Lissabon: Stadt des Lichts
Reise-Erlebnisse damals und heute

Eines der berühmten Wahrzeichen Lissabons: Der "Torre de Belém" (übersetzt: Turm von Bethlehem), erbaut von König Manuel I zum Schutz der Hafeneinfahrt (Foto: Birgit Hartmeyer)
Eines der berühmten Wahrzeichen Lissabons: Der „Torre de Belém“ (übersetzt: Turm von Bethlehem), erbaut von König Manuel I zum Schutz der Hafeneinfahrt (Foto: Birgit Hartmeyer)

 

Quem não viu Lisboa, não viu coisa boa“ (= „Wer Lissabon nicht sah, hat noch nichts Schönes gesehen“). Mit diesem stolzen Zitat der Einwohner Lissabons beginnt der Abschnitt über Portugals Hauptstadt in meinem alten Reiseführer aus dem Jahre 1982. Damals wie heute wird die Schönheit der am Tejo gelegenen und wie Rom und Konstantinopel auf sieben Hügeln erbauten Stadt gerühmt. Seltsamerweise aber war ich bei meinem ersten Besuch im Jahre 1984 von der Stadt enttäuscht. Über 30 Jahre lang habe ich mich gefragt, wieso das so war. Lag es an mir? Hatten alle anderen eine rosarote Brille auf der Nase? Im März 2016 bin ich wieder in die Hauptstadt Lusitaniens gereist und war neugierig darauf, wie ich die Stadt dieses Mal erleben würde.

 

Mit dem Rucksack unterwegs an der Algarve (Foto: Thomas Kemper)
Mit dem Rucksack unterwegs an der Algarve (Foto: Thomas Kemper)

Dank der Tatsache, dass ich mich nur äußerst ungern von Dingen trenne, befindet sich auch heute noch, fast 32 Jahre nach meinem damaligen Portugalurlaub, der Alternativ-Reiseführer, den ich seinerzeit gekauft hatte, in meinem Besitz; ebenso mein Taschenkalender aus dem Jahre 1984, in den ich alles, was ich in dem Jahr unternommen hatte, eingetragen hatte. Unter dem Datum 21. August 1984 steht dort geschrieben: „Flug nach Portugal“. An den Rand hatte ich noch weitere Infos gekritzelt, beispielsweise, dass der Flug von Düsseldorf nach Faro ging und 578 DM kostete. Mit meinem damaligen Freund reiste ich mit Rucksack und Zelt die Algarve entlang, von Faro nach Quarteira und weiter über Albufeira nach Lagos. Danach machten wir mit dem Bus einen Abstecher nach Lissabon. Wir blieben vier Nächte dort und reisten dann zurück zur Algarve.

 

Die Algarve 1984

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich von der Algarve (eigentlich müsste es „dem Algarve“ heißen!) restlos begeistert war. Herrliche Strände, strahlendblauer Himmel, Bootsfahrt zu den Grotten an der Felsalgarve, gutes Essen sowie eisgekühltes Bier und leckere Cocktails … wir genossen trotz nicht allzu üppigen Geldbeutels das unbeschwerte Leben unter der Sonne des Südens. Etwas lästig war allerdings, dass der schwerbepackte Rucksack über längere Strecken auf dem Rücken getragen werden musste, da die Bahnhöfe nicht immer unbedingt in der Nähe des nächsten Campingplatzes lagen.

Die Algarve war damals, 10 Jahre nach der Nelkenrevolution und dem Sturz des faschistischen Regimes, bereits ziemlich touristisch. Außer den „normalen“ Urlaubern gab es auch viele junge Rucksackreisende. Während Albufeira eine Hochburg der Engländer war, tummelten sich in Lagos vorwiegend deutsche Touristen. Mein Algarve-Favourit war eindeutig Lagos. Das Städtchen hatte Charme und das bunte Leben in den Kneipen, Restaurants und Bars gefiel mir ausgesprochen gut.

 

Lissabon 1984

Alfama 1984 - Von Touristen nichts zu sehen (Foto: Birgit Hartmeyer)
Alfama 1984 – Von Touristen nichts zu sehen (Foto: Birgit Hartmeyer)

Die große Enttäuschung war zu meiner Verwunderung Lissabon. Jeder schwärmte von der „Stadt des Lichts“, nur ich konnte mich nicht so richtig für sie erwärmen.

Nach der Ankunft fuhren mein Freund und ich mit dem Bus zum Campingplatz im riesigen Monsanto-Park (Parque Florestal de Monsanto), der sich westlich des Stadtzentrums befindet. Im Schatten der Pinien schlugen wir unser kleines Iglu-Zelt auf, flankiert von den großen und bestens ausgestatteten Zelten unzähliger portugiesischer Familien, die sich mit Kind und Kegel in die Hauptstadt aufgemacht hatten. Ausländische Touristen habe ich in den fünf Tagen, die wir dort verbrachten, nicht gesehen. Unsere direkten (portugiesischen) Nachbarn gaben uns jeden Abend großzügig von ihren gegrillten Sardinen ab, die wir mit einem „Obrigada“ (danke) gern entgegennahmen. Damit endete die Konversation, da wir weder Portugiesisch konnten noch die Portugiesen Deutsch (oder Englisch).

Praça da Figueira 1984; die Reiterstatue von König Dom João I. steht mittlerweile am Rand des Platzes; im Hintergrund kann man die Burg sehen (Foto: Birgit Hartmeyer)
Praça da Figueira 1984; die Reiterstatue von König Dom João I. steht mittlerweile am Rand des Platzes; im Hintergrund kann man die Burg sehen (Foto: Birgit Hartmeyer)

Am nächsten Tag fuhren wir – was mir heute unverständlich ist – zum Stierkampf nach Cascais, einem nahegelegenen, auch damals schon touristischen Fischerörtchen. Lissabon hat zwar selbst eine Stierkampfarena (immer noch), aber zu dem Zeitpunkt, als mein Freund und ich dort waren, gab es keine Vorführungen. Der einzige Vorteil des portugiesischen Stierkampfs ist, dass der Stier in der Arena nicht getötet wird. Tierquälerei ist es dennoch allemal, und während ich heutzutage Petitionen gegen solch brutale Veranstaltungen unterzeichne, saß ich damals, am 2.9.1984, einem Sonntag, in der Stierkampfarena von Cascais und sah mir von 17:30 Uhr bis 21:00 Uhr sechs Stiere an, die von vier Matadoren malträtiert wurden.

Am Montag besichtigten wir dann das Burgviertel mit dem hochgelegenen Kastell St. Georg (oder auf Portugiesisch: Castelo de São Jorge) sowie die romanische Kathedrale (Sé Patriarcal de Lisboa), die 1150 nach der christlichen Rückeroberung der Stadt auf den Ruinen einer maurischen Moschee errichtet wurde, und die kleine barocke Kirche Santo António. Am Dienstag widmeten wir uns der mittelalterlichen Alfama mit ihren engen, verwinkelten Gässchen und Treppen. Die Alfama hatte im Gegensatz zu anderen Stadtvierteln das schlimme Erdbeben von 1755 überlebt.

Alfama 1984 (Foto: Birgit Hartmeyer)
Alfama 1984 (Foto: Birgit Hartmeyer)

Wenn ich mir heute die Fotos von 1984 ansehe, fällt mir auf, dass so gut wie keine Touristen darauf zu sehen sind. Wenn überhaupt Menschen zu sehen sind, dann portugiesische Einwohner der Stadt. Im Vergleich zu dem Touristentrubel an der Algarve war dies ein bemerkenswerter Unterschied.

