Durch Südfrankreich bis nach Cadaqués
Rotwein trifft Kubismus und den Geist Dalís

Kurz vor Uzes ( (Foto A. Illhardt)
Kurz vor Uzes ( (Foto A. Illhardt)

Von Straßburg aus in die Provence nach Uzes, weiter in die Pyrenäen nach Céret und danach zu unserem Endziel: die katalonische Stadt Cadaqués, die Stadt Dalís!

29.06. – 17.07.17

Elegant gleiten die Möwen über das Meer. Sie zeigen wenig Scheu vor den Menschen, überhaupt scheinen sie sich in der weißen Stadt am Meer sehr wohl zu fühlen. In Cadaqués ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass Möwen in den verschiedenen Ländern auch vielleicht eine eigene Sprache haben könnten. Das Gekreische und Gegackere unterschied sich sehr von dem bisher Gehörten. Besonders des Nachts entwickelte sich regelmäßig eine spannende Unterhaltung, die bisweilen dem Gezänk von Affen ähnelte, oder vielleicht dem eines wütenden Hundegebells? Ich bildete mir in unseren schlaflosen heißen Nächten ein, dass sie sich über uns Menschen lächerlich machen, die das Leben so schwer nehmen und denen es an der Freiheit ihrer Persönlichkeit fehlt.

Abend in Straßburg (Foto M. Illhardt)
Abend in Straßburg (Foto M. Illhardt)

Ich mag eigentlich kein Tourist sein, dieses Wort hat für mich nach den vielen unschönen Begegnungen und Gesehenem eine negative Besetzung. Manchmal lenken mich Touristen vom Bewundern der schönen Dinge ab und ihr oft gehaltloses Gerede stört das Gefühl, welches ich für den Ort gerade empfinde. Ich beobachte sie und stelle fest, dass ihre Sinne gar nicht auf das wesentliche gerichtet sind. Es ärgert mich und ich möchte sie wie ein Lehrer maßregeln.

Wir fahren auch nicht in den Urlaub, wir sind Reisende und genießen das Unterwegssein von Ort zu Ort mit kindlicher Begeisterung. Die Vorstellung im Süden Frankreichs unter einer großen Platane zu sitzen, dabei ein Glas Rotwein in der Hand zu halten und alten Herren beim Boule-Spiel zuzusehen, ist für meinen Mann Arnold zu einer Art Beruhigungsmittel in der stressigen Zeit der letzten Wochen geworden. Dieses Bild vor Augen ist für ihn der Inbegriff für Freiheit, Ungebundenheit und Entspannung. Doch bis in den Süden liegen noch einige Kilometer vor uns und dabei besuchen wir traumschöne Orte und die erste Stadt wird die Weltkulturerbe-Stadt Straßburg sein!

Wir blieben nur zwei Tage in Straßburg und daher konzentrierten wir uns auf das „alte“ Straßburg, ganz besonders auf das romantische Viertel „Le Petit France“ mit seinen malerischen Fachwerkhäusern, dem Straßburger Münster mit seinem Münsterplatz und dem herrlichen Ufer der Ill.

Das Straßburger Münster (Foto M. Illhardt)
Das Straßburger Münster (Foto M. Illhardt)

