Das Virus Sars-CoV-2 rafft unsere Welt dahin. Gründe zeigt der Verhaltensforscher Konrad Lorenz in seinem Buch „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“. Seine Idee war, dass grundlegende biogische Fehler zu Katastrophen der Zivilisation führen.
Die Covid-Situation steuert einen neuen Höhepunkt an. Es gibt ungeheuer viele unlösbar erscheinende moralphilosophische und politische Probleme. Über dem Chaos scheint Rettung auf: die Spritze. Immun gegen Corona? Trickst uns Corona aus oder sind wir mit der Spritze aus dem Schneider? Weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass nur die Änderung unserer Welt hilft, nicht nur die Spritze.
Verhängnisvoll wäre, auf die Impfung zu hoffen. Alle reichen Nationen setzen darauf. Wenn das geschafft ist – vieles spricht dafür -, können wir da weitermachen, wo uns Corona erwischt hat? Ich fürchte, dann haben wir die nächste Welle verdient. Die Virologen, vom TV her bekannt, warnen bereits.
Das Corona-Problem ist nicht nur ein virologisches Problem, auch wenn das in den Medien so dargestellt wird. Natürlich ist das Virus Quelle Nr. 1, aber man muss auch die anderen Quellen mitbedenken.
Mein Beitrag orientiert sich an dem Buch „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“. Veröffentlicht wurde es 1973 vom weltbekannten Zoologen und Verhaltensforscher Konrad Lorenz, genannt „Vater der Graugänse“ (weil er alles über diese Tierpopulation erforscht hatte). Er bekam im selben Jahr den Nobelpreis.
Von den acht Todsünden habe ich drei gestrichen, weil sie zu weit vom Thema wegführen. Die anderen fünf habe ich gelassen. Lorenz‘ Idee bleibt: Die Menschheit geht zugrunde, wenn sie falsch gepolt ist. Meines Erachtens ist falsches Verhalten das Einfallstor von Corona. Entweder korrigieren wir das, oder wir müssen mit Corona leben.
Hier also fünf der acht Todsünden aus der Sicht von Konrad Lorenz, die ich auf Corona anwende. Die folgenden fünf Überschriften stammen ohne Änderung aus seinem Buch.
1. Übervölkerung
Das Corona-Virus gibt es wahrscheinlich noch in den nächsten Jahren. Aber je mehr Menschen auf begrenztem Raum zusammenleben (müssen), desto größer ist das Risiko der Ansteckung.
Als ich zur Schule ging, hatten wir fast 2 Milliarden Menschen auf der Erde, heute sind es knapp 8. In den Megacitys (Städte über 10 Mio. Einwohner, z.Zt. 25) sind die Infektionsraten deutlich höher als in Gegenden mit geringerer Bevölkerung. Total aus dem statistischen Ruder laufen die gering besiedelten Länder in Ostdeutschland z.B., sie weisen sehr niedrige Zahlen auf. Susan Fenton schrieb am 22. Mai 2020 bei Reuters, dass „das Coronavirus die empfindliche Flanke einer urban vernetzten Welt ist“.
Zahlreiche Corona-Beispiele wären möglich. Aus Platzgründen wähle ich nur drei:
Zugegeben, das ist bedeutungslose Statistik. Es geht ja auch nur um Illustration, um eventuelle Hausnummern. Je größer eine Stadt, desto wahrscheinlicher die Infektion.
Was tun wir dagegen – gegen Megacitys, billige Architektur, wenig Erholungsraum, zusammengepferchte Arbeitsplätze, riesige Kaufhäuser usw.? Können wir das überhaupt noch ändern? Gibt es gute Gründe für hohe Kinderzahlen in Entwicklungsländern? Wenn wir nichts dagegen tun, müssen wir mit Corona leben.
2. Verwüstung des natürlichen Lebensraumes
Tiere, Pflanzen, Mikroben, übrigens auch Menschen, haben ein Recht auf natürlichen Lebensraum. Lässt sich ein Vorrecht der Menschen über die Natur – außer bei konservativer Bibeldeutung – rechtfertigen?
Natur insgesamt ist in einem katastrophalen Zustand. Zurzeit können nicht einmal Menschen auf natürlichen Lebensraum zählen. Ich denke an Kinder, sie dürfen oft nicht laut sein, nicht spielen, wo sie wollen, Erwachsene stören etc. Ich denke auch an Jugendliche, sie haben nicht ausreichenden Raum für das, was sie wollen, etwa in Gruppen Gleichaltriger zusammen sein usw. Bringen wir das auf den Punkt: Nicht so leben können, wie man es braucht, führt zu Stress und damit zu Verletzlichkeit. Man denke auch an Erwachsene, an ihre Ängste, Arbeit, Partnerschaft oder Freunde zu verlieren. Ähnliches gilt für Alte, ihr Zurechtkommen mit Nicht-mehr-gebraucht-Werden, ihr eigener Herr-sein-Wollen usw. – natürlicher Lebensraum?
