Auf der Homepage des Münsteraner Allwetterzoos las ich neulich in einem Bericht über die Aktion „Nachts im Zoo“, dass Elefanten, Löwen und Tiger „genussvoll“ über ihre Anlagen „flanierten“ und sich den nächtlichen Zoobesuchern „nahezu majestätisch präsentierten“. (8) Ein flanierender Elefant? Wie die hoheitsvoll winkende Queen auf Staatsbesuch statt mit der (nicht vorhandenen) Hand mal eben mit seinem Rüssel elegant nach links und rechts schwenkend, um die nächtlichen Besucher zu grüßen? Flaniert ein Löwe? Oder schreitet er nicht eher majestätisch und stolz über die afrikanische Steppe, wenn er nicht gerade schläft, und das 20 Stunden am Tag? Und der Tiger? Der schleicht doch durch den asiatischen Dschungel, oder? Das Adverb „genussvoll“ klingt fast schon zynisch angesichts der Tatsache, dass es sich bei den tierischen Zoobewohnern schlichtweg um Gefangene handelt. Sicherlich sind die Bedingungen für Zootiere in den letzten 10-15 Jahren deutlich besser geworden, dennoch ist und bleibt es ein Leben hinter Gittern in einer letztendlich artfremden Umgebung, egal wie sehr man versucht, das natürliche Habitat nachzubilden.
Immer wieder geschehen auch Unglücksfälle. Im Juni 2015 entkamen nach schweren Überschwemmungen im georgischen Tiflis Raubtiere aus dem Zoo – ein ausgebrochener Tiger tötete einen Mann. In Köln (2012) und Münster (2013) wurden Wärter von Tigern getötet, da sie die Türen der Gehege versehentlich nicht richtig geschlossen hatten. Der Kölner Tiger musste dafür mit dem Leben büßen, der Münsteraner „Killer-Tiger“ Rasputin, wie die BILD ihn betitelte, durfte bleiben, denn schließlich hatte er, wie Zoo-Direktor Jörg Adler betonte, nur sein Revier instinktiv gegen einen Eindringling verteidigt.
Rasputin und seine Gefährtin Nely habe ich mir gestern zur Recherche vor Ort live angesehen, genauso wie die Münsteraner Elefanten, Löwen, Geparde, Malaienbären, Affen usw. Die Orang Utans blieben den Blicken der Zoobesucher verborgen – ihr Gehege wurde gereinigt und man bat um „Verständnis“. Bei 20 Euro Eintrittsgeld (inclusive Parkgebühr) hatte ich das eigentlich nicht – schließlich ist die „ZoOrangerie“ eines der Highlights im Allwetterzoo – und eine Reinigung der Gehege dauert doch wohl nicht den ganzen Tag, oder? Ich fragte mich auch, wo die schwergewichtigen Menschenaffen denn eigentlich waren, da Außen- wie Innengehege komplett leer waren. Hatte man die sensiblen Tiere in Käfige gepfercht? Einen weiteren Dämpfer bekam mein Gemüt, als ich zwei traurig anzusehende Gorillas in ihrem kleinen Innengehege betrachtete. Ihr stumpfer Blick sprach Bände. Überhaupt: Je länger ich durch den Nieselregen die einzelnen Gehege und Tierhäuser abklapperte, desto deprimierter wurde ich. In der Zoo-Szene spricht man nicht von „Gefangenschaft“, sondern von „Haltung in menschlicher Obhut“. Was für ein zynischer Euphemismus für eine lebenslange Haftstrafe auf minimalem Lebensraum, selbst wenn man berücksichtigt, dass den Tieren heutzutage mehr Quadratmeter vergönnt sind als zu früheren Zeiten. Der männliche Gepard im Allwetterzoo, schön getrennt von seinem Weibchen und dem im April 2015 geborenen Nachwuchs, hat zwar immerhin an die 3000 qm zur Verfügung, lief aber dennoch genauso ruