Schwärme ich von Enkhuizen, dann begegnen mir ungläubige Augenpaare! Wie kann man so vernarrt in eine Stadt sein?! Das frage ich mich auch immer wieder, wie konnte Enkhuizen ein Sehnsuchtsort für uns werden und uns völlig in seinen Bann ziehen?
Und überhaupt – wo liegt die Stadt? Enkhuizen liegt auf der westlichen Seite des Ijsselmeeres und nördlich der Stadt Hoorn. Fährt man den Houtribdijk (N302), der das Ijsselmeer überquert, von Lelystadt (auf der Ostseite) in westlicher Richtung, dann landet man direkt in Enkhuizen.
Ich teile schon seit Jahren Städte in Sommer- und Winterstädte ein. Münster und Berlin sind z.B. für mich Sommerstädte, München ist im Winter noch einen Deut schöner! Doch das ist Geschmackssache. Enkhuizen hat sicher zu jeder Jahreszeit seinen Reiz, wir haben fast alle erlebt, doch im Winter, wenn der Wind durch die schmalen Gassen pfeift und der Nebel auf den Grachten und in den Häfen wabert, wenn vor den vielen historischen Häusern die Laternen ihr gelbes Licht verbreiten und Kerzen auf den Fensterbänken ihr wohliges warmes Licht ausstrahlen, dann fühle ich mich in vergangene Zeiten versetzt. Enkhuizen präsentiert sich in einem magisch anmutenden Glanz, die Straßenbeleuchtung spiegelt sich in den stillen Grachten, es ist kaum ein Mensch unterwegs und alles wirkt eben romantisch verklärt.
Die anderen Jahreszeiten jedoch verleihen Enkhuizen eine unwiderstehliche Lieblich- und Leichtigkeit, die Bäume beugen sich mit ihren Schatten spendenden grünen Blättern über den Grachten, es herrscht eine fröhliche, locker leichte Atmosphäre, man sitzt vor den Häusern und tauscht sich die neuesten Nachrichten über Familie und Nachbarn aus. Die Yachten in den noch fünf vorhandenen Häfen (Buitenhaven, Oude Haven, Buyshaven, Oosterhaven und Compagnieshaven) werden zu Wasser gelassen, inspiziert und manches Deck wird gründlich geschrubbt.
Viele der prachtvollen Bauten aus dem „Goldenen Zeitalter“ sind noch erhalten geblieben und die Stadt zeigt ihre faszinierende Atmosphäre des alten Reichtums des frühen 17. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt wohnten in Enkhuizen ca. 22.000 Menschen. Erst als viele Kaufleute Amsterdam für sich entdeckten, nahmen die Einwohner merklich ab und Enkhuizen besaß um ca. 1850 nur noch 5000 Bewohner. Auch die Fischereiflotte, die im vorigen Jahrhundert noch florierte, ist bis auf ein paar Schiffe zurückgegangen. Heute lebt Enkhuizen von Saatzucht- und handel sowie dem Tourismus.
Ich stelle die für mich schönsten und interessantesten Gebäude, Straßenzüge und Ecken in Enkhuizen vor:
Der Zuiderhavendijk. Diese Gracht ist die romantischste Ecke in dieser Stadt und das ganz besonders in der Winterszeit. Sie war der erste Hafen von Enkhuizen und für die kleinen Schiffe gedacht, die draußen außerhalb des Deiches unter den Stürmen gelitten hätten. Was uns bei unserem ersten Aufenthalt sofort ins Auge fiel, waren die kleinen schmalen Bänke vor den Häusern. Hier reparierten die Fischer damals ihre Netze und heute dienen sie tatsächlich zum Plausch mit den Nachbarn.
„De Zuiderpoort“. Von den Bewohnern nur liebevoll Drommedaris genannt. Das alte Stadttor war Teil der mittelalterlichen Stadtmauer und diente der Verteidigung. Jede Viertelstunde ertönen die unverwechselbaren Klänge des Glockenspiels. Heute dient es als Kulturzentrum.
Geht man durch Drommedaris hindurch, über die Zugbrücke und dann links auf den Dijk, liegt auf der rechten Seite, dem Oude Haven gegenüber das Snouck van Loosen-Haus. Das prächtige Gebäude ist das frühere Domizil dieser reichen Patrizierfamilie, die ihr Geld mit dem Überseehandel der Ostindien-Kompanie verdient hat. Margaretha Maria Snouck van Loosen, die letzte Nachfahrin der Familie, setzte in ihrem Testament fest, dass die Zinsen aus dem verbliebenen Vermögen für sozial schwächere Familien als Unterstützung dienen sollten. Ebenfalls verfügte sie, dass Sozialwohnungen gebaut und auch dauerhaft instand gehalten werden sollten. Das Resultat sieht man im Snouck van Loosen-Park, der am Ende vom Buitenhaven liegt. Diese Wohngegend gehörte in den Niederlanden zur ersten mit privaten Geldern subventionierte soziale Anlage.
