25.05.-07.06.2008
Das unten stehende Gedicht von Ingrid Herta Drewing ist allein betrachtet schon Grund genug, weshalb man sein eigenes Heimatland erforschen sollte. Deutschland ist so vielfältig. Wenn man so wie wir mit dem Wohnmobil unterwegs ist, sind alle Landschaften durchaus in einem Urlaub zu erreichen. Bei einer Fahrt nach Sizilien fragte ein japanischer Tourist meinen Mann, warum er denn unbedingt in dieses Land wolle, da doch Deutschland so viel grüner und abwechslungsreicher wäre! Er hat doch Recht, oder?
Deutschland
Mein Land, das ich als Heimat tief empfinde,
ich liebe deine Vielfalt, die so schön:
die Berge, Hügel, Ebenen und Seen, die klaren Flüsse, die zum Meere finden
durch Wälder, Felder, die in Blüte steh’n
Europas Atem ist in dir zu spüren,
hier treffen Nord und Süd, Ost, Westen sich,
und vieler Völker Geist beseelte dich.
Auch heute noch lässt du dich rühren,
schenkst vielen hier der Hoffnung helles Licht.
In deinen Dörfern, Städten, Metropolen
zeigst du Jahrtausend’ alt, doch jung Gesicht.
Aus deinen Häusern, Schlössern, Kirchen spricht
der Zauber der Geschichte, unverhohlen,
sehr oft voll Poesie wie ein Gedicht.
(aus dem Gedicht „Deutschland“ von Ingrid Herta Drewing)
In unserem Urlaub in Süddeutschland 2005 haben wir wunderschöne Landschaften entdeckt und Deutschland als Urlaubsland erstmals richtig wahrgenommen, daher waren wir gerne wieder bereit in Deutschland Urlaub zu machen. Wie auch in den letzten Jahren waren wir mit unserem kleinen Wohnmobil unterwegs. Diese Art zu reisen ist uns am liebsten, so lernt man Land und Leute am besten kennen. Aber das ist unsere Meinung. Ursprünglich wollten wir ein paar Tage am Tegernsee verbringen, von dort in den Bayrischen Wald zum Wandern und anschließend durch Tschechien zum Ausklang nach Dresden. Ein Aufenthalt in dieser wunderbaren Stadt war ein Geschenk zu unserer Hochzeit. Doch aus familiären Gründen mussten wir unseren Plan aufgeben. Wir tauschten den Bayrischen Wald mit dem Elbsandsteingebirge, fuhren dann nach Dresden und ließen den Urlaub auf Rügen ausklingen. Wir haben diese Änderung nicht bereut.
Elbsandsteingebirge
Der Teil der Strecke über die A44 von Münster nach Kassel fahren wir mittlerweile wie im Schlaf, jahrelang mussten wir ja wöchentlich diese Strecke fahren, bis wir unser bezauberndes Haus in Telgte gefunden haben. Bis kurz vor Göttingen (über die A7) ging die Fahrt auch wie in einem Rutsch; danach erwartete uns eine unbekannte Region. Fremde Landschaften haben ihren ganz besonderen Reiz, doch dann…die Autobahn war nicht ausgebaut und wir wichen stellenweise auf Straßen aus, die uns durch jedes kleine Dorf führten. Entfernte Städte und Dörfer können durchaus spannend sein, doch die Strecke führte uns nur selten durch reizvolle Flecken und wir waren am späten Nachmittag froh, unsere erste Station erreicht zu haben: Königstein an der Elbe.
Königstein liegt zwischen Pirna und der tschechischen Grenze in der Sächsischen Schweiz. Im Elbsandsteingebirge gibt es fantastische Felsformationen, die zum Klettern einladen. Unmittelbar an der Elbe lag ein netter kleiner Campingplatz, den wir als Basis für unsere Ausflüge nutzten. Ein Weg führte am Ufer des Flusses zum Stadtkern von Königstein, Ausgangsort für mehrere nicht zu anstrengende Wanderungen. Es ist ein kleiner hübscher Ort mit einer Anlegestelle für eine Fähre, da Königstein über keine Brücke verfügt, um das gegenüberliegende Ufer der Elbe zu erreichen. Steht man am anderen Ufer und schaut herüber nach Königstein, so erscheint die kleine Stadt mit ihrer Eisenbahnbrücke wie die klassische Szenerie einer Märklin-Eisenbahn. An vielen Häusern, die in vorderster Front stehen, sind Markierungen angebracht. Sie weisen jeweils auf den höchsten Stand der letzten Überschwemmungen hin. Die Einwohner scheinen hier entweder hart im Nehmen zu sein oder sie haben resigniert.