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir an einem der Abende in einem Restaurant in Lissabon gegessen haben. Am letzten Abend allerdings wollten wir ein Fado-Lokal im Stadtviertel Bairro Alto aufsuchen (Fado = wehmütiger portugiesischer Gesang, der Sehnsucht – die berühmte Saudade – und Schmerz ausdrückt). In meinem Reiseführer waren zwei Fado-Lokale mit Adresse angegeben, die wir vergeblich zu finden versuchten. Die Portugiesen, die wir nach dem Weg fragten, verstanden unser Englisch nicht, und wir landeten schließlich in einer ziemlich düsteren Gegend, die wenig vertrauenerweckend war, sodass wir zusahen, dass wir wieder auf eine etwas belebtere Hauptstraße kamen. Letztendlich gaben wir die Suche auf und fuhren zurück zum Campingplatz. Am darauffolgenden Tag ging es dann mit dem Express-Bus über die „Brücke des 25. April“ (Ponte 25 de Abril; Tag der Nelkenrevolution) zurück nach Lagos.

 

1984: Die Straßenbahn Nr. 28 rattert durch die engen Gassen (so leer ist sie heute nicht mehr) (Foto: Birgit Hartmeyer)
1984: Die Straßenbahn Nr. 28 rattert durch die engen Gassen (so leer ist sie heute nicht mehr) (Foto: Birgit Hartmeyer)
Alfama 1984 (Foto: Birgit Hartmeyer)
Alfama 1984 (Foto: Birgit Hartmeyer)

 

 

Lissabon 2016

Lissabon in Pastellfarben im Regendunst (Foto: Birgit Hartmeyer)
Lissabon in Pastellfarben im Regendunst (Foto: Birgit Hartmeyer)

 

Wie anders als im Jahre 1984 war doch mein Besuch Lissabons im März 2016! Mit einer Freundin landete ich mit dem Flieger aus Düsseldorf auf dem Lissabonner Flughafen. Zunächst einmal verbrachten wir vier wunderschöne, entspannte Tage im Alentejo (größte Provinz Portugals, nördlich der Algarve gelegen), bevor wir uns dann weitere vier Tage Portugals Hauptstadt widmeten. Statt auf einem außerhalb gelegenen Campingplatz inmitten portugiesischer Großfamilien residierten wir in einem sechsstöckigen Hotel direkt am Praça Marquês de Pombal, dem nördlichen Endpunkt der Avenida da Liberdade, unter vornehmlich spanischen, aber auch einigen deutschen, asiatischen u.a. Touristen (HF Hotel Fénix Lisboa). Statt karger Campingkost gab es ein üppiges Frühstücksbüffet, nachmittags Pasteis de Nata (portugiesische Cremetörtchen) und abends erlesene Speisen in ausgesuchten Restaurants (Tipps: „Enoteca – Chafariz do Vinho“, ein Weinrestaurant innerhalb des ehemaligen Aquädukts in der Rua da Mãe de Água, Nähe Avenida da Liberdade; „João de Grão“ in der Rua dos Correeiros in der Unterstadt, der Baixa). Auch der Besuch eines Fado-Lokals stand selbstverständlich auf dem Programm (Tipp: „Mascote de Atalaia“ in der Rua Atalaia im Bairro Alto; sehr kleines, noch authentisches Lokal; vorherige Reservierung sinnvoll).

 

Das Café "Nicola" im Stadtteil Baixa, 1787 von einem Italiener mit gleichem Namen gegründet; die schöne Jugendstil-Fassade stammt aus dem Jahre 1929 (Foto: Birgit Hartmeyer)
Das Café „Nicola“ im Stadtteil Baixa, 1787 von einem Italiener mit gleichem Namen gegründet; die schöne Jugendstil-Fassade stammt aus dem Jahre 1929 (Foto: Birgit Hartmeyer)

Unser Programm war voll, obwohl wir uns zwischendurch immer Zeit nahmen, in netten Cafés zu entspannen (z.B. im berühmten Café Brasileira, dem Lieblingscafé des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa, in der Rua Garrett im Stadtviertel Chiado gelegen; oder im Café Nicola am Rossio-Platz, oder im Café de Belém, in dem die Pasteis de Nata erfunden wurden, die nur hier Pasteis de Belém heißen). Sämtliche touristischen Sehenswürdigkeiten klapperten wir ab. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir der Rossio-Platz mit seinem Wellenmuster auf dem Pflaster, der prächtige manuelinische Kreuzgang des Hieronymus-Klosters (Mosteiro dos Jerónimos) im westlich gelegenen Stadtviertel Belém und das Innere der Kirche São Roque, die über und über mit Gold ausgestattet ist (welches die Portugiesen seinerzeit aus der ehemaligen Kolonie Brasilien herüberschifften).

 

Das Jerónimos-Kloster in Belém, erbaut im manuelinischen Stil (Foto: Ursula Greiwe)
Das Jerónimos-Kloster in Belém, erbaut im manuelinischen Stil (Foto: Ursula Greiwe)

Mit schweren Rucksäcken brauchten wir uns nicht herumplagen. Unsere (noch schwereren) Koffer wurden mit dem Taxi vom Flughafen bis zum Hotel und wieder zurück befördert. Taxi-Fahren ist übrigens nicht besonders teuer in Lissabon. Es ist auch nicht schwierig, eines zu bekommen. Sie fahren überall und man stellt sich einfach an die Straße und winkt ein freies herbei. Ansonsten kann man sich sehr praktisch mit der U-Bahn fortbewegen oder alternativ mit dem Bus oder der Straßenbahn (und natürlich zu Fuß). Wenn man die Lisboa Card kauft, kann man alle der genannten Beförderungsmittel benutzen sowie die Vorortzüge nach Cascais und Sintra. Zudem bekommt man in vielen Museen freien Eintritt oder Rabatt (das Hieronymus-Kloster kostet normalerweise 10 Euro Eintritt, mit der Lisboa Card kommt man umsonst hinein).

Markantes Pflastersteinmuster auf dem Rossio-Platz, der offiziell "Praça D. Pedro IV" heißt, mitten im Stadtteil Baixa (Foto: Birgit Hartmeyer)
Markantes Pflastersteinmuster auf dem Rossio-Platz, der offiziell „Praça D. Pedro IV“ heißt, mitten im Stadtteil Baixa (Foto: Birgit Hartmeyer)

Ein weiteres Beförderungsmittel sind die Tuk-Tuks, die es 1984 natürlich noch nicht gab. Es handelt sich hierbei um dreirädrige motorisierte Gefährte, deren Fahrer die Touristen zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten bringen. An unserem letzten Tag in Lissabon, dem einzigen Tag, an dem es regnete, haben wir auch solch ein Gefährt in Anspruch genommen (eine Stunde kostet ca. 45 Euro). Sie sind zwar praktisch, aber für meinen Geschmack gibt es zu viele davon. Auf einem Schild der Stadtverwaltung las ich, dass die Fahrer der Tuk-Tuks gebeten wurden, die engen Gassen der Alfama möglichst zu meiden, aber als wir durch die Alfama spazierten, ratterte ein Tuk-Tuk nach dem anderen vorbei – mit dem entsprechenden Lärm natürlich.

 

 

Straßenbahn Nr. 28 und Straßenmusikanten vor dem Café "A Brasileira" (Foto: Birgit Hartmeyer)
Straßenbahn Nr. 28 und Straßenmusikanten vor dem Café „A Brasileira“ (Foto: Birgit Hartmeyer)

Die allseits angepriesene Fahrt mit der berühmten Straßenbahn Nr. 28, die durch die Viertel Graça, Alfama, , Baixa, Chiado, Bairro Alto bis hin zum Friedhof Prazeres fährt, ist übrigens nur bedingt empfehlenswert. Geschlagene eineinhalb Stunden mussten wir in der langen Schlange warten, bis wir endlich in eine Bahn einsteigen konnten (sie kamen nur im 20-bis-30-Minuten-Takt statt wie offenbar normalerweise im 10-Minuten-Takt). Da Sitzplätze rar sind, muss man meistens stehen und wird ordentlich beim Fahren durchgeschüttelt, wenn die Straßenbahn durch die engen gepflasterten Gassen rattert. Sehen kann man kaum etwas, wenn man keinen Sitzplatz ergattert hat. Da ist es lohnenswerter, selbst durch die Straßen und Gassen zu wandern und die Bahn von außen zu fotografieren (fotogen ist sie allemal).

