Ein Krieg – egal wo und wie er wütet – ist ein bestialisches Massaker und verdeutlicht die entsetzlichen Abgründe der Spezies Mensch. Mein innerer Krieg erfüllt mich mit Scham, dieser Spezies anzugehören – ob ich will oder nicht. Ein Plädoyer gegen jeglichen Militarismus – im Kleinen und Großen.
Einleitung
Ich kann das Wort „Krieg“ nicht mehr hören. Genauso kann ich nicht mehr hören, dass die meisten Menschen keinen Krieg wollen. Dies impliziert im Umkehrschluss: Es scheint durchaus Personen – also Angehörige der Spezies Mensch – zu geben, die Kriege toll finden bzw. toll finden müssen oder gut daran verdienen und ihn deshalb in Kauf nehmen. Und wer Krieg toll findet, akzeptiert damit das willentliche Abschlachten von Menschen auf fantasievoll-bestialische Art. Glückwunsch, Homo sapiens!
Aufpassen muss man allerdings aktuell, dass das Wort „Krieg“ möglichst nicht direkt erwähnt wird, weshalb man z.B. bei dem Massaker, das der russische Diktator Putin in der Ukraine und in den Köpfen der meisten zivilisierten Menschen anrichtet, nur von einer – man halte sich fest – „Spezialoperation“ sprechen darf. Das ist ungefähr so sinnbefreit, als wenn man bei einer Vergewaltigung eines Kindes von Sondervergnügen spricht. Außerdem muss man darauf achten, dass man nicht zu viel über Putin schimpft, weil man sich ansonsten anhören muss, dass das faschistische Deutschland – manche sehen Deutschland immer noch so – sich mal an die eigene Nase fassen soll und die Nato ja ebenfalls Dreck am Stecken hat und die Vereinigten Staaten sowieso … auch das kann ich nicht mehr hören. Ja, mir ist bewusst, dass aktuell ein paar Dutzend verschiedene Kriege geführt werden (Wann ist ein Krieg ein Krieg?). Und so wurde in meinem Kopf – gepusht durch eine sensible Persönlichkeitsstruktur und stark beeinflusst von einem eher anarchistisch ausgerichteten Politik- und Gesellschaftsverständnis, ein ganz eigener, nämlich innerer Krieg verursacht. Und ich möchte gleich hinzufügen: Ich sitze mit meinem Hintern auf dem warmen Sofa und sollte daher im Grunde meine Klappe halten – ein weiterer Vorwurf, den man vor allem dann zu hören bekommt, wenn man kein Freund von Waffenlieferungen ist. Doch nicht nur von Waffenlieferung; jede Waffe, die sich zum Zweck des Tötens in der Hand eines Menschen befindet, stellt für mich ein entsetzliches Armutszeugnis dar. Doch eins nach dem anderen.
Krieg – eine Verniedlichung
Warum kann ich das Wort „Krieg“ nicht mehr hören? Weil es eine Verharmlosung, Verniedlichung und Verschönung von dem ist, was es eigentlich bedeutet. Ich nehme mal als Beispiel den ersten Satz aus Wikipedia:
„Als Krieg wird ein organisierter und unter Einsatz erheblicher Mittel mit Waffen und Gewalt ausgetragener Konflikt bezeichnet, an dem planmäßig vorgehende Kollektive beteiligt sind.“
Irgendwie klingt diese neutral gehaltene Definition, als würde man ein Fechtduell bei den Olympischen Spielen beschreiben, nur dass dort Gewaltausübung vielleicht etwas unpassend ist. Zudem gibt es auch Ehekrieg, Rosenkrieg oder Kleinkrieg. Wie niedlich! Doch Kriege, wie sie z.B. in der Ukraine, aber zeitgleich auch in anderen Ländern stattfinden, sind eine menschliche Katastrophe, die an sozialer, emotionaler und intellektueller Untauglichkeit, sowie und bestialischer Grausamkeit kaum mehr zu überbieten ist. Nur mal um einen kleinen Einblick zu bieten: Im Krieg werden Gliedmaßen verstümmelt, Köpfe zum Platzen gebracht, Gesichter bis zur Unkenntlichkeit verletzt, Augen durchbohrt, ganze Körper in Fetzen zerrissen, riesige Hautflächen verbrannt oder verätzt und Wirbelsäulen zerschossen. Manchmal hat man – wie man es nimmt – Glück und überlebt, in der Regel geht die Sache schief und man stirbt, was zumeist besser ist – jedenfalls wenn es schnell geht. Was ja zumeist ausgeklammert wird, ist die Tatsache, dass auch Seelen ruiniert und aufs Schlimmste zerstört werden. Wer schon einmal mit Kriegsopfern gesprochen hat – ich hatte mehrfach die Gelegenheit – lernt dadurch, dass die meisten unserer Probleme Luxusproblemchen sind. Es ist eine grauenhafte Vorstellung, seine Eltern, Kinder oder Großeltern, seinen geliebten Ehemann oder seine geliebte Ehefrau entstellt, vergewaltigt oder blutend und schreiend vorzufinden oder verwest aus einem Massengrab ziehen und identifizieren zu müssen. Eine Mutter aus einem ehemaligen Kriegsgebiet, die mir das detailliert beschrieb, hatte das Entsetzen in den Augen – einen Blick, den ich nie vergessen werde. Passte also statt Krieg nicht eher der Begriff Massenmord oder groß angelegte Menschenabschlachtung? Und wo bleibt der Aufschrei darüber, dass die politischen Kriegstreiber genau das beabischtigen?
Soldaten
Soldaten, so die Definition, sind Angehörige einer Armee. Generäle oder Stabsoffiziere sind zwar ebenfalls Soldaten, aber das Gesetz des Krieges will, dass man zunächst die einfachen „Krieger“ ermordet, bevor man sich an die Personen mit den meisten Abzeichen an der Uniform macht. Ich persönlich wäre, wenn schon getötet werden muss, für eine umgekehrte Vorgehensweise! Dagegen bleiben die obersten Befehlshaber, vor allem die Staatsoberhäupter mit dem Hintern zuhause und zeigen sich mit Schlips und Anzug, während das Fußvolk in Blutlachen oder gerade mit in den letzten Zuckungen im Lazarett liegt. Ich habe den Kriegsdienst verweigert, weil ich kein Soldat sein wollte. Es widerspricht zum einen meiner Einstellung, kein Untergebener sein zu wollen vor allem aber meinem moralischen Anspruch, keinen Menschen töten zu wollen. Als Vegetarier gilt dies übrigens genauso für Tiere. Eine jugendliche Patientin von mir, antwortete auf meine Frage, was sie beruflich machen wolle, dass sie eine Karriere bei der Bundeswehr anstrebe. Sie sei ein Abenteuertyp und für den Schreibtisch nicht geeignet: Sie bräuchte Action! Meine Nachfrage, ob sie sich auch das Töten vorstellen könne, ließ sie verstummen. Diese Option kam offenbar in ihrer Vorstellung als Soldatin nicht vor. Kein Wunder; die aktuelle Hompage der Bundesvermehr vermittelt das Bild eines Sportvereins und das Selbstverständnis der Truppe liest sich wie die Charta eines Schützenvereins.
„Werte, Normen und das Grundgesetz geben ihren Soldaten und Soldatinnen, ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, Orientierung für ihr Handeln und bestimmen so das Selbstverständnis der Bundeswehr. Vermittelt werden sie durch die Innere Führung und Traditionen. Dabei geht es nicht nur um Pflichtbewusstsein, Kameradschaft, Disziplin und Loyalität – sondern auch um Toleranz, Gerechtigkeit und Vielfalt.“
Es scheint mehrere Typen des Soldaten bzw. der Soldatin zu geben:
- Menschen, die eher unbedarft, vor allem unüberlegt in das Tötungsgeschäft hineinschliddern und sich der psychischen, wie physischen Folgen in tatsächlichen Einsätzen nicht bewusst sind;
- Menschen, die das „Wir.Dienen.Deutschland“ (das Land ist auswechselbar) als Freuden der Pflicht empfinden und bei ihrer Unterwürfigkeit keine Grenzen kennen. Vermeintlich, denn wenn sie sich im Gemetzel befinden, droht auch ihnen die psychische Zerstörung;
- Menschen, die Spaß am Morden haben, wozu auch Brandschatzen oder Vergewaltigen gehört. Wenn schon sonst im Leben alles schiefgelaufen ist, ist wenigstens jeder Schuss ein Erfolg.
Immer wieder gibt es Berichte von grauenhaften Verbrechen, die von Soldaten über die Kampfhandlungen hinaus begangen wurden und werden. So gehören (Massen-) Vergewaltigungen offenbar zum Krieg dazu. Ich habe den Kriegsdienst verweigert und kenne mich nicht so aus: Ist Vergewaltigung Teil der Grundausbildung beim Militär oder warum passiert das ständig? Man hat ja auch bei amerikanisch ausgerichteten Massentötungsaktionen erlebt, dass Leute mit den Freuden der Pflicht gefoltert wurden, dass man ihnen ins Gesicht urinierte oder geschissen oder – je nach geschlechtlicher Ausrichtung der Opfer – die Geschlechtsorgane verstümmelt hat. Ist das noch Krieg? Nein, das ist Terror, Abschlachtung, Massen- und Völkermord.
„Nach Kampfeinsätzen sind Soldaten oft traumatisiert. „Kriegszitterer“ nannte man sie im Ersten Weltkrieg, sie galten als weich, schwach, gar hysterisch. Seitdem hat sich der Blick auf psychische Leiden stark verändert.“ (1)
Ein Teil der Soldaten kehrt aus Kampfgebieten mit posttraumatischen Belastungsstörungen zurück, aber auch andere psychische Störungen sind bekannt. Zahlreiche Ehen zerbrechen, da die zurückgekehrten Männer oder Frauen seelische Wracks sind. 2020 sind deutlich mehr Mitglieder der US-Armee durch Suizid gestorben als in den Vorjahren. Verwundert das irgendwen? Entspricht es nicht einer gewissen Logik, dass das Miterleben von Grausamkeit und Bestialität mehr als nur belastet? Und warum setzt man junge Menschen willentlich dieser Qual aus? Warum? Weil Machthaber und Verantwortliche, die Kriege anzetteln, Menschen sind, denen es nur um ihren eigenen Vorteil = Machtvorteil geht. Und das weiß man in der Regel, bevor man sie wählt!
Die Aussage, Soldaten sind Mörder (der Ausdruck stammt ursprünglich von Kurt Tucholsky), wurde lange Zeit sogar bundesverfassungsgerichtlich verfolgt. Mir will nicht ganz einleuchten, was der Unterschied ist, ob ich einen Menschen töte, weil ich sein Geld will, oder ob ich einen Menschen töte, weil ein machtgeiler Despot mir es befielt – in beiden Fällen handelt es sich nicht um einen natürlichen Tod, sondern um einen willentlich herbeigeführten. Hier entsteht die uralte Diskussion, ob man dies im Falle der Verteidigung nicht anders sehen muss. Ja, vielleicht kann man das, aber hier geht es wiederum um ein anderes, im Grunde philosophisches Problem.
Waffen – Armutszeugnis der menschlichen Spezies
Aktuell werden weltweit Billiarden Dollar für die Rüstung ausgegeben, was – so mein Eindruck – kaum jemanden interessiert. Genauso, wie es nicht interessiert, dass in vielen Teilen der Welt Menschen verhungern und keinen Zugang zur Bildung haben, was ja auch keinen interessiert. Geld GEGEN das Leben von Menschen scheint wichtiger zu sein, als Geld FÜR das Leben von Menschen. Waffen und seien sie noch so grausam und damit tödlich, werden in der breiten Öffentlichkeit genauso verharmlost wie beispielsweise der Bau von Straßen oder Ausgaben für die Raumfahrt. Doch fast jede Waffe, die produziert wird, hat den Sinn und Zweck, zur Verletzung oder Tötung möglichst im großen Stil eingesetzt zu werden. Wer beispielsweise Raketen, Panzer oder bewaffnete Drohnen produziert, möchte natürlich auch, dass diese genutzt werden. Da spielt es schlussendlich keine Rolle mehr, ob sie zur Friedensbewahrung oder zur Kriegsführung eingesetzt werden. Würde man die Menschen mit Gummiknüppeln ausstatten, mit denen man sich im Falle des Falles verprügeln könnte, so würde das vermutlich mit blauen Flecken, Beulen und gebrochenen Fingern enden, aber in den seltensten Fällen zum Tod führen. Doch man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: WAFFEN SOLLEN TÖTEN! Die vermeintlich klügste Spezies der Lebewesen stellt Gerätschaften her, die nicht nur verletzen, sondern verstümmeln, vergiften, verätzen, Landschaften zerstören, töten, ja ganze Menschengruppen abschlachten. Wer erfindet diese Grausamkeiten? Wer – allen Ernstes – denkt sich Waffensysteme aus, die höchstmögliche Zerstörungskraft haben? Müssten wir nicht solche Personen, Systeme und Firmen bekämpfen? Als Mitarbeiter einer Waffenfirma in einer Reportage auf ihr Tun angesprochen wurden, fiel der legitimierende Satz: „Wenn wir es nicht machen, machen es andere!“
Mein innerer Krieg bedeutet nicht nur Traurigkeit, Angst und Wut, sondern vor allem Angewidertsein von einem Teil der Menschheit, die so etwas produziert, verkauft, einsetzt oder auch nur toleriert. Wir hätten keine Kriege dieser Art, wenn nicht Waffen weltweit geächtet würden. Doch all die aktuell, aber auch schon früher geführten Diskussionen über den Sinn von Waffen und Bewaffnung zeigen, dass die negativen Auswirkungen ausgeblendet werden. Waffen – egal welcher Art – sind eine Abstraktion, ja manche hängen sich einen derartigen Mist sogar über die Polstergarnitur, aber dass es sich um Verletzungs- und Mordinstrumente handelt, hat keine Bedeutung. Als ich hörte, dass Lemmy Kilmister, Bassist und Sänger der Rockband Motörhead, fanatischer Waffensammler sei, habe ich die CDs der Band in den Müll geworfen: Kein Pardon!
Warum gibt es hochnotpeinliche Computerkriegsspiele, in denen Gewalt zum Spiel wird? Als meine Frau dies im Netz mokierte, schlug ihr ein wahrer Shitstorm entgegen, da sich all die zeittotschlagenden PC-Nerds in ihrem einzigen Lebenssinn angegriffen fühlten. Ich habe mir Ballerspiele ausschnittweise angeschaut, in denen auf eindringliche Weise gezeigt wird, wie Menschen in den Explosionen umkommen. Ist das nur Spaß oder menschliche Idiotie? Oder wohnt vielen Menschen die Lust am Töten inne? Ich habe dieses Töten just for fun nie verstanden. Was ist die nächste Stufe? Ein bisschen echtes Töten?
Hochrüstung – ein Hoch auf das Geld
Nachdem von unserer Bundesregierung der Etat für die Tötungsmaschinerie, auch Militärausgaben genannt, angehoben wurde, knallten bei Rheinmetall vermutlich die Sektkorken:
„Rheinmetall hat bereits ein 42 Milliarden Euro schweres Produktpaket angeboten, von Panzern bis zu Flugabwehrtürmen, was den Aktienkurs der Düsseldorfer Rüstungsschmiede beflügelt hat.“ (2)
Krieg rentiert sich! KRIEG MACHT GELD!
Ich war bei der im Bonner Hofgarten stattfindenden Friedensdemonstration am 10. Oktober 1981 dabei, als rund 300.000 Menschen gegen Nuklearwaffen demonstrierten. Doch habe ich schon damals nicht verstanden, warum sich der Protest nur gegen Nuklearwaffen richtete und nicht gegen jede erdenkliche Form von Waffen. Sind Panzer humaner, sind mit Bomben ausgestattete Starfighter friedlicher? Erinnern möchte ich an dieser Stelle, dass der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes seinen Unterorganisationen die Teilnahme verbot, Helmut Schmidt kritisierte Erhard Eppler und Oskar Lafontaine für ihre Teilnahme und erwog sogar ein Unvereinbarkeitsbeschluss und die CDU in ihrer unendlichen Friedensliebe diskutierte sogar ein Verbot der Demonstration im Bundestag, da diese Veranstaltung eindeutig den Interessen Moskaus diene. Übrigens war mir schon immer egal, wer Kriege entfacht und welchem Zweck sie dienten: Jeder Krieg ist dumm, unabhängig vom jeweiligen politischen System. Und das entfacht den nächsten Aspekt in meinem inneren Krieg: Sind tatsächlich so viele Menschen gegen Krieg und Militarismus?
Mir fiel es schon immer ganz allgemein schwer, eine Partei zu wählen, weil es bis heute keine Partei gibt, die meine Vorstellungen abdeckt, doch wäre es für mich ein absolutes Unding, einer politischen Vereinigung meine Stimme zu geben, die – unabhängig vom Ukraine-Krieg – die Produktion und die Lieferung von Waffen gutheißt und unterstützt. Was bleibt da noch? Aber die Frage muss eher lauten: Wenn so viele für Frieden sind, warum ist es dann so vielen egal, was unter der militaristischen Fahne der Menschenvernichtung geschieht? Warum wird die Herstellung von Waffen nicht weltweit verboten? Warum entheben wir Politiker nicht ihres Amts, wenn sie Waffenlieferung billigen?
Gute und schlechte Kriegsflüchtlinge
Während ich diesen Text schreibe, existieren in der Welt unzählige Kriege, manche davon schon seit vielen Jahren. So finden menschliches Gemetzel in Afghanistan, Mali, Syrien, Kolumbien, Indien, Myanmar, Irak, Nigeria, Somalia, Kongo, Thailand, Sudan und nicht zu vergessen in Nahost statt. Es ist mir nicht möglich, auf Vollständigkeit zu achten, was zum Teil daran liegt, dass darüber nur noch am Rande berichtet wird. Man hat sich an Kriege gewöhnt, während die Zerstörung der Ukraine, die ja fast um die Ecke liegt, uns Angst einflößt. Flüchtlinge von dort werden gerne allerorts aufgenommen, während man Menschen, die aus ferneren Ländern flüchten, am liebsten an der Grenze abknallen möchte. Dazu Ulrike Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat MV:
„Das sind jetzt Europäerinnen und Europäer, die kommen. Wir sind, was die Gesetze angeht, rassistisch. Wir unterscheiden in die Guten und die Schlechten und in die erwünschten und unerwünschten Geflüchteten. Menschen, die aus Klimawandelgründen fliehen, weil sie keine wirtschaftliche Grundlage mehr haben, sind für uns Wirtschaftsflüchtlinge – und das ist nicht freundlich gemeint.“ (3)
Auch das gehört zu meinem inneren Krieg: Dieser schwelende Rassismus in den Köpfen vieler Menschen. Und Rassismus und damit der Hass auf andere Völker ist einer von vielen Kriegsgründen. Hier beginnt Krieg und so sollte Rassismus radikal und das bedeutet: An seinen Wurzeln entgegnet werden. Doch allein dieser Satz ist vergebliche Liebesmüh, da Rassismus, so wie Krieg oder Nationalismus längst zur Normalität geworden sind. Hier in Deutschland dürfen Parteien offen ihren Rassismus rausrotzen: Es gehört zur Meinungsfreiheit, die sie im gleichen Atemzug infrage stellen!!!