Am Pfaffenstein, einer Erhebung in der Nähe von Königstein, steht die 35 m hohe Nadel der „Barbarine“, eines der Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz. Hierher ging auch unsere erste Wanderung. Der gut beschriebene Wanderweg zum Pfaffenstein führte durch einen mystisch anmutenden Wald, Felsbrocken und einige Höhlen machten ihn nur noch verwunschener. Der Sonnenschein wurde durch das dichte Blätterdach gefiltert und ließ alles in einem grünen Licht erscheinen, die Sonne konnte sich nur an einigen Stellen bis auf den Boden durchkämpfen. Die Felsen waren mit Moos bewachsen und wären jetzt sagenhafte Waldwesen, die uns hinter den Felsen beobachteten, erschienen, es hätte uns nicht verwundert. Die Erwartungen und Vorstellungen, die wir als Kinder beim Spielen im Wald hatten, wurden wieder geweckt. Es war eine Wanderung der Stille. Der Anstieg zum Gipfel des 434 m hohen Tafelberges, war abenteuerlich; es fanden sich alle Landschaftsmerkmale der Sächsischen Schweiz: feuchte Schluchten, Klammen, durch die wir uns auf Steigleitern quetschen mussten, und schmale nadelgleiche Felstürme. Von einem Felsplateau, auf dem ich mir eine magische geheimnisvolle Kultstätte vorstellen konnte, öffnete sich ein umwerfender Blick auf die tief unter uns liegende Landschaft. Hier oben am Gipfel erwartete uns auch ein sehr gutes Restaurant, in dem wir dankbar eine Pause machten. Der angenehme Abstieg runter nach Königstein führte uns wieder durch eine reizvolle Landschaft und in Königstein durch sehr schöne Viertel und Straßenzüge.
Ich empfehle dem Leser dieses Reiseberichtes, die Wanderung zum Basteiblick nicht zur Haupturlaubszeit oder am Wochenende zu unternehmen. Ausgangsort für diese Wanderung war Rathen; den Ort erreicht man von Königstein recht leicht mit dem Zug, von dort kann man mit der Fähre übersetzen. Der Weg hoch zum Basteiblick fängt bald schon nach der Anlegestelle an. Wir waren an diesem Tag ungefähr vier Stunden unterwegs, stellenweise sind sehr viele Treppen – es sind insgesamt 487 Stufen – zu bewältigen. Ich glaube, ich bin noch nie einen so verwunschenen märchenhaften Pfad gegangen, leider sind die Waldwesen, die Guten und die Finsteren von hier verschwunden. Diese scheuen Bewohner lieben die Einsamkeit, die sie hier nicht mehr finden. Nachlässige Touristen ziehen sich wie ein endloses Band durch den Wald und stören die herrliche Atmosphäre dieses Naturdenkmals. Ja, auch wir sind Touristen, doch es gibt eine besondere Art der Spezies „Touristen“: das sind die, die auf einer imaginären Liste die besuchten Orte abhaken. Diese Landschaften oder Städte verschwinden in den Tiefen ihres Gedächtnisses, sie sehen die Orte nur mit ihren Augen, nicht mit allen Sinnen. Waren sie wirklich vor Ort oder waren es Hüllen, die an mir vorbeizogen? Ich versuchte oben an der Bastei die Menschenmassen zu ignorieren, es gelang mit nicht. Ich merkte, wie Ärger in mir hochstieg, können die Menschen nicht mehr Ehrfurcht vor der Schönheit dieses Schauspiels zeigen? Mein Blick glitt über das Elbetal und ich bewunderte die technische Leistung der böhmischen Ritter, die die Naturfestung schon im 14 Jh. errichteten. Der Abstieg ging wesentlich schneller! Kennen Sie das Gefühl von Gummi in den Beinen?
Die letzte Wanderung in diesem Abschnitt unseres Urlaubes ging zum Lilienstein. Der Lilienstein ist ebenfalls ein Tafelberg und gehört zu den auffälligsten Erhebungen in der Sächsischen Schweiz. Auch ein sehr schönes Wandergebiet, Gott sei Dank auch nicht so überlaufen wie der Basteiblick. Von Königstein erreicht man dieses Gebiet wieder über Rathen, mit der Fähre über die Elbe und dann führt ein netter, nicht zu anstrengender Weg über den Nordanstieg zum Gipfel. Am Ziel findet der durstige Wanderer eine Gastwirtschaft und mehrere Möglichkeiten für ein Picknick. Wir wählten eine der vielen Felsplateaus, von denen man einen weiten Blick rüber nach Königstein hat, der Lilienstein liegt vis a vis. Der Südanstieg bzw. -abstieg ist etwas anstrengender, er führt über viele Stufen hinab.
Das war der erste Teil unseres Urlaubes.
Dresden
Dresden, du traumhaft schöne Stadt, wie habe ich mich auf dich gefreut!
Aber der folgende Abstecher zu unserem Ziel sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Zwischen Königstein und Dresden liegt Schloss Pillnitz. Vielen ist es sicherlich noch bekannt aus der Radeberger Werbung Mitte der 90er Jahre. Erinnern Sie sich noch an das weiße Pferd, das über eine nebelverhangene Wiese vor einem Schloss galoppierte? Schloß Pillnitz ist großartig gelegen, direkt am Ufer der Elbe. Einst gehörte es der Gräfin Cosel, Mätresse August des Starken. Nachdem er ihrer überdrüssig war, ließ er das Schloss zu seiner Sommerresidenz umbauen. Das Schloss und der Park sind die bekannteste Schlossanlage mit asiatischem Flair Europas. Die prächtige Komposition aus Schloss und Gartenanlage fügt sich harmonisch zwischen den Weinbergen und dem Fluss ein. In der Parkanlage steht eine weithin bekannte Kamelie, 200 Jahre wird sie wohl sein und hat eine Höhe von 8,60 m und einen Durchmesser von fast 11 m. Jährlich lockt sie mit ihren über 35.000 karminroten Blüten viele Besucher an. Im Winter wird sie durch ein eigens für sie konstruiertes Gewächshaus geschützt, das während der warmen Jahreszeit zur Seite gerollt wird.
Später wurde unter August III. der Park nach Vorbild englischer Landschaftsgärten erweitert. Man kann stundenlang lustwandeln, über die Elbe schauen und vor sich hin träumen.
Die hektische Suche nach unserem Hotel durch Dresden wurde mehr als belohnt! Wir ließen unser Wohnmobil stehen und tauschten es mit einem Hotel. Wow, unser Hochzeitsgeschenk entpuppte sich als First Class-Suite im obersten Stockwerk des Hotels mit einer riesigen Dachterrasse! Auf der einen Seite reichte unser Blick über mehrere Schleifen der Elbe, auf der anderen Seite breitete sich Dresden vor unseren Augen aus. Erwartet wurden wir mit einer eisgekühlten Flasche erstklassigen Sachsenwein. Doch so exklusiv das Hotel auch war, wir waren letztendlich nur zum Schlafen und Essen hier! Doch auch das erwies sich als „erste Sahne“! Unser Candle-Light-Dinner, ebenfalls ein Geschenk unserer Kollegen, war überaus delikat: Von der Vorsuppe über die Vorspeise bis zum Hauptgericht (in Erinnerung sind mir die gefüllten Wachteln geblieben) und dem anschließenden Dessert raffiniert gestaltet.
Unter Napoleon war Dresden die Hauptstadt des Königreichs Sachsen. Sie wuchs zur Großstadt und wurde am 13. Februar 1945 dem Erdboden gleichgemacht. Das wunderschöne Elbflorenz existierte nicht mehr! Bis heute ist nicht geklärt, wieviel Todesopfer das dreitätige Inferno der alliierten Bomber gefordert hat. Am Ende des dritten Tages waren 15 km² nur noch Schutt und Asche! Unvorstellbar für unsere Generation, wenn man jetzt an den wunderbar wiederaufgebauten und restaurierten Gebäuden und barocken Herrlichkeiten entlang wandeln kann.