Der "Praça do Comércio" (dt.: Handelsplatz) mit Triumphbogen und Reiterdenkmal von König José I., der zum Tejo hinüber schaut (Foto: Birgit Hartmeyer)
Der „Praça do Comércio“ (dt.: Handelsplatz) mit Triumphbogen und Reiterdenkmal von König José I., der zum Tejo hinüber schaut (Foto: Birgit Hartmeyer)

Insgesamt hat mir Lissabon im Jahre 2016 sehr gut gefallen! Die Stadt hat viele Sehenswürdigkeiten, die zu besichtigen sich lohnt. Von diversen Aussichtspunkten hat man eine wunderbare Aussicht auf das Häusermeer und den Tejo, der hier so breit ist, dass er „Mar da Palha“ (Strohmeer) genannt wird. Schön sind auch die unzähligen Cafés und Restaurants, in denen man sich gut entspannen und/oder speisen kann. Die „Stadt des Lichts“ macht ihrem Namen alle Ehre: Bis auf den einen bereits erwähnten Regentag, an dem der Himmel grau und die Farben eher pastellig waren, erstrahlten die Häuser unter einem knallblauen Himmel in leuchtendem Weiß und Rosa.

Was mir weniger gefallen hat, waren die vielen Touristen. Zeitweilig fühlte ich mich eher in Spanien als in Portugal. Aber welche europäische (oder außereuropäische) sehenswerte Hauptstadt eines Landes bleibt heutzutage vom Tourismus verschont? Bei meinem nächsten Besuch in Lissabon werde ich versuchen, mich mehr den weniger touristischen Ecken zu widmen. Die touristischen Highlights habe ich nun gesehen – es gibt aber bestimmt noch jede Menge Interessantes zu entdecken.

Der urige Laden "A Vida Portuguesa" im Stadtviertel Chiado (Foto: Birgit Hartmeyer)
Der urige Laden „A Vida Portuguesa“ im Stadtviertel Chiado (Foto: Birgit Hartmeyer)

Wenn mir Lissabon nun aber 2016 gefallen hat, wieso dann nicht im Jahre 1984? Was war anders? Lag es daran, dass die Stadt damals etwas heruntergekommen war, nach über 40 Jahren Abschottung vom Rest Europas durch das Salazar-Regime und zwei Jahre vor dem EU-Beitritt? Nein, das glaube ich nicht. Auch heute gibt es noch Häuser, vor allem in Vierteln wie der Alfama, die dringend einer Renovierung bedürfen. Irgendwie haben sie ja auch einen malerischen Charme, wenn auch mehr für den Betrachter als für die Bewohner, die in dunklen und feuchten Zimmern hausen müssen.

Es war auch nicht unbedingt, wie ich lange glaubte, der abseits gelegene Campingplatz, von dem man als autoloser Tourist das Zentrum der Stadt nur mit dem Bus erreichen konnte. Es war wohl eher so, dass ich, verwöhnt vom quirligen (Touristen-)Leben an der Algarve, wo immer etwas los war, Lissabon als zu gemächlich und „zu portugiesisch“ empfand, was ja irgendwie ziemlich paradox ist, denn schließlich handelte es sich um die portugiesische Hauptstadt.

In meinem alten Reiseführer von 1982 wird die Stadt folgendermaßen beschrieben: „ Das heutige Stadtbild strahlt – nicht nur aufgrund der politischen Ernüchterung innerhalb der letzten Jahre – eine gewisse Ruhe und Lässigkeit aus. Der Verkehr fließt (verglichen mit der Hektik spanischer oder italienischer Großstädte) gemächlich dahin; selbst zu den Zeiten der rush-hour kommt selten Unruhe oder gar Überstürzung auf. Wenn man sich der Stadt mit dem Flugzeug oder vom Süden her über die Brücke nähert, macht Lissabon eher einen verschlafenen und bescheidenen Eindruck …“ (K. zur Nieden u. R. Werner: Portugal, Preiswert Reisen, Bd. 7, Hayit Verlag, 1982, S. 91).

