Qualprodukt Pelz
Blutiges Revival durch die Hintertür

Seit den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts verpönt und geächtet, schleicht sich die Pelzindustrie seit einiger Zeit durch die Hintertür wieder in die Modebranche ein: durch Echtpelzbesatz an Kapuzen, Mantelkrägen, Stiefeln und Wollmützen. Und viele von uns wissen nicht einmal, was sie da tragen.

Hund oder Katze? (Foto Birgit Hartmeyer)
Hund oder Katze? (Foto Birgit Hartmeyer)

Würden Sie Hunde- oder Katzenfleisch essen? Nein? Aber warum tragen Sie dann – womöglich – das Fell unserer geliebten Hausgenossen spazieren?

Schauen Sie mal genau auf die Kapuze Ihres Parkas, auf Ihren Mantelkragen, Ihre Stiefel oder Ihre Mütze. Falls sich dort Pelzbesatz findet: Sind Sie sicher, dass es sich nicht um Echtfell handelt? Der leuchtendbunte Bommel an Ihrer Wollmütze oder der Ihres Kindes könnte vom Fell einer Hauskatze stammen, und der kuschelige Besatz Ihrer Kapuze vom Marderhund. Gleiches gilt für die schicke Pelzverbrämung an Ihren Stiefeln, Ihrer Strickjacke, Ihren Handschuhen oder für den flauschigen Fellpompom an Ihrem Schlüsselanhänger.

Viele denken, dabei handle es sich um Kunstfell. Schließlich war das Teil doch so preisgünstig! Schön wär’s!

In Wahrheit sind Pelz-Accessoires immer öfter echt. Genau deklariert wird der Besatz aber in den seltensten Fällen, denn natürlich weiß die Pelz-Industrie, dass die große Mehrheit der Deutschen Echtpelzprodukte ablehnt. Im besten Fall findet man auf dem Etikett den Hinweis „Enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs“. Häufig gibt es aber auch gar keine Angaben.

 

Pelz-Accessoires sind immer öfter echt! (Foto Birgit Hartmeyer)
Pelz-Accessoires sind immer öfter echt! (Foto Birgit Hartmeyer)

Wie aber unterscheidet man Echt- von Kunstpelz?

Zum einen kann man den Unterwolle-Test machen: Wenn man die langen Fellhaare beiseite streicht, kann man eine kürzere flauschige Haarschicht erkennen. Dabei handelt es sich um die für Tierfell typische Unterwolle. Vielleicht haben Sie einen Hund mit langem, dichtem Fell oder eine Katze, dann können Sie den Test zum Vergleich an Ihrem Haustier machen.

Zweitens gibt es den Leder-Test: Wenn man das Fell so weit auseinander streicht, dass ein Scheitel entsteht, kann man bei Echtpelz am Ansatz Leder sehen (und fühlen).

Schließlich kann man auch noch den Brenn-Test machen: Zupfen Sie ein paar Fasern aus dem Pelz und zünden Sie diese an: Riecht es nach Plastik und bilden sich am Ende der Haare kleine, feste Kügelchen, so handelt es sich um Kunstpelz. Riecht es nach menschlichem Haar, ist es Echtpelz. (Zum Vergleich kann man ein paar eigene – natürlich zuvor ausgerissene – Haare verbrennen.)

 

Nicht immer ist echter Pelz so gut zu erkennen wie dieser (Foto Birgit Hartmeyer)
Nicht immer ist echter Pelz so gut zu erkennen wie dieser (Foto Birgit Hartmeyer)
Hochwertiger Kunstpelz: von echtem Pelz kaum zu unterscheiden (Foto Birgit Hartmeyer)
Hochwertiger Kunstpelz: von echtem Pelz kaum zu unterscheiden (Foto Birgit Hartmeyer)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei leichtem Wind oder wenn man vorsichtig auf das Fell pustet, kann man ebenfalls oft erkennen, ob es sich um Kunstpelz oder echtes Fell handelt. Bei ersterem bewegen sich die Pelzfasern kaum, während sie bei Echtfell der Windrichtung folgen. Mittlerweile gibt es allerdings sehr hochwertige Kunstpelze, deren Fasern unterschiedlich lang sind und die sich ebenfalls im Wind oder bei leichtem Pusten bewegen.

 

Wie aber kommt es, dass in der Modebranche immer mehr Echtfell verwendet wird, was ja lange Zeit absolut verpönt war?