Unser erster Ausflug führte uns in die Neustadt, ein absolut angesagter Stadtteil. Hier ist die Szene Dresdens zu Hause. Tolle Cafes, außergewöhnliche Restaurants, sehr zu empfehlen das „Raskalnikoff“ in der Böhmischen Straße und schicke Trendläden entdeckt man in den spannenden Straßenzügen. Und „Schräges“ wohin man schaut. Gut erhaltene Jugendstilhäuser findet man hier genauso wie Trödelläden, hippe Kneipen und Kunstateliers. Ein absolutes Muss ist die Kunsthofpassage zwischen Alaunstraße und Görlitzer Straße. Wer in diesem Viertel seine Kamera zu Hause vergisst, ist selber schuld.
Denkt man an Dresden, denkt man auch an die Semperoper, den Zwinger und das „Grüne Gewölbe“, um nur drei weltberühmte Sehenswürdigkeiten zu nennen. Um all die wiederauferstandenen Kostbarkeiten zu sehen, wäre sicherlich eine Woche angebracht, wir hatten allerdings nur ein verlängertes Wochenende. Wir waren auch leider nicht ganz frei in unseren Entscheidungen, da wir Eintrittskarten für das Grüne Gewölbe und den Zwinger geschenkt bekommen hatten. Ich gebe zu, ich genieße den Anblick von Edelsteinen, besonders wenn sie zu Schmuck und Kleinodien verarbeitet wurden. Doch diese Prachtentfaltung im Grünen Gewölbe, das prachtvollste Schatzkammermuseum Europas, wird irgendwann zu viel fürs Auge, so dass es schon kein Genuss mehr ist.
Untrennbar mit der Staatlichen Gemäldegalerie im Zwinger ist auch eines der bekanntesten Gemälde in Europa, vielleicht sogar auch der Welt, verbunden: Die Sixtinische Madonna von Raffael. Von August III. erworben zieht sie jedes Jahr Tausende von Besuchern an. Es ist vielleicht 19 Jahre her, damals war ich auf einer Stippvisite in Dresden, da stand ich plötzlich vor diesem Bild. Völlig nichtsahnend schlenderte ich durch die Gemäldesammlung, bog um eine Ecke und da war sie…Wobei man muss dazu sagen, viele kennen die Madonna nicht, viele kennen eher die kleinen Engel, die es sich am unteren Bildrand bequem gemacht haben. Man findet sie heute leider überall, in schlechten Souvenirläden, auf Werbung und billigen Postkarten.
Wenn man in Dresden ist, sollte man sein Auto stehen lassen. Erstens ist alles ganz einfach mit Bus und der Tram zu erreichen und zweitens hat man so die Gelegenheit, sich die prächtigen restaurierten Gebäude anzuschauen. Trotz meiner wundgelaufenen Füße blieb ich immer wieder stehen um zu staunen, zu träumen und zu bewundern.
Das letzte Highlight unseres Dresden-Trips war das Hygienemuseum. Hört sich nicht appetitlich an, war aber nichtsdestotrotz sehr lohnenswert, denn hier fand eine ganz interessante Ausstellung statt. Eine Ausstellung über das Glück! Dieses Thema ließ uns auch bis zum Ende unseres Urlaubes nicht mehr los! Wie findet man das Glück, was ist Glück und wie erhält man sich das Glück? Ist Glück ein ewigwährender Zustand oder ein kurzlebiges Gefühl?
August der Starke und nach ihm sein Sohn August II. haben Dresden zu einer Kunstmetropole erschaffen. Ich war zweimal in dieser wunderbaren Stadt. 1997 war sie eine einzige Baustelle und man konnte nur erahnen, was da aus der Asche wieder erstehen wird und schließlich 2008, ein Phönix ward neugeboren! In mir war immer der feste Wunsch, noch einmal hierher zu kommen. Doch was geschieht nun mit dieser Stadt? Wird Dresden wieder untergehen? Hoffentlich finden sich hier die 10 Gerechten, die die Engel Gottes in Sodom und Gomorra vergeblich gesucht haben!