Das Straßburger Münster ist weltbekannt und das Wahrzeichen des Elsass. Die eintürmige Kathedrale (der zweite Turm wurde nie gebaut) beeindruckt durch sein motivreiches Portal mit der wundervollen Fensterrose, die umso prachtvoller leuchtet, wenn die Sonne durch sie hindurch scheint. Aber das, was das Münster wirklich an Kostbarkeiten birgt, erkennt man nicht auf den ersten Blick! Nicht das Portal aufstoßen und dann offenbart sich die Großartigkeit des Sakralbaus, nein so funktioniert es nicht im Straßburger Münster. Der erste Anschein eines düsteren Gebäudes täuscht! Die Kathedrale muss man entdecken, Schritt für Schritt! Als erstes fällt die Chorapsis mit dem goldenen neubyzantinischem Fresko und dem weithin leuchtenden Kreuz auf. Selten sieht man so eine gewaltige Apsis mit einem relativ kleinen Fenster, daher kommt wohl der erste Eindruck von Düsternis. Bewundernswert ist die herrliche mit farbigen Elementen verzierte Hauptorgel, die einem Schwalbennest gleich am Mittelschiff zu kleben scheint. Auf der nordöstlichen Seite des Mittelschiffes stoße ich auf die Kanzel von Hans Hammer mit ihrer außerordentlich filigranen Steinmetzarbeit. Im südlichen Querschiff haben sich mehrere Reisegruppen vor der weltberühmten astronomischen Uhr versammelt, sie ist die einzige Uhr der Welt, die 13 Uhr schlägt! Leider erschließt sich mir der Mechanismus auch nach minutenlangem Starren nicht und so wende ich mich ab, um dann vor dem prächtigen Engelspfeiler aus dem frühen 13. Jahrhundert zu stehen. Heute ist ein sonniger Tag, bunte Lichtstrahlen fallen durch die Fenster, und die Lichtreflexe verzaubern die Evangelisten auf der unteren Ebene des steinernen Pfeilers, ich fühle mich wie am Ende eines Regenbogens. Ich umrunde ihn langsam, gehe an der Katharinenkapelle vorbei und erblicke ein Fenster, das mich in den Bann zieht. Nicht zu vergleichen mit den üblichen Kirchenfenstern offenbart sich das Thema erst nach mehrmaligem Hinschauen und dann erscheinen nach und nach die Details! Es ist das Gesicht Christus, das aus vielen kleiner Gesichter besteht! Später lese ich, dass das Straßburger Münster in 2015 neue Fenster erhalten hat. Im Rahmen einer Ausschreibung erhielt die französische Fotokünstlerin Veronique Ellena den Auftrag, die Fenster der Katharinenkapelle zu gestalten, nicht ohne Protest einiger Skeptiker. Hundert Straßburger Frauen, Männer und Kinder sind in diesem Fenster für die Ewigkeit zu sehen. Siehe auch: http://www.badische-zeitung.de/kunst-1/kuenstlerin-gestaltet-fenster-im-strassburger-muenster-neu–99715180.html

Ein weißer Elefant (Foto M. Illhardt)
Ein weißer Elefant (Foto M. Illhardt)

Das historische Münsterviertel rund um der Liebfrauenkirche, wie auch das Münster genannt wird, ist ein Touristenmagnet und bietet sich hervorragend zum Shoppen und Flanieren an. Exquisite kleine Boutiquen und feine kleine Galerien mit Kunst und Kunsthandwerk wechseln sich mit netten Straßencafés und Restaurants ab. Auf dem Gutenberg-Platz steht ein entzückendes Karussell, das mich an ein Gedicht von Rainer Maria Rilke erinnert: ….Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge und hält sich mit der kleinen heißen Hand dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge. Und dann und wann ein weißer Elefant…

 

Es ist gerade erst der Beginn unserer Reise und uns ist nach Ruhe, wir wollen Hand in Hand diese Stadt genießen und flüchteten in eine uns sicherlich wohltuendere und ruhigere Gegend: zum Le Petit France.

Blick auf Straßburg (Foto A. Illhardt)
Blick auf Straßburg (Foto A. Illhardt)

Le Petit France ist so, wie wir uns die Gegend vorgestellt haben, malerisch und fröhlich. Durch das Gebiet mit den vielen Fachwerkhäusern, das damals das Quartier der Gerber, Müller und Fischer war, schlängelt sich die Ill mit ihren vielen kleinen Kanälen, die von liebevoll geschmückten Brücken überquert werden. Eine gehört zu den Sehenswürdigkeiten im Quartier, die Drehbrücke in der Rue des Moulins aus dem 19. Jahrhundert. Früher musste man kurbeln, um den Mechanismus in Bewegung zu setzen, heute reicht ein Knopfdruck. Mit einer Bootsfahrt durch die Läufe der Ill kann man die verträumte Kulisse aus einer anderen Perspektive bewundern. Auffallend sind die spitzen Dächer der Fachwerkhäuser mit ihren vielen kleinen Gauben. Heute sind in den Giebeln gewiss Appartements eingerichtet, früher hingen hier die gegerbten Häute in den offenen Dächern zum Trocknen.

Am Ufer der Ill führt ein Fußweg um die Altstadt, viele junge Leute aus den nahen Schulen haben sich an diesem Tag zum Picknick getroffen. Auch wir saßen direkt am Wasser und genossen den Moment der Leichtigkeit. Etwa hundert Meter neben uns hatte es sich ein Kormoran unter einer Brücke ebenfalls bequem gemacht. Einfach wundervoll, Zeit zu haben und die Sonne an diesem hübschen Ort zu genießen. Ich habe den Moment frei nach dem Film „Die Liebenden von Pont Neuf“ getauft, einfach weil der Titel zu diesem Augenblick so gut passte.

In Straßburg gibt es noch so viele Sehenswürdigkeiten, Museen und Plätze zu besichtigen. Was ich hier beschrieben habe, sind nur Momentaufnahmen. Wir haben vorzüglichen Wein gegenüber des wunderschönen Maison des Tanneurs getrunken, an der Ill Baguette gegessen und uns am Quai de la Bruche im „Au Petit Bois Vert“ von Straßburg mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiedet.Der nächste Morgen war etwas angespannt, es trafen sich die Großen der Welt um von dem kürzlich verstorbenen Ex-Kanzler Kohl Abschied zu nehmen und wir mitten drin. Wir sahen zwar von weitem viele Eskorten, doch der Weg aus Straßburg war frei und wir freuten uns auf Tournus.

Tournus (Foto M. Illhardt)
Tournus (Foto M. Illhardt)

Tournus war nur ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Uzes. Dennoch will ich‘s hier kurz erwähnen. Die Stadt mit ihrer mittelalterlichen Atmosphäre liegt direkt an der Saone. Im Zentrum waren viele Läden dauerhaft geschlossen und die Stadt wirkte ungepflegt und trübselig. Lediglich rund um Saint Philibert gibt es neben den geschmackvoll renovierten Wohnhäusern auch nette Restaurants, Cafés, Galerien und ein gut ausgestattetes Geschäft für Innendekoration. Saint Philibert, mit dem Bau wurde bereits im Jahr 1000 begonnen, gehört zu den bedeutendsten frühromanischen Kirchen Frankreichs. Die Fassade ist schmucklos, die Kirche macht eher den Anschein einer Burg, sie wirkt wehrhaft und trutzig, frei nach dem Motto: „Eine Burg ist unser Gott…. Die unter dem Chor liegende Krypta stammt bereits aus dem Jahr 875. Ihr unübersichtliches enges Gewölbe wirkt beängstigend und unheimlich, immerhin kann man hier ausgefallene Fotos machen!

Ein anderer Tag,  eine andere Stadt! Wir fuhren ins Departement Gard nach Uzès. In diesem Ort warten die langersehnten Platanen, die Straßencafés und die Sonne auf uns.

Doch vor dem Genuss kam der Frust. Wir irrten durch die Pampa auf der Suche nach dem von uns angepeilten Campingplatz. Es zeigten sich mal wieder die Tücken eines Navigationsgerätes! Wir hatten lediglich die Koordinaten und den Namen des Platzes im Internet gefunden, doch fatalerweise heißt der Campingplatz wie eine Straße rund um Uzès und genau den Namen gaben wir in der Suchfunktion ein. Diesen Weg sind wir auch wirklich komplett gefahren, der Begriff Straße war stellenweise nicht angebracht. Schlussendlich fanden wir den Platz weit außerhalb von Uzès, zu unserem Unmut war von hier die Stadt nicht zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar. Ein ruhiger Ort unter Pinien, mit einem Pool und einer unglaublichen Geräuschkulisse. Es war das Zirpen unzähliger Zikaden, die uns hier empfingen. Irgendwie hatte ich diese Lebewesen völlig ausgeblendet. Aber es roch würzig warm nach Pinien, Kiefern, Lavendel und Rosmarin. Am Ende unserer Zeit in Uzès habe ich einen Beutel voll mit Nadeln, Pinienzapfen, Rosmarin und Lavendelzweigen gesammelt, eine duftende Erinnerung, die mich jedes Mal an diese Zeit erinnert, wenn ich an dem Duftschälchen vorbeigehe.

Cafe unter Platanen (Foto M. Illhardt)
Cafe unter Platanen (Foto M. Illhardt)

Die Stadt ist größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Aus den vielen Erzählungen meines Mannes, der vor Jahren schon mal hier war, entwickelte sich die Vorstellung, dass es eine kleine gemütliche Stadt mit einem zentralen Platz in der Mitte ist, an dem sich des Abends die Herren der Stadt zum Pastis und Boule treffen. Elegant weiß sitzt der Ort dort auf einem Plateau und schaut auf eine illustre Geschichte zurück. 1632 wurde der Duc d’Uzès zum ersten Herzog von Frankreich ernannt. Noch heute ist das herzogliche Schloss im Privatbesitz der Familie, die in den 60er Jahren die Stadt vorbildlich restaurieren ließ. Durch die Stadt führt eine breite Allee mit Platanen, in der sich ein Café an das andere reiht. Die Bäume bilden ein dichtes Dach über der Straße und spenden wohltuenden Schatten, durch das Wechselspiel von Sonne und Schatten entstand dieses besondere warme Licht, welches uns ewig in Erinnerung bleiben wird. In den gepflegten Häusern befindet sich heute eine geschmackvolle Vielfalt aus orientalischen Läden, ausgezeichneten Galerien, Boutiquen und gut duftenden Geschäften mit Spezialitäten der Region. Die Gassen sind blitzesauber, die Farbe der Bodenfliesen findet sich im Anstrich der Häuser und die glänzenden Steine wirken wie poliert.

Place aux Herbes (Foto A. Illhardt)
Place aux Herbes (Foto A. Illhardt)

Winzig kleine urgemütliche Plätze überschattet von Feigenbäumen und anderen mediterranen Gewächsen öffnen sich plötzlich nach einer Biegung und überraschen die Besucher. Und irgendwann, wenn man die Orientierung nicht vor lauter Betrachten und Bewundern verloren hat, erreicht man den Place aux Herbes mit seinen schönen Arkaden und noch schöneren Läden. Schönheit wohin man schaut! Von der Kathedrale St. Théodorit mit seinem unvergleichlichen imposanten Glockenturm (der einzige runde Glockenturm in Frankreich) schaut man auf das umliegende Land, atmet den würzigen Duft ein und denkt über die Anmut dieser Stadt nach, z.B. wie die Anmut einer Stadt ihre Einwohner beeinflusst. Ich sah hier nur strahlende freundliche Menschen, Bewohner wohlgemerkt, die sich tatsächlich zum Pastis trafen.

Zwei Tage Uzès-Genuss, dann ging es weiter Richtung spanische Grenze. Der Weg führte durch die schon morgens vor Hitze flimmernde provenzalische Landschaft mit alten knorrigen Olivenbäumen und leuchtenden Sonnenblumenfeldern. Es war eine zähe staubige Fahrt, doch der Anblick der weit im Dunst liegenden Berge zog uns magisch an. Je näher wir kamen umso grüner wurden sie. Die Pyrenäen bilden die natürliche Grenze zwischen Frankreich und Spanien und ziehen sich im Westen vom Atlantischen Ozean bis in den Osten zum Mittelmeer.

Ceret (Foto A. Illhardt)
Ceret (Foto A. Illhardt)

Noch auf der französischen Seite liegt die kleine charmante Stadt Céret. In Céret befindet sich die berühmte Teufelsbrücke, die sich mit nur einem Bogen über den Tech spannt. Mit ihrer Spannweite von ca. 45 m war sie im Mittelalter die größte Brücke der Welt. Aber Céret ist nicht nur aus diesem Grund bekannt, die Stadt trägt u.a. den Namen „Mekka des Kubismus“. Im kleinen bunten Zentrum der Stadt, an der an fast jeder Ecke Künstlerisches wie Objekte und Zeichnungen, die sicherlich nicht offiziell in Auftrag gegeben wurden, zu finden waren, liegt das Museum für moderne Kunst. Es zeigt zeitgenössische Arbeiten der Künstler, die sich hier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für längere Zeit aufgehalten haben. Ein Museum, in dem man sich ohne Gedränge Zeit für jedes einzelne Werk nehmen kann, eine wohltuende Erfahrung! Der historische Teil des Zentrums mit den kleinen hübschen Gassen ist fein, aber leider sehr klein. Ein Ausflug nach Céret nimmt keinen Tag in Anspruch, doch sollte man auf jeden Fall, wenn möglich, einen Nachmittag für die Stadt des Kubismus opfern.

Treppen Gorges de la Fous (Foto A. Illhardt)
Treppen Gorges de la Fous (Foto A. Illhardt)

Hinter Arles-sur-Tech, der nächst größere Ort der nach Ceret folgt, liegt die Gorges de la Fou. Eine beeindruckende Schlucht, durch die sich der kleine Fluß Fou über Jahrtausende sein Bett gegraben hat. Dank einer Fußgängerbrücke und Metallnetzen, die im insgesamt 1700 m langen Canyon installiert wurden, kann man die „Höllenschlucht“ gefahrlos selbst mit Kindern durchwandern. Tun Sie dies im Hochsommer, die Schlucht hat selbst dann allerhöchstens eine Temperatur von 15-16 Grad. Es ist wahrlich ein Abenteuer eine der engsten Schluchten der Welt mit ihren Engstellen und niedrigen Decken zu durchqueren. An den steil abfallenden Wänden, die zum Teil rot gefärbt sind, fallen an den steilen Wänden tosende Wasserfälle in die Tiefe, an manchen Stellen ca. 250 m.

Der Zauber von Cadaqués

Cadaqués – strahlend weiße Stadt vor dunkelblauem Meer, eingerahmt von kargen, mit Macchia bewachsenen Küstenbergen, weitab von jeglicher Tourismus-Hochburg und nur durch eine kurvenreiche schmale Passstraße zu erreichen. Dazu gesellen sich das satte Grün der Pinien und das Pink der überall wuchernden Bougainvillea, das Royal Blau der Fensterläden vor den adretten weißen Häusern und das Azurblau des Himmels. Eine Stadt reich an unglaublich leuchtenden Farben. So ist es kein Wunder, dass sie in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts zahlreiche bekannte europäische Künstler angezogen hat und sicherlich gibt es hier immer noch die meisten aktiven Künstler Spaniens.

Über den Dächern von Cadaqués (Foto A. Illhardt)
Über den Dächern von Cadaqués (Foto A. Illhardt)

Am Hafenbecken entlang führt die Promenade, an der abends ein buntes Völkchen entlangflaniert, vorbei an den alten gut erhaltenen Stadtpalästen wie z.B. die „Casa Blaua“, ein besonders schönes Jugendstilgebäude. Von weitem leuchtet Santa Maria mit ihrem außerordentlich üppigen barocken Altar, leider war es uns nicht möglich, die Kirche mit ihren vielen Geheimnissen von innen zu bewundern, doch bei meinen Recherchen fand ich einen wunderbaren Artikel eben über diese Kirche. http://www.freibeuter-reisen.org/die-kirche-cadaques/