In den 1980ern hatte ich eine Freundin, die sich – für die damalige Zeit recht militant – im Tierschutz engagierte: Wenn ihr im Winter auf der Bourgeoisie-Flanier-Meile Prinzipalmarkt im westfälischen Münster jemand im Pelzmantel begegnete, griff sie beherzt zur Farbsprühflasche. Auch wenn ich ihr insgeheim Recht gab, so fand ich ihr Verhalten damals doch ziemlich gewagt. Im Vergleich zu den heutigen spektakulären Aktionen, beispielsweise der Tierrechtsorganisation PETA, war dieses „Vorgehen“ jedoch beinahe harmlos, auch wenn es sich rechtlich natürlich um Sachbeschädigung handelte.

Je mehr Menschen seinerzeit von der grausamen Tierhaltung auf Nerz- und Fuchsfarmen erfuhren, umso verpönter wurde es, Pelzmäntel und –jacken zu tragen. Die Pelzindustrie musste ordentliche Einbußen verzeichnen, während der Markt für Plüschjacken und Webpelzmäntel in den Achtzigern und Neunzigern prächtig gedieh.

 

Doch dann, etwa seit Beginn des neuen Jahrtausends, erschlich sich die Pelzindustrie klammheimlich, aber unaufhaltsam, quasi durch die Hintertür, stetig wachsende, begehrte Marktanteile. Waren es die neureichen Russen, die plötzlich überall im Westen auftauchten, die Juwelierläden leerkauften und unverfroren ihre Pelze in der Öffentlichkeit trugen? Oder lag es an der US-Kultserie Sex and the City (1998-2004), in der Carrie & Co. auf einmal mit kleinen Pelzstolen oder Taschen mit Fellbesatz durch die Straßen New Yorks stöckelten? Auf jeden Fall wurde Pelz wieder salonfähig, zumindest als „modische Zutat“ an Kleidung, Stiefeln und Taschen.

Den Komplett-Look trauten sich – außer den Russen – allerdings nur die wenigsten zu.

Aber auch den gibt es wieder. Ich erhalte regelmäßig den Hochglanzkatalog einer bekannten Modefirma, und mir ist aufgefallen, dass seit ein paar Jahren in der Winterausgabe immer mehr Pelze auftauchen: außer Pelz-Accessoires in Form von Besätzen und Krägen sind auch (Echt-)Pelzjacken wieder im Kommen. Bezeichnungen wie „luxuriöses Rexkanin“, „echter Raccoon“ oder „kostbarer Finnraccoon-Besatz“ suggerieren Eleganz, Reichtum und ein gewisses „Ich-bin-es-mir-wert-Gefühl“. Die Adjektive verbergen geschickt das Blut und die Qualen, die hinter dieser Ware stecken. Damit wollen die Käufer nicht konfrontiert werden. Und sie wollen auch nicht unbedingt wissen, welche Tierart sich nun genau hinter dem kuschligen Pelz versteckt. „Rexkanin“ klingt doch irgendwie schicker als „(Rex-)Kaninchen“. Die Assoziation mit dem Hauskaninchen der eigenen Kinder liegt bei Letzterem zu nahe – „Kanin“ ist da unverfänglicher.

 

Getötet per Analstromschlag ... (Foto Birgit Hartmeyer)
Getötet per Analstromschlag … (Foto Birgit Hartmeyer)

Und was ist ein „Raccoon“? Manch einer weiß vielleicht, dass sich dahinter auf Deutsch der Waschbär verbirgt. „Waschbär“ klingt nach einem lebendigen Tier, „Raccoon“ hingegen kann man mit besserem Gewissen kaufen. Wer aber weiß schon, dass sich hinter dem harmlosen Begriff „Finnraccoon“ der Marderhund versteckt? Doch wer will schon einen Hund um den Hals tragen? Ein „Finnraccoon“, auch „Russian“ oder „Chinese Raccoon“ genannt, trägt sich da schon leichter. Dann gibt es natürlich auch noch diejenigen, denen das egal ist, die ungerührt zu echtem Silberfuchs und zur Nerzjacke greifen. In oben erwähntem Katalog wird für läppische 4000 Euro eine schwarze Nerzjacke angeboten, ein „Meisterstück moderner Kürschnerarbeit und an Luxus kaum zu überbieten“, übrigens aus Skandinavien. Wer jetzt aber meint, dort ginge es den Nerzen besser als im verrufenen China, der irrt.

Vergast, erstickt, ertränkt ... (Foto Birgit Hartmeyer)
Vergast, erstickt, ertränkt … (Foto Birgit Hartmeyer)

Hier wie dort werden die bewegungsfreudigen Tiere in engen Drahtkäfigen gehalten und brutal getötet: vergast, erstickt oder ertränkt. Manchmal werden sie auch einfach mit einem Knüppel erschlagen. Bei Füchsen wird gern ein elektrisch aufgeladener Stahlstab verwendet, den man den Tieren in den Mund und das Rektum einführt. Den Tötungsprozess von Tieren für die Pelzherstellung nennt man übrigens beschönigend „Ernte“. Zynismus pur!