Rügen
Es ist wahrlich kein Katzensprung zum dritten Abschnitt unseres Urlaubes. Die Strecke hoch in den Norden zog sich endlos hin, anfänglich durch Brandenburg fuhren wir noch durch anmutige Heidelandschaften mit Nadelwäldern, doch dann erreichten wir die Kornkammer Deutschlands, Meck-Pomm! Wenn ich irgendwann mal Einsamkeit und weites Land um mich herum brauche, dann werde ich diese Zeit in Mecklenburg-Vorpommern verbringen. Bearbeitete Landschaft, soweit das Auge reicht, riesige Felder, leicht gewellt, dazwischen hin und wieder kleine Seen und kaum Städte. Aber auch kaum Raststätten mit Toiletten! Und ohne Raststätte auch keinen Kaffee.
In Stralsund fuhren wir über die Rügenbrücke auf die Insel. Doch auch hier ist es eher langweilig, richtig romantisch wird es erst ab Bergen. Die Landschaft ändert sich, sie ähnelt jetzt durch die leichten bewaldeten Hügel eher dem Allgäu als einer nordischen Insel. Wir rollten durch herrliche Abschnitte in den Norden der Insel nach Juliusruh. Auf einem kleinen gemütlichen Campingplatz fanden wir unter Kiefern unser Domizil. Die Sonne schien, die Möwen kreischten, der Strand war endlos, fast menschenleer und das Meer tiefblau! Unser erster Strandspaziergang seit zwei Jahren und ich inhalierte dieses Gefühl von grenzenloser Weite und Liebe und Leben!
Mit dem Fahrrad erkundeten wir am nächsten Tag den nördlichsten Punkt Deutschlands: Kap Arkona. Der Weg führte meistens direkt an der Steilküste entlang, stets das Meer rechter Hand und großartige Wälder linker Hand. Zwischendurch erkannte man durch das Gebüsch prächtige Bauernhöfe und verspielte Sommerhäuser. Kurz vor dem kleinen Ort Vitt hielten wir an einem improvisierten Cafe mit weitem Blick über die Steilküste, die Besitzer des dahinter liegenden Hauses versorgten die Radler mit absolut leckeren selbstgebackenen Kuchen und Torten, nicht ohne die Gäste genauestens zu begutachten und eine jeweilige, aber schelmische, Empfehlung auszusprechen. Ich bekam den Kuchen für die Hexe. Wie hat der Wirt das nur gemeint?
Vitt ist der kleinste Ort, den ich je gesehen habe und absolut verträumt, wenn nur nicht die vielen Besucher gewesen wären. Fast schämte ich mich, bei jedem hübschen Haus in Begeisterungsrufe auszubrechen und wie ein kleines Kind mit dem Finger auf das Objekt zu zeigen.
Am Kap Arkona besuchten wir eine kleine Galerie. Dahinter, im Atelier des Künstlers StefaNo, unterhielten wir uns sehr lange über seine Objekte im LandArt-Stil. Seit diesem Urlaub können wir nie an einem Strand oder Fluss spazieren gehen, ohne den Blick über den Boden streifen zu lassen. Viele schöne Dinge sind seitdem aus Fundstücken entstanden.
Der Ort Sassnitz hat uns nicht so gut gefallen, doch der Nationalpark Jasmund mit der „Stubbenkammer“ ist ein wunderschönes Stück Erde. Vom Parkplatz Hagen führt ein Weg durch einen 2.000 Jahre alten zauberhaften Wald mit kleinen geheimnisvoll wirkenden Tümpeln. Am Eingang zum Nationalpark Zentrum und zum „Ausblick“ mussten wir feststellen, dass wir nur für den Blick zum „Königsstuhl“ sechs Euro bezahlen sollten. Also die Alternative: 427 Stufen runter an den Strand, Blick zum „Königsstuhl“ inklusive. Der Strandabschnitt war übersät mit skurrilen Fundstücken und „Hühnergöttern“ (Steine mit natürlich entstandenen Löchern), wir waren dem Sammelrausch verfallen! Die 427 Stufen wieder hoch und die 3,5 km zurück zum Parkplatz waren, um es gelinde auszudrücken, etwas beSCHWERlicher!