Die Furcht vor der Freiheit
Ein Zitat, das in den letzten Wochen häufiger in den sozialen Medien auftauchte, ist ein Satz, dessen Autor und Quelle mir nicht bekannt sind:
Im Krieg töten sich Menschen, die sich nicht kennen und nicht hassen, auf Befehl von Menschen, die sich gut kennen und hassen.
Der Hintergrund dieser durchaus richtigen Aussagen gibt meinem inneren Krieg hochbrisante „Munition“, um diesen Text mit militanten Begrifflichkeiten auszuschmücken. Die geplante Vernichtung eines kleinen Staates durch eine nationalistische, brutale und autoritative Horde um den Herr der Lügen Putin verdeutlicht den Gedanken, um den es mir hier geht: Warum übertragen Gesellschaften, Nationen oder Gruppen alle Verantwortlichkeit einem einzelnen Menschen oder einer elitären Gruppe? Ist das Faulheit, die Furcht vor der Freiheit, Verantwortungslosigkeit, Blödheit oder ist es das Resultat eines schleichenden politischen Prozesses, bei dem machtgeile, narzisstische, gefühlsverwahrloste und maximal amoralische Schlächter sich ihre Untertanen erziehen, um sie dann zu schikanieren, zu reglementieren, zu bestrafen, sie zu belügen, ihnen Freiheiten zu stehlen und sie sogar zu ermorden. Warum darf das ein einzelner Mensch? Warum ermächtigt man ihn oder sie dazu? Je länger ich das politische System beobachte und studiere, desto mehr scheint mir, geschieht Politik in einer Blase, in der Volk kaum mehr eine Rolle spielt. Auch für Putin, Erdogan oder andere Terroristen hat das Volk kaum mehr Bedeutung und besitzt daher kein Mitspracherecht. Warum wohl? Weil es die Machtspiele der emotional-enthemmten Herrscher stören würde und mir scheint, dass die meisten Autokraten trotz ihrer Großkotzigkeit im Auftreten über die anale Phase nicht hinausgekommen sind.
Dazu fällt mir eine Textzeile aus dem Lied „Deserteur“ von Zupfgeigenhansel ein:
Ihr sogenannten Herr’n
Müsst ihr denn Blut vergießen
So lasst das eure fließen
Ihr predigt das so gern!
Von dummen Philosophen
Im Zusammenhang mit der von Russland ausgehenden exorbitanten Brutalität und Menschenverachtung wird gerne auf den Einfluss des Philosophen Alexander Dugin verwiesen, der mit seinen philosophischen Ergüssen offenbar auch Putin beeinflusst haben soll. Er begründet die nationalistische und autoritätshörige Gesinnung der Russen (aller Russen???) mit kulturellen Hintergründen und sieht in dem „eurasische Ideal“ den mächtigen, leidenschaftlichen, gesunden und schönen Menschen, wogegen der westliche Mensch „…der Kokainsüchtige, der Bastard aus weltlichen Diskos, der asoziale Kriminelle oder die Prostituierte…“ sei. Ich habe lange nicht mehr einen derartigen „philosophischen“ Schwachsinn gelesen, da solche Ausführungen
- nie auf ein komplettes Volk anzuwenden sind,
- dabei stets ausgeblendet wird, dass es Vermischungen gibt und man nicht von Homogenität und Kontinuität einer Gesellschaft ausgehen kann und
- Dugin offensichtlich in seinem philosophischen Schneckenhaus nicht mitbekommt, das Drogensucht, Diskos, „asoziale Kriminalität“ (Kriminalität ist immer asozial!!!) und Prostitution auch in Russland bestens gedeihen.
Vergessen wurde offenbar auch noch der in Russland bestens verbreitete Alkoholismus – vielleicht bleibt nur das Saufen als letzte Möglichkeit einer imaginierten Freiheit.
