Die Letzte Generation
Als Großmutter mache ich mir große Sorgen um die Zukunft meiner Enkelkinder.

Bei den AktivistInnen der „Letzten Generation“ möchte ich mich ausdrücklich für ihr Engagement und ihren Mut bedanken. Sie machen es richtig!  Ihren Aktionen ist es zu verdanken, dass das Thema der drohenden Klimakatastrophe wieder mit in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt ist.

Seit dem Erscheinen des Buches „Die Grenzen des Wachstums“ in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wissen wir darüber Bescheid, was uns droht, wenn wir weiterhin auf diesem Kurs, der auf Ausbeutung von Mensch und Natur beruht, leben. Hinzu kamen im Laufe der Jahre zahllose wissenschaftliche Forschungsberichte und Warnungen. Nichts tat sich. Auf der internationalen und nationalen politischen Ebene wurde auf ebenso zahllosen Konferenzen verhandelt und es wurden Beschlüsse gefasst. Nichts tat sich. Und das ist bis heute so geblieben. Mensch möge nur an die letzte Klimakonferenz in Sharm El Sheik denken. 27 Klimakonferenzen und was ist letztlich passiert? Wenig bis nichts. Und jetzt geht ein Schrei nach harten Strafmaßnahmen inclusive der Forderung nach der rechtlich höchst umstrittenen Präventivhaft gegen die AktivistInnen der „Letzten Generation“ durch die Republik. Wie absurd!

Hambacher Tagebau Foto: MM

Wie sich bisher gezeigt hat und vermutlich auch weiterhin zeigen wird, ist von PolitikerInnen nichts zu erwarten. Sie denken und handeln in Wahlperioden und im Grunde könnten sie uns gestohlen bleiben. Aber wie ist es mit uns BürgerInnen, denen es durchaus in ihrem alltäglichen Verhalten möglich wäre, zahlreiche Beiträge zum Schutz unserer Mitwelt und damit der Zukunft ihrer Nachkommen zu leisten? Die es aber zu oft dennoch nicht tun. Die – nur um ein Beispiel zu nennen – weiterhin um die Welt fliegen. Wohlwissend, was ihr Verhalten im Hinblick auf die Klimakatastrophe bedeutet. Das Motto lautet offenbar: Business as usual. Erweiterbar auf unsere gesamte Lebensweise.

Foto: MM

Jetzt schwingt sich ausgerechnet Friedrich Merz, also derjenige, der hochmütig und unanständig genug war, im Privatjet nach Sylt zur ebenso unanständigen und hochmütigen Hochzeit des Christian Lindner zu fliegen, zum Richter der Sünder auf. Zitat: „Das sind schwerste Straftaten, die das Ziel, wofür sie angeblich auf den Flughafen gehen, diskreditieren.“ Und ausgerechnet Ex-Verkehrsminister Scheuer, der  in seiner Amtszeit vehement ein Tempolimit auf Autobahnen verhinderte, will die „Klima-Kriminellen“  am liebsten  gleich wegsperren lassen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bezeichnet die AktivistInnen der Letzten Generation gar als „Klima-RAF“. Da kommt die Frage auf, wer hier eigentlich kriminell ist…  Diejenigen, die gewaltfrei einen Flughafen und Straßen blockieren, oder beispielweise derjenige, der in einem Privatjet nach Sylt fliegt? Ja, und da ist noch Frau Scharrenbach, ihres Zeichens Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung in NRW. Sie mokiert sich darüber, dass ihr Landeanflug auf dem Berliner Flughafen gestört wurde. Die KlimaktivistInnen bezeichnete sie daraufhin in den sozialen Medien als „Vollpfosten“. Zur Erinnerung: 2018 ließ Frau Scharrenbach die Baumhäuser im Hambacher Wald unter dem Vorwand fehlender Einhaltung von Brandschutzbestimmungen  räumen und zerstören. Die juristische Ohrfeige haben sie und alle, die an der Räumung und Zerstörung beteiligt waren, 2021 bekommen. Frage: Warum ist Frau Scharrenbach eigentlich nicht mit dem Zug nach Berlin gereist? Sollte sie von Düsseldorf aus gestartet sein, wäre eine Zugreise sicher eine angenehmere und deutlich klimaschonendere Alternative gewesen.

Was also tun, wenn weder auf der politischen noch auf der gesellschaftlichen bzw. privaten Ebene klare und verantwortungsbewusste Entscheidungen getroffen werden?

Wenn der Staat, der bekanntlich eine Art Fürsorgepflicht für seine BürgerInnen übernimmt und nur aus diesem Grund überhaupt das Recht hat zu existieren, dieser Pflicht nicht nachkommt, ja, was bleibt dann? Wenn seine VertreterInnen nichts tun oder sogar durch ihre Entscheidungen die Klimakatastrophe billigend in Kauf nehmen oder gar befeuern, wird dann Widerstand nicht zur Pflicht? Ist es dann nicht unsere Aufgabe als mündige und verantwortungsbewusste BürgerInnen, für unsere Zukunft und die unserer Nachkommen zu kämpfen? Sind dann diejenigen kriminell, die durch ihre Aktionen darauf aufmerksam machen, wo der Staat und wir alle, die weiterhin fröhlich die Klimakatastrophe ignorieren, versagen? Oder handeln nicht vielmehr diejenigen kriminell, die nicht handeln, die nur zuschauen und die, die wider besseren Wissens weiterhin einer Lebensweise frönen, die auf Ausbeutung von Mensch und Natur beruht?  Zu keinem Zeitpunkt sind bei den Aktionen der Letzen Generation Menschenleben gefährdet worden. Geschweige denn, dass der Tod von Menschen billigend in Kauf genommen wurde. Auch nicht – wie in den Medien suggeriert – bei der Autobahnblockade in Berlin.

Foto: MM

Die AktivistInnen der Letzten Generation ebenso wie die von Extinction Rebellion und all die, die sich in Lützerath im Widerstand gegen die Braunkohleförderung durch RWE befinden, und auch die vielen anderen Menschen, die weltweit Widerstand gegen die weitere Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen leisten, haben meinen vollen Respekt. Und meinen Dank! Und wenn es mir irgendwie möglich ist – was leider viel zu selten der Fall ist -, bin ich dabei.

Es bleiben am Ende immer dieselben Fragen: Wer hat ein konkretes Interesse daran, diese Bewegung (wie auch die anderen Klimabewegungen) zu kriminalisieren? In wessen Namen sprechen all diese vermeintlichen VolksvertreterInnen, wenn sie ihr Urteil derartig selbstgefällig und aufgeblasen und verächtlich verkünden?  Und – Warum springen so viele Menschen auf diesen Zug auf und stürzen sich in den (a)sozialen Medien wie eine gierig geifernde Meute auf die AktivistInnen der Letzten Generation? Anstatt sich zu solidarisieren. Denn schließlich geht es auch um ihre Zukunft und die ihrer Kinder und Enkel.