Sollten Sie irgendwann einmal Rügen besuchen, dann müssen Sie sich auch die kleine Insel Hiddensee anschauen. Hiddensee nimmt, was die Sonnenscheindauer betrifft, in Deutschland eine Spitzenstellung ein. Ebenfalls bemerkenswert: die Inselumgebung ist eine der bedeutendsten Kranichrastplätze Deutschlands. Zahlreiche Künstler waren hier im frühen 20. Jh. anzutreffen, die Insel erwarb sich daher den Ruf einer Künstlerkolonie. Leider war uns das Glück nicht hold, zu der Zeit, als wir die Insel besuchten, war nur eine kleine Fotoausstellung zu finden.
1930 kaufte der Schriftsteller Gerhard Hauptmann das Haus Seedorn in Kloster. Bis 1943 verbrachte er hier die Sommermonate mit seiner Familie. Heute befindet sich darin ein Museum.
Doch Hiddensee ist auch einfach „nur“ eine charmante kleine Insel, man kann hier herrliche Touren machen, zu Fuß oder mit dem Rad.
An unserem letzten Tag auf Rügen schauen wir uns noch einige der wichtigsten Orte an: Putbus, Lauterbach, Binz und Prora.
Putbus wurde 1810 im klassizistischen Stil gebaut und sollte dem damaligen Schloss und dem Park angepasst werden. Die weiß gestrichenen Häuser stehen im Kreis, es erinnert an eine riesige Manege. Leider wurde das Schloss Putbus 1962 abgerissen, aus welchen unsinnigen Gründen auch immer.
In Lauterbach erinnert das elegante Badehaus Goor an die Bauphase von Philipp Malte I. Fürst zu Putbus, der ebenfalls Putbus ausbauen ließ. Vom seitwärts laufenden Fußweg kann man von weitem bei gutem Wetter die kleine Insel Vilm sehen, die seit 1936 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Bekannt wurde sie auch als Ferieninsel des Ministerrates der DDR, Margot und Erich Honecker waren hier öfters zu Gast. Seit 1990 können von März bis Oktober täglich 30 Personen unter Führung die Insel betreten
Binz ist der Touristenmagnet auf Rügen. Dementsprechend ist diese Stadt auch sehr auf Touristen eingestellt, was ihr sicherlich nicht nur gut tut. Die Häuser entlang der Promenade und auch kurz dahinter sind absolut sehenswert, hier hat sich die damalige Bäderarchitektur in aller Pracht entfaltet.
Dem längsten Gebäude der Welt gilt unser letzter Besuch auf Rügen: dem ehemaligen KdF-Gebäude „Koloss von Prora“. In diesem Gebäude, über 4 km lang, sollten während der Zeit des Nationalsozialismus unter der Führung der Organisation „Kraft durch Freude“ ca. 20.000 Personen gleichzeitig Urlaub machen können. Dazu ist es nie gekommen. Nach dem Krieg wurden die Bauarbeiten eingestellt und um 1950 die bereits bestehenden Gebäude als Kasernenanlage genutzt.
Ein schreckliches Gefühl überkam mich als wir den kilometerlangen Komplex abliefen. Ich fühlte mich beobachtet und gelähmt, eine Szene aus einem „Harry Potter“ Film fiel mir ein, schreckliche Gestalten, die Dementoren, lauern in den langen Fluren. Die Türen in den langen Fluren sind weit geöffnet, hunderte von Metern kann man schauen, es ist beängstigend. In einem Teil haben sich Künstler Ateliers eingerichtet. Ein Künstler erzählte uns, dass es nicht viele hier aushalten würden. Auch er selbst hatte am Anfang das Gefühl, die Gebäude würden die Kraft und den Willen aus ihm ziehen.
Rügen war ein wunderschöner Abschluss für diesen Urlaub. Er war ausgewogen mit Kunst, Kultur und Aktivitäten wie Wandern und Radeln. Schon 2005 auf unserer Fahrt durch die Uni-Städte Süddeutschlands haben wir festgestellt, dass Deutschland wunderschön ist, man muss sich nur darauf einlassen können. Strand kann jeder!