Doch mit dieser dummen Philosophie werden Statements gesetzt, die ungeprüft als Grundlage für ein ganzes Volk gesehen werden. Das was Dugin macht, ist seinem eigenen Volk ein Armutszeugnis auszustellen. Ich habe die Russen, die mir im Leben privat oder dienstlich begegnet sind, zumeist anders erlebt; nämlich als Menschen, die neugierig auf das Andere und somit auch auf Andersdenkende sind. Es waren oft sehr intelligente, reflektierte und sozial eingestellte Personen mit einem guten Blick für das Gemeinschaftliche. Warum muss man sie in Russland ihrer Offenheit und ihren Talenten berauben? Die von mir angeführten russischstämmigen Menschen lebten möglicherweise genau deswegen hier in Deutschland, da das Selbstdenken in solchen Ländern wie Russland, der Türkei oder anderswo offenbar „uneurasisch“ ist.
Krieg, auch wenn er in einem anderen Land geführt wird, tötet den Gemeinschaftssinn des eigenen Volkes. Er erfüllt ein reflektiertes Volk mit dem Wissen, dass die eigenen Regierenden nur ihrem krankhaften Narzissmus, ihrer Machtgeilheit und einer aus den Fugen geratenen Verantwortlichkeit ihrem ganz persönlichen Vorteil folgen. Personen, die Krieg führen, sind an Gemeinschaft nicht interessiert. Doch scheint dies vor allem russische Nationalisten, Kriegslüsterne und Speichellecker des kranken Putinsystems nicht zu interessieren. Und von diesen unreflektierten Putinverstehern gibt es in Russland mehr Menschen als solche, die sich eine offene Gesellschaft wünschen. Und hier tut sich für mich die nächste Verzweiflung auf: Warum lernen wir Menschen nicht das Selbstdenken? Warum lernen wir nicht das Hinterfragen von Meinungen oder politischen Aussagen? Wir leben zwar in einer lobbyistischen Demokratie, dennoch gibt es hier Freiheit und damit Raum, unterschiedliche Gedanken zuzulassen. Warum ist das kein allgemein angestrebter gesellschaftlicher Zustand – überall? Und – wenn wir all das lernen: Warum wenden wir das Wissen nicht an und beharren darauf?
Pazifismus
Natürlich bin ich Pazifist; alles andere finde ich grottendumm! Neuerdings gibt es übrigens auch Lumpenpazifisten. Vielleicht bin ich das auch! Und ebenfalls neuerdings wird Pazifisten die Schuld am Krieg zugeschrieben. Hätten wir mehr aufgerüstet, wäre alles nicht so gekommen. Es schüttelt mich vor dieser Naivität. Allerdings hinterfrage ich häufig meinen Pazifismus. Ich habe gegen Kriege demonstriert (übrigens gegen Krieg von allen möglichen Seiten), ich habe den Kriegsdienst verweigert und lehne auch im normalen Alltag gewaltorientierte Handlung ab. Allerdings waren meine „Verhörer“ bei der Verweigerung nach dem Musterungsbescheid nicht sehr angetan, als ich ihnen zurückmeldete, nicht in den Kampf fürs Vaterland ziehen zu wollen, da ich lieber zuhause meine Familie schützen wolle. Und es gilt bis heute: Ja, ich würde vor Gewalt dabei nicht zurückschrecken! Trotzdem bin ich gegen Militär, Rüstung, Auf- und Hochrüstung. Einen wie auch immer gearteten Tod Putins oder anderer Despoten halte ich für wünschenswert. Das darf man übrigens auch nicht laut sagen, da nur Soldaten sterben dürfen, nicht aber die Verursacher von Krieg. Sollte Putin überleben, wird man irgendwann ein Deckmäntelchen über die Sache legen und mit ihm wirtschaftliche Verhandlungen tätigen. Eine Schande, aber ein kapitalistisches Selbstverständnis! Auch das entfacht meinen inneren Krieg. Mir geht es wie Albert Einstein: „Ich bin entschiedener, aber nicht absoluter Pazifist. Das heißt: Ich bin in allen Fällen gegen Gewaltanwendung, außer in dem Fall, dass der Gegner Vernichtung des Lebens als Selbstzweck beabsichtigt.“ (4)