Als 24-jährige Studentin hatte ich damals allerdings noch andere Prioritäten als heute. Wie die meisten jungen Leute wollte ich da sein, wo alle sind, wo was los ist – sehen und gesehen werden, vielleicht auch neue Kontakte knüpfen etc. Das Ausgehviertel Bairro Alto im Jahre 2016 hätte mir damals bestimmt gut gefallen (jetzt war es mir zu voll und zu rummelig dort!).

 

"Pasteis de Belém", eine "Bica" (so heißt der Espresso in Lissabon) und ein "Galão" (Kaffee mit viel Milchschaum im Glas serviert) (Foto: Birgit Hartmeyer)
„Pasteis de Belém“, eine „Bica“ (so heißt der Espresso in Lissabon) und ein „Galão“ (Kaffee mit viel Milchschaum im Glas serviert) (Foto: Birgit Hartmeyer)
Im Stehausschank "A Ginjinha" auf dem "Praça da Figueira" gibt es seit den 1840er Jahren Kirschlikör - "com" (mit) oder "sem" (ohne) Kirsche (Foto: Birgit Hartmeyer)
Im Stehausschank „A Ginjinha“ auf dem „Praça da Figueira“ gibt es seit den 1840er Jahren Kirschlikör – „com“ (mit) oder „sem“ (ohne) Kirsche (Foto: Birgit Hartmeyer)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Viele Häuser Lissabons sind mit Kacheln, den "Azulejos", verkleidet (Foto: Birgit Hartmeyer)
Viele Häuser Lissabons sind mit Kacheln, den „Azulejos“, verkleidet (Foto: Birgit Hartmeyer)

Heute würde ich das Lissabon von 1984 vorziehen, zumal ich mittlerweile auch die Sprache einigermaßen gut beherrsche. Inzwischen sprechen die Lissabonner allerdings (fast) alle Englisch. Ärgerlicherweise wird einem auch auf Englisch geantwortet, wenn man die Leute auf Portugiesisch anspricht. Hotelpersonal, Kellner, Taxifahrer – alle sprechen Englisch. Was 1984 eine Ausnahme war, ist heute normal.

Und: Aus dem ehemals „verschlafenen“, ruhigen Lissabon ist eine lebendige, auch laute Metropole geworden.

Irgendwie ist es im Leben doch immer falsch herum: Heute würde ich gerne das Lissabon von 1984 erleben, und damals hätte mir das Lissabon von 2016 besser gefallen. Da sich die Zeit jedoch nicht zurückdrehen lässt, muss man halt das Beste aus dem machen, was man vorfindet. Für mich heißt das: Irgendwann zurück nach Lissabon und die nicht touristischen Ecken entdecken, das „echte“ portugiesische Leben, das es bestimmt noch gibt. Ein bisschen davon habe ich auch 2016 schon erschnuppert, zum Beispiel in dem urigen Plattenladen „Cárbono“ in einer Seitenstraße der Avenida da Liberdade, in den sich wohl kaum ein Tourist verirrt, oder in dem oben erwähnten Weinlokal „Enoteca“, in dem meine Freundin und ich die einzigen Touristen waren (und bis ca. 21 Uhr auch die einzigen Gäste … die Portugiesen trudelten erst später so nach und nach ein).

 

Eine Seitenstraße der Avenida da Liberdade, deren Häuser mit den typischen gusseisernen Balkonen verziert sind (Foto: Birgit Hartmeyer)
Eine Seitenstraße der Avenida da Liberdade, deren Häuser mit den typischen gusseisernen Balkonen verziert sind (Foto: Birgit Hartmeyer)
"Cárbono" - ein uriger Platten- und CD-Laden in der Rua do Telhal 6 (Foto: Birgit Hartmeyer)
„Cárbono“ – ein uriger Platten- und CD-Laden in der Rua do Telhal 6 (Foto: Birgit Hartmeyer)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Adéus Lisboa! – Ich werde wiederkommen!