Am Ende der Gracht Zuiderhavendijk liegt das Flaschenschiffmuseum mit der größten Sammlung der Welt an „Buddelschiffen“! In diesem winzigen Haus befindet sich auch das immer noch intakte Schleusentor, mit dem der Zuiderhaven zu verschließen war. Ebenfalls wurde von hier auch das komplette Grachtensystem der Stadt gereinigt. In frühen Zeiten wurden die Abwässer eben auch in die Grachten geleitet, wodurch in der Stadt des Öfteren ein fürchterlicher Geruch durch die Straßen zog. Wenn die Schleuse bei hohem Wasserstand geöffnet wurde, konnten die Grachten dadurch gesäubert werden.
Zuider- oder St. Pancraskerk. Wenn man über den Damm des Ijsselmeeres fährt sieht man ungefähr auf halber Strecke schon den markanten 75 Meter hohen Turm der Zuiderkerk. Die spätgotische Kirche diente den Seefahrern als Landmarke und besitzt genau wie das Zuiderpoort ein ihr eigenes Glockenspiel. Als wir die Stadt vor zwei Jahren das erste Mal besuchten, wurden aus uns unbekannten Gründen statt des üblichen Glockenspiels kurze Musikstücke aus der Rock/Pop-Musikszene gespielt. Heute wissen wir, dass es tatsächlich das gültige Glockenspiel ist!
An der östlichen Seite Enkhuizens, dem Compagnieshaven gegenüber, liegt das Zuiderzeemuseum. In diesem Museum findet man Informationen von der Geschichte bis zur Zukunft des Ijsselmeeres, aber auch wechselnde Ausstellungen moderner Kunst. Hochinteressant ist das gegenüberliegende Freilichtmuseum des Zuiderzeemuseums. In dem Museumsdorf, das aus 140 historischen Gebäuden besteht, kann der Besucher die Zeit um 1900 hautnah miterleben. Viele der Museumsangestellten laufen in historischen Kostümen herum, Kinder können diese Kostüme zum Teil auch anprobieren und sich an den alten Spielen versuchen.
Wer sein Augenmerk nicht nur auf die beschriebenen Sehenswürdigkeiten richten möchte, dem empfehle ich die Fußgängerzone Westerstraat, mit seinen vielen attraktiven Geschäften in den historischen Gebäuden. Und während des gemütlichen Bummels sollte man ruhig auch mal nach oben schauen und die vielen unterschiedlichen und großartig gestalteten Giebel der Häuser bewundern.
Enkhuizen ist ein wunderschönes und harmonisches Beispiel für die niederländische Renaissance. Nicht so gewaltig wie Amsterdam, gerade so, dass ich mich in diese bezaubernde Stadt verlieben konnte. Das wir uns in Enkhuizen sehr wohl fühlen und immer wieder gerne ein Wochenende hier verbringen, liegt auch an der außerordentlichen Freundlichkeit der Einwohner. In einem sehr geschmackvollen Laden für wohnliche Accessoires und Interieur, in dem wir immer mal sehr gerne stöbern und das ein oder andere Schmucke erworben haben, werden wir stets sehr herzlich begrüßt.
In unserer Lieblingskneipe „Het Wapen van Urk“ würde es mich nicht wundern, wenn wir das nächste Mal gefragt werden: „Wie immer?“ Apropo, hier trifft sich übrigens ganz Enkhuizen: Jung und Alt, Touristen, Bewohner, Seeleute, Künstler, gut Situierte, die sich dazwischen setzen, alte Rastafari treffen junge Hipster, warum auch nicht. Hier herrscht ein unkompliziertes harmonisches Miteinander, eine absolute Wohlfühlatmosphäre! Nun ja, wie es eigentlich sein sollte und überhaupt: warum erwähne ich das?
Die Beschreibungen der o.g. Sehenswürdigkeiten findet man auch in der Broschüre „Stadtrundgang in Enkhuizen“, die beim Fremdenverkehrsbüro, gegenüber dem Bahnhof, käuflich zu erwerben ist. Weitere Informationen über Enkhuizen siehe unter www.enkhuizenboeit.nl
Alle Bilder der Galerie (Fotos: Arnold Illhardt):