Der Roman „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ fällt total aus dem Rahmen. Harold Fry, früher tätig in einer Brauerei, jetzt Rentner, unternimmt eigentlich keine Pilgerreise, er geht und geht …, um eine frühere krebskranke Kollegin zu treffen. Er hat kein religiöses bzw. para-religiöses Ziel. Aber er lernt mit den Menschen, die er liebt, wahrhaftiger zu sein.
Nach seinem Job als ein nicht sehr ehrgeiziger Kundenberater in einer Brauerei hat Harold Fry in Kingsbridge (ganz im Süden von England) hat inzwischen seine Rente angetreten. Eines Tages nach dem Frühstück ohne seine Frau Maureen – ihre Ehe war sehr angespannt – bekommt er einen Brief von Queenie, dass sie wegen einer Krebserkrankung in einem Hospiz liegt.
Es geht ihr eigentlich nur um eine Information. Vor Jahren war sie eine Art Sekretärin des Chefs, er befahl ihr, mit Harold Restaurants zu besuchen, um für Kunden weitere oder sogar neue Lieferungen von Brauereiprodukten zu organisieren. der sie aber kündigen wollte. Queenie und Harold fuhren in seinem Wagen gemeinsam, aber hatten und wollten kein Verhältnis. Sie war eher unattraktiv, war aber auf ihren gemeinsamen Fahrten freundlich und zuvorkommend. Die spätere Kündigung und vieles andere wurde Harold aber erst bewusst, als er auf dem „Pilgerweg“ der Wahrhaftigkeit war.
Harold holte Briefpapier und reagierte mit einer eher uneinfühlsamen Antwort und freundlichen Grüßen. Er wollte nur kurz mit seinen leichten Schuhen zum nächsten Briefkasten gehen. Aber unterwegs bekam er mehr und mehr das Gefühl, einen wenig einfühlsamen Brief von 2 bis 3 Zeilen geschrieben zu haben, und geht an allen Briefkästen seines Ortes vorbei. Er konnte den Brief nicht abwerfen. Nach einigen Kilometern beschloss er, einfühlsamer zu sein und zu der krebskranken Queenie zu gehen – bis ins ca. 1.000 Km entfernte Berwick (ganz im Norden von England). Aus dem Gang zum Briefkasten wurde eine Pilgerreise.
Eine säkulare Pilgerreise. Ich denke an die Bücher und Filme über die Pilgerreisen nach Santiago de Compostela. Etwa an den Film „Pilgern auf Französisch“ oder an Coellos Buch „Auf dem Jakobsweg“. Ein mystischer Ort wie Santiago krempelt Menschen um. Oder war es das Pilgern, das Menschen verändert? Leider war ich als Student zum Teil mit dem Auto nach Spanien bis kurz vor Santiago gefahren und erst vor Ort verstanden habe, was ich alles nicht erlebt habe.
Das Buch von Rachel Joyce sucht keine Antwort. Was einen veränderte, war die Summe von Begegnungen – positive und auch negative. Und wenn mythischer und religiöser Zauber in die Pilgerreise einzieht, geht etwas – sagen wir: das eigentliche Ziel – verloren.
Wie heißt es so schön? Der Weg ist das Ziel. Rachel Joyce zeigt uns das: Pilgern macht etwas Wunderbares mit einem. Bei Joyce geschieht nicht Wunderbares, aus dem kleinen Harold wird kein Held. Wohl aber ein Mann, der bereit ist, Wahrheit und Hilfe zuzulassen.
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Falls Ihr das Buch lesen wollt, verrate ich die Einzelheiten nicht. Stattdessen notiere ich nur einige Zitate aus diesem Buch, die mir zu denken gaben. Hier die Zitate:
Wollt Ihr diesen Roman lesen, können folgende Daten helfen:
Rachel Joyce:
Die erstaunliche Pilgerreise des Harold Fry
Verlag: Fischer, 22 €, 386 Seiten
Bemerkung zum Bild neben der Überschrift
Das Titelbild wurde zusammengesetzt aus dem Cover des Buches und der Landkarte von Groß Britannien mit den Angaben der Pilgerreise. Die Karte vom United Kingdom stammt von der Free Software Foundation unter der Creative-Commons-Lizenz.