Gehen wir zur Natur über. Hier einige, meist sehr allgemeine Beispiele zur Verwüstung von Lebensraum:
Wenn Lebensraum kaputt geht, geht Leben langsam und schrittweise zugrunde. Es verliert seine Balance und seine Ressourcen – damit seine Abwehrkraft. Geschwächtes Leben wird zum Einfallstor für Keime, die schlimmstenfalls töten können, das Virus ist die Quittung für die falsche Polung unseres Zusammenlebens.
3. Wettlauf der Menschheit mit sich selbst
Konrad Lorenz beklagt, dass die Technik aus ihrem natürlichen Gesamtzusammenhang herausgelöst wurde und die natürliche Konkurrenzfähigkeit des Menschen sich so ungebremst verselbständigen konnte. Resultat sind Konsumgier, Zeitmangel, Angst vor Abstieg, Leid, Unsicherheit bei schweren Entscheidungen, Reflexionsabbau, ungebremste Produktions- und Bedürfnissteigerung.
Das ist der Wettlauf der Menschheit mit sich selbst, verursacht durch seine eigenen Konstruktionen. Die Abwägung von Gefahren funktioniert nicht mehr, Glück ist nicht mehr Ziel, sondern Alltag, Menschen leben nicht, sondern werden gelebt. Je mehr Stress, desto mehr Verletzlichkeit. Was Lorenz beschreibt, macht natürlich kein Corona. Aber es macht eine Infektion mit Corona wahrscheinlicher, irgendwo setzt sich Natur durch.
- Wärmetod des Gefühls
Der Biologe geht davon aus, dass die Wechselfälle des Lebens im Laufe der Zeit einen emotionalen Gleichgewichtszustand erzeugt haben. Aktuell beklagt der Biologe: Menschen entwickeln vorausschauendes Verhalten. Gewöhnung an den Überfluss macht bequem, träge und lustlos. Gefühle verflachen.
Bekannt ist der Begriff „Wärmetod“ als Endzustand des thermischen Gleichgewichts. Alles verglüht irgendwann, z.B. die Sonne als Energielieferant strahlt Wärme aus, Energie geht aber zuende, das Universum erkaltet. Es „stirbt“ den Wärmetod. Lorenz überträgt dieses Bild auf natürliches Leben.
Und es kommt, was kommen muss: Leben erkaltet. Übrigens Kälte, nicht nur die kalte Jahreszeit, ist die Kälte des erlöschenden Gefühls. Sie erhöht das Infektionsrisiko von Corona.
5. Funktionsstörungen lebender Systeme
Zoologen wissen, dass Gefühle Verhaltensweisen regulieren wie etwa Aggressivität, Rangordnungsbestreben, Territorialität, Brut-, Balz- oder Flugstimmung. Das ist die biologische Basis. Aber der heutige Mensch will „humane“ Regulative: Ausdruck von Zuneigung oder Ablehnung, Angst, Trauer, Glück, Handlungsmotive usw. Gefühle bilden Regelkreise, sie brauchen Stabilität, sonst verlieren sie an Kraft. Je öfter schwerwiegendere Fehler passieren, „humane“ Regulative versagen. desto schwächer werden die Systeme.
Genau da setzt das Problem an. Wir haben – nicht nur aus der Systemtheorie – gelernt: Never change a running system (Ändere niemals ein funktionierendes System)! Lebende Systeme funktionieren, es sei denn, wir machen sie kaputt. Aber leider ändern wir diese Systeme ständig. Beispiel: unsere Navis leiten uns in Baugruben. Wir nehmen die schwächer werdende Regulierungskraft in Kauf – und wundern uns über Corona und basteln Spritzen.
Bilanz für den Menschen
In den letzten Jahren haben wir etwas Wesentliches übersehen: Der Mensch ist ein „poröses Ich“, schrieb der Philosoph Ludwig Feuerstein. Ein kleines Stück davon haben m.E. die Ernährungsexperten begriffen. Feuerstein verstand mehr darunter. Porös ist der Mensch, weil auch sein wichtigster Teil von außen gespeist wird. Nennen wir das Außen einfach Welt. All das was Konrad Lorenz als die biologische Basis – sagen wir: Weltbasis – aufgelistet hat, zeigt deutlich, was der poröse Mensch ist. Leider sehen wir den Menschen meist nur als Monade (philos. Einzelwesen) Hier eine Graphik:
Bedenklich daran ist, dass in Zeiten der Pandemie Virologen und Mediziner das Wohl und Wehe der Menschen politisch bestimmen. Ist der Mensch doch eine Monade? Die Graphik zeigt aber, dass die Experten nicht auf diese Fächer begrenzt werden können. Leider habe ich in TV-Diskussionen noch nie einen Soziologen oder Kommunikationswissenschaftler und nur gelegentlich einen Psychologen gesehen. Aber wir brauchen dringend eine erweiterte Perspektive.
Erweiterte Perspektive? Eine Perspektive, die den Feind nicht nur im Virus sieht. Das ist ja schließlich auch nur Natur. In einem Buch von Cesare Pavese (Thema: Widerstand gegen die Faschisten in Italien) las ich einen nachdenklichen Satz. Nur wenige Wörter tauschte ich aus. Dieser veränderte Satz heißt dann:
„Nicht das Virus hat uns besiegt.
Wir haben uns besiegt<.