Es fällt mir schwer, Cadaqués in der Form eines Reiseberichtes zu beschreiben, die Stadt ist für mich in erster Linie Gefühl. Es ist mir nicht klar, ob ich jetzt erst die letzten Stressgefühle der Arbeitsmaschinerie über Bord werfen konnte und die ganz normale Urlaubsentspannung einsetzt oder ob die „weiße Stadt“ dieses leichte ungezwungene Gefühl bewirkt hat. Auch der eher einfache und etwas ungepflegt wirkende Campingplatz stört uns wenig und meine Sehnsucht darauf endlich ins kristallklare Wasser zu gleiten, wurde in den nächsten Tagen nur wenig gestillt. Dazu quälend heiße Nächte mit endlos plappernden, zänkischen Möwen, doch alles berührt uns nur wenig, der Geist Dalís liegt beherrschend wie eine Wolke über der Stadt. Dalí ist nicht tot, zumindest nicht in dieser Stadt, er ist lebendig im Hier und Jetzt. Am Strand steht er stolz in Bronze gegossen und schaut auf seine geliebte Stadt. Häuser und Straßen tragen seinen Namen, an den Hauswänden sieht er uns mit seinem herausfordernden provozierenden Blick an, man muss durch sein Gesicht zum Restaurant „El Barroco“ eintreten und überhaupt: Was wäre aus dieser Stadt ohne ihn geworden?! Wahrscheinlich eine Hotelhochburg wie die Nachbarstadt Roses, deren verantwortlichen Stadtoberen nur an harte Währung gedacht haben, als sie die Stadt erweiterten!

Abendsonne Cadaqués (Foto A. Illhardt)
Abendsonne Cadaqués (Foto A. Illhardt)

Gerüchteküche – Dalí plante in den 70er Jahren sich zu Ehren den Umbau des alten Theaters in Figueres zu einem Museum! Ein Gerücht besagt, dass die Stadt Cadaqués sich an diesem Projekt beteiligt hat, als der Maestro jedoch hörte, dass „seine“ Stadt sich in den Kopf gesetzt hat, sie bautechnisch ähnlich wie Roses zu verschandeln, zog er sich zurück und gewährte nur eine Beteiligung unter der Bedingung, dass es keine Hochbauten und keine das Stadtbild verschandelnde Geschäfte und Schnellrestaurants geben darf. Und tatsächlich: es gibt weder das eine noch das andere und das Jahrzehnte nach seinem Tod! Doch vielleicht liegt es doch eher daran, dass der Künstler seinen Einfluss bei der Machtzentrale geltend gemacht hat. Sei es wie es ist, die Kirche Santa Maria ist bis heute das höchste Gebäude in Cadaqués geblieben.

Geboren in Figueres, zog es ihn, nach mehreren im Ausland verbrachten Jahren, jedoch zurück in die Geburtsstadt seines Vaters, nach Cadaqués. In Port Lligat, in der Bucht neben Cadaqués gelegen, kaufte er nach und nach mehrere Fischerhütten und verband sie geschickt zu einem riesigen Komplex. Hier lebte er gemeinsam mit seiner Frau Gala und führte bis zum Tod seiner Frau 1982 ein aufsehenerregendes exzentrisches Leben.

Köpfe auf der Casa Dalí (Foto A. Illhardt)
Köpfe auf der Casa Dalí (Foto A. Illhardt)

Von der Bar-Terrasse unseres Campingplatzes schaut man direkt auf das Wohnhaus Dalis. Man sieht die bekannten silbernen Köpfe auf dem Dach des Hauses in der Sonne leuchten, überhaupt wird jeder umherschweifende Blick von dem blendenden Weiß des Gebäudes gefangen. Von innen ist es weniger exzentrisch als man erwarten würde, skurril ist eher das Interieur wie z.B. die ausgestopften Tiere: ein Bär in der Diele und Schwäne in einem anderen Raum, die zu Lebzeiten in der Bucht vor der Casa Dali schwammen. Sein Atelier mit der riesigen Konstruktion für überdimensionale Leinwände, die man mittels Kurbel in das darunter liegende Stockwerk verschieben konnte, sieht noch so aus, als wenn der Maestro es nur kurz verlassen hätte. Es wurde auch nach seinem Tod nicht verändert. Architektonisch ist dieses Labyrinth an Zimmern umwerfend. Außergewöhnlich ist die innenliegende Terrasse mit einem Wasserbecken, die in ihrer Gestaltung maurische Vorbilder hatte. Unter dem nachstehenden Link findet man weiteres über die Casa Dali in Port Lligat:

