Hilfe! Die Onesies kommen!
Plüsch-Invasion in Deutschland

Der neueste Schrei auf deutschen Sofas: Onesies! (Foto Birgit Hartmeyer)
Der neueste Schrei auf deutschen Sofas: Onesies! (Foto Birgit Hartmeyer)

Onesies (auch: Wonzees) sind der letzte Schrei in deutschen Kinder- und Wohnstuben. Die putzigen Plüsch-Overalls haben nun auch den hintersten Winkel unserer Republik erobert. Ausgeleierte Jogginghosen und Sweatshirts mit verblichenen Farben sind passé, stattdessen wird es bunt und tierisch von Flensburg bis Hintertupfingen, denn auf den Betten und Sofas lümmeln sich jetzt Zebras, Flamingos, Frösche, Einhörner, Giraffen und Leoparden. Ein Blick hinter die Kulissen.

 

Zebras, Flamingos, Kühe - Kein Tier ist vor den "Onesies" sicher! (Foto Birgit Hartmeyer)
Zebras, Flamingos, Kühe – Kein Tier ist vor den „Onesies“ sicher! (Foto Birgit Hartmeyer)

Neulich war ich bei einer Freundin zu Besuch. Wir saßen gemütlich bei einem Gläschen Rotwein und provençalischen Oliven im Wohnzimmer, als ich plötzlich ein schwarz-weiß-gestreiftes Tier die Treppe herunterhuschen sah, kurz darauf gefolgt von einem weißen Riesenkaninchen. Meine Freundin hat eine Tierhaarallergie, also musste es sich um eine Halluzination handeln, hervorgerufen durch zu viel Stress auf der Arbeit. Dachte ich.

Ich versuchte, den allzu ausführlichen Schilderungen über die Inkontinenzprobleme ihrer Nachbarin zu folgen, als ich wieder eine Bewegung auf der Treppe wahrnahm. Diesmal sah es aus wie ein rosafarbenes Einhorn. Meine Freundin bemerkte meinen verstörten Blick und lächelte milde.

„Das sind die neuen Onesies der Kinder“, sagte sie und spießte eine Olive mit einem Zahnstocher auf. Die neuen WAS? Ich sah sie ratlos an. „Onesies“, wiederholte sie, „der neueste Schrei von Primark. Die Kinder sind ganz wild darauf.“ Als ich immer noch nicht reagierte, fügte sie hinzu: „Das sind Plüschanzüge in Tierform. Schlafoveralls. Kommt aus dem Englischen von ‚one‘ – ein Einteiler eben.“

Ich hatte meine Fassung wieder zurückgewonnen. Beinahe hätte ich gesagt: Und für so etwas gibst du Geld aus?, verkniff mir diese spontane Bemerkung aber noch rechtzeitig und sagte stattdessen so höflich wie möglich: „Aha. Interessant.“ Sie grinste. „Ich weiß, die Dinger sehen komisch aus. Aber was soll man machen? ALLE haben diese Plüschoveralls.“ Alle? Ich nicht. Bisher wusste ich nicht einmal, dass diese Untiere existieren.

„Hast du etwa auch einen … Onesie?“, fragte ich. „Na klar“, erwiderte sie. „Die sind wahnsinnig bequem. So abends beim Fernsehgucken …“. Sie stand auf. „Ich zeig dir meinen mal.“ Bevor ich sie aufhalten konnte, stöckelte sie in Richtung Schlafzimmer davon.

Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Meine schicke Freundin, die nur Designerkleidung trug, einmal wöchentlich zum Friseur und ins Nagelstudio ging, sollte sich zu so etwas herablassen? Ich konnte es nicht glauben.

Kurze Zeit später stand eine Giraffe im Wohnzimmer. „Tom wollte kein Tier, er hat einen ‚Muscle Up Superman‘-Onesie“, sagte sie fröhlich. Tom ist ihr Mann, ein gestandener Staatsanwalt. „Die Dinger kosten nur um die 40 Euro“. Ich war fassungslos und verabschiedete mich wenig später.

Auf dem Heimweg dachte ich über die tierische Invasion im Haus meiner Freundin nach. Während ich so durch die dunklen Straßen lief, erhaschte ich hier und dort in den erleuchteten Fenstern der Häuser einen Blick auf pinkfarbene Bunnies, schwarz-weiße Kühe, gefleckte Leoparden, gestreifte Tiger, knallgrüne Frösche …

Kuschelig, kultig, ... Katastrophe? (Foto Birgit Hartmeyer)
Kuschelig, kultig, … Katastrophe? (Foto Birgit Hartmeyer)

Zuhause angekommen, warf ich sofort meinen Laptop an, um mich eingehender über diesen neuen Trend, den ich offenbar verpasst hatte, zu informieren. Nach der Eingabe „Bilder zu Onesie“ wimmelte es auf meinem Bildschirm von Plüsch-Einteilern in allen Formen und Varianten. Es leuchtete pink, gelb, grün, orange, lila. Gefleckte, gestreifte, gepunktete Tiere mit Ohren, Hörnern, Knubbel- und Plattnasen . Ich klickte auf einige der Bilder. Sieht aus wie Strampelanzüge für Erwachsene, dachte ich spöttisch. Da hatte der Designer in seiner frühen Kindheit wohl zu oft die „Teletubbies“ geguckt. Tinky-Winky verkleidet als Kuh, Laa-Laa statt in Gelb mal im gestreiften Tiger-Outfit.

Während ich den Bildschirm herunterscrollte und hier und da eines der Fotos im Großformat betrachtete, geschah eine eigenartige Transformation in meinem Inneren. Irgendwie sahen diese seltsamen Plüschtieranzüge bequem aus. Gemütlich. Kuschelig. Bestens geeignet für eine Knabberrunde Salzstangen vor dem Fernseher. Kein zu niveauvolles Programm. „Bauer sucht Frau“ oder „Die Geissens“. Schließlich muss man sich ja irgendwie vom Stress des Tages erholen, und allzu anspruchsvolle Unterhaltung stört da nur.

Ich gebe den Dingern eine Chance, dachte ich, googelte den Primark Online Store und bestellte nach ausgiebiger Betrachtung der angebotenen Modelle – ich gebe zu, die Entscheidung fiel mir schwer – das himmelblaue Einhorn mit gelbem Horn auf der Kapuze.

Und damit nahm eine ungewöhnliche, unerklärliche Sucht ihren Anfang.

Meine Onesie-Kollektion wächst stetig. Mittlerweile bin ich stolze Besitzerin von sieben Plüsch-Stramplern, einen für jeden Tag bzw. Abend. Für meine „Onesie-Zooparty“ am übernächsten Samstag werde ich mir aber noch einen neuen zulegen. Ich schwanke zwischen „Zena the Zebra“, „Pink Adult Dinosaur“ und dem „Game of Thrones Dragon“ (ausgestorbene und Fantasy-Tiere sind zugelassen).

Die Party wird ein grandioser Erfolg, da bin ich mir sicher!