Innerer Krieg – ein trauriger Abgang
Innerer Krieg, was ist das? Es ist ein Toben in mir, ein desaströser, verbitterter Zustand. Und was mich erschreckt: Ich erlebe sehr deutlich das Aufkeimen von Hass! Ich bin über 60 Jahre alt und habe entsprechend viele Krisen verfolgt. Dabei wurde mir immer wieder bewusst, dass politische Prozesse nicht nachhaltig reflektiert werden. Vielleicht findet eine Nachbeschau in schlauen Büchern statt, aber die daraus resultierenden Erkenntnisse interessieren irgendwann niemanden mehr. Es werden Unsummen für den grassierenden Militarismus ausgegeben, aber wo bleibt die Friedensforschung? Wir haben Bundesminister für Verteidigung – männliche, wie weibliche -, aber warum gibt es in jedem Land keinen Friedensminister, keine Friedensministerin? Die Friedensinitiativen sind Nichtregierungsorganisationen; besteht also in der breiten Politik kein Interesse am Frieden, weil Krieg ein lukratives Geschäft ist? Mein innerer Krieg ist vor allem eine Verzweiflung an der unendlichen Idiotie derjenigen, denen wir die Verantwortung übergeben haben, aber auch derjenigen, die sich nicht daran stören, dass diese Verantwortung veruntreut wird. Es ist beschämend, wie sich Menschen hinters Licht führen lassen und das gilt ja nicht nur für Russland oder andere Orte, in denen auf Menschlichkeit geschissen wird. Mein innerer Krieg ist auch eine entsetzliche Scham, Teil der Spezies Mensch zu sein, die sich nicht zu blöd ist, sich gegenseitig auszurotten. Und diese Scham ist mit großer Verachtung verbunden. Ich werde mit meinen Mitteln versuchen weiterzukämpfen – ohne Waffen. Viele Möglichkeiten bleiben nicht, doch jede Enttäuschung führt auch zu einer Reaktion. Und sei es die, sich rigoros von Menschen zu lösen, die den inneren wie äußeren Militarismus unterstützen. Und damit sind auch Menschen gemeint, die Krieg politisch instrumentalisieren.
Dieser Text stellt eine Verschriftlichung von Gedanken dar. Es ist ein Kommentar. Wo bleiben Lösungsvorschläge, wird man vielleicht fragen. Würde ich heute den ultimativen Vorschlag unterbreiten, wie wir weltweit Frieden schaffen können, wäre ich vielleicht schon morgen tot. Frieden ist ein schlechtes Geschäftsmodell!
Ich habe einen langen Brief an die russische Botschaft in Berlin geschickt, in dem ich einige Aspekte meines inneren Krieges thematisiert habe. Übrigens habe ich früher u.a. auch Schreiben an die amerikanische oder türkische Botschaft verfasst. Bis heute gab es keine Antwort. Ich habe – ehrlich gesagt – auch keine erwartet. Und wenn – wäre es die nächste russische, türkische oder amerikanische Lüge gewesen, die unbestraft versanden würde.
——-
Quellen:
- https://www.spiegel.de/geschichte/kriegstraumata-bei-soldaten-verhaermte-seelen-a-ff2c304f-c6de-4cb7-8f9c-321cc307e60b
- Aus: „Nieder mit der Hochrüstung“ von Pascal Beucker. TAZ 26./27.März 22
- https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Fluechtlingsrat-MV-Viel-Rassismus-in-der-Fluechtlingspolitik,gefluechtete284.html
- https://www.planet-wissen.de/geschichte/persoenlichkeiten/albert_einstein_das_jahrhundert_genie/pwiepazifistundweltbuerger100.html