https://www.salvador-dali.org/en/museums/house-salvador-dali-in-portlligat/

Ich war nie eine Anhängerin Dalis, ich sah in ihm eher eine traurige alberne Gestalt und seine politischen Ambitionen und Anbiederungen an Franco sehr opportun. Was er in Spanien an Kunstwerken angefertigt hat und sein ausschweifender Lebensstil, konnte er letztendlich nur verwirklichen, weil er sich mit Franco gut stand. Doch die Andersartigkeit seines Wirkens, von denen wir einen Teil in den letzten Tagen präsentiert bekommen haben, ist schon außergewöhnlich und regt zum Nachdenken an.

Außenansicht Museum Figueres (Foto A. Illhardt)
Außenansicht Museum Figueres (Foto A. Illhardt)

Sehr empfehlenswert um weitere Exponate von Dalí zu bewundern ist auch ein Abstecher nach Figueres. Siehe auch: https://www.salvador-dali.org/en/museums/dali-theatre-museum-in-figueres/

Gefühl – Warum ist nun Cadaqués Gefühl? Dali war Anarchist und Provokateur, er hielt sich nicht an Vorgaben und Normen, er tat das, was er wollte und gut für ihn war! Je mehr wir uns mit Dali beschäftigten, umso mehr versuchten wir es ihm gleichzutun. Nein, wir wollten ihn nicht kopieren, vielmehr faszinierte uns die Umsetzung des „everything goes“, das Verwirklichen von Visionen entgegen aller einschränkenden Konventionen: Dem engen Korsett des Angepasst Seins zu entkommen, frei sein, von allem was uns bisher eingeengt hat, sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich. Wir führten endlose Gespräche unter dem nächtlichen Sternenhimmel bei katalanischem Rotwein, genossen jeden Augenblick als völlig neu und außergewöhnlich, wagten uns an Aktivitäten, die wir noch nie gewagt hatten und fühlten uns in jedem Moment lebendig!

Der alte Wind der Avantgarde wehte durch die verwunschenen Gassen Cadaqués, das sich den Hauch eines Künstlerdorfs bewahrt hat. Wir schlenderten durch die verwunschenen alten Steingassen mit ihren holprigen Pflastern aus Schiefersteinen, wir saßen in den alten Bars in der Bucht wie Jahrzehnte vor uns die Bohemiens der Gauche Divine und beobachteten die Lichter, die sich auf den Wellen spiegelten….

Mit Tränen in den Augen nahmen wir Abschied von Cadaqués und dem Cap de Creus, denn: Wie nur werden wir dieses Gefühl von Lebendigkeit und Freiheit in den uns erwartenden Alltag hinüberretten?

Kurz vor Uzes ( (Foto A. Illhardt)
Kurz vor Uzes ( (Foto A. Illhardt)

Warum habe ich diesen Bericht über unsere Reise geschrieben, ist eine Frage, die ich leicht beantworten kann. In dem ich das Erlebte und Gesehene nun wiedergebe, möchte ich Momente voller Leichtigkeit und Schönheit wieder zurückholen und aufzeigen. Ich halte mich dabei nicht an den Aufbau anderer Reiseberichte, sondern lasse mich von Stimmung und Gefühl leiten. Es sind kleine Fluchten, in die ich mich begeben kann, wenn uns die Welt voll ratloser dummer Politik, Krieg und Irrsinn niederdrückt. In Cadaqués und mit Dali im Kopf war es so leicht, die Kurzsichtigkeit menschlichen Handelns zu erkennen und zu begreifen, sich die Enge der eigenen Rüstung bewusst zu machen und sich auf den Weg zu machen … Doch wohin, Don Quichotte?