Mahnwache dort ist eine nach Artikel 8 GG genehmigte Versammlung, an der jeder/jede teilnehmen kann. Das Gleiche gilt für die Mahnwache von Greenpeace.