Auch wenn es in Europa noch um die 7000 Pelztierfarmen gibt, so gilt doch China als weltweit größter Pelzexporteur. 80% aller Pelzprodukte werden dort verarbeitet und gefertigt (Quelle: PETA). Neben den bereits oben erwähnten Tierarten blüht dort auch der Handel mit Hunde- und Katzenfellen. Davon gehört hat sicherlich jeder schon mal, vor den grausamen Bildern verschließen jedoch die meisten die Augen. Wer will schon Fotos oder Videos von traurigen Hunden und Katzen, die wir hierzulande als geliebte Haustiere halten, in engen, verdreckten Käfigen sehen, oder – noch schlimmer – Berge von gehäuteten Tieren, von denen manche noch zucken, da der Schlag auf den Kopf nur zur Betäubung, nicht aber zum Tod geführt hat. Bei der Häutung erwacht so manch ein Tier wieder und erlebt den Häutungsprozess bei vollem Bewusstsein mit, und erst nach 5 bis 10 Minuten entsetzlicher Qualen tritt dann der Tod ein.

 

An Pelz klebt Blut - auch wenn man es normalerweise nicht sieht (Foto Birgit Hartmeyer)
An Pelz klebt Blut – auch wenn man es normalerweise nicht sieht (Foto Birgit Hartmeyer)

Freiwillig würden die meisten Menschen wohl kein Hunde- oder Katzenfell tragen wollen, doch die Realität sieht da leider anders aus. Zwar wurde die Einfuhr von Hunde- und Katzenfellen in Deutschland verboten, dennoch gelangen diese auf den hiesigen Markt, da sie noch vor ihrer Ausfuhr aus Asien falsch etikettiert werden. So trägt also manch einer ein Hundefell als Mantelkragen oder eine katzenfellgesäumte Kapuze, vom Echtfellkatzen- oder hundebommel auf der massenproduzierten Strickmütze ganz zu schweigen.

Man fragt sich nun, warum die Modehersteller nicht Kunstpelz verwenden, da die meisten Verbraucher keinen Wert auf Echtpelz legen oder diesen nicht einmal wollen.

Die traurige Antwort: Echtfell, zum Beispiel aus China, ist oft billiger als hochwertiger Kunstpelz.

 

Echtfellbommel (hier: Blaufuchs) sind nicht - wie viele glauben - ein Abfallprodukt der Pelzindustrie, sondern die Tiere werden speziell für diese Accessoires gezüchtet und getötet (Foto Birgit Hartmeyer)
Echtfellbommel (hier: Blaufuchs) sind nicht – wie viele glauben – ein Abfallprodukt der Pelzindustrie, sondern die Tiere werden speziell für diese Accessoires gezüchtet und getötet (Foto Birgit Hartmeyer)

Um die Kunden zu täuschen, werden die Pelz-Accessoires, wie oben erwähnt, häufig nicht als Echtpelz deklariert. Wer diesen nicht möchte, ist auf sich selbst angewiesen: entweder, indem er anhand der drei oben genannten Methoden überprüft, ob es sich um echten Pelz handelt, oder aber, indem er im Laden oder beim Hersteller nachfragt.

Ebenfalls eine gute Möglichkeit: Wenn man in einem Geschäft Produkte mit Echtpelz entdeckt hat, den Geschäftsinhaber wissen lassen, dass man hier so lange nichts mehr kaufen wird, bis diese Produkte aus den Regalen genommen werden. Das Gleiche gilt für Online-Shops. Ich jedenfalls werde bei der oben erwähnten Modefirma nichts mehr kaufen.

Im Übrigen gibt es, abgesehen von den genannten Tierschutzgründen, einen weiteren Grund, auf Pelzprodukte zu verzichten: Echtpelze sind kein unbedenkliches „Naturprodukt“, wie oft suggeriert wird, sondern produktionsbedingt hochgradig mit Chemikalien belastet!

Der Verbraucher hat die Macht: Wenn keine Produkte mit Echtpelz mehr gekauft werden, werden die Hersteller auf Kunstpelz ausweichen müssen und damit vielen Tieren unsägliches Leid ersparen! Wichtig ist nur, dass man sich nicht von einer falschen oder nicht vorhandenen Deklaration täuschen lässt.

 

Pelz ist Mord! (Foto Birgit Hartmeyer)
Pelz ist Mord! (Foto Birgit Hartmeyer)

 

Pelz ist Mord (Foto 3 Birgit Hartmeyer)
Pelz ist Mord (Foto 2 Birgit Hartmeyer)
Pelz ist Mord (Foto 4 Birgit Hartmeyer)
Pelz ist Mord (Foto 3 Birgit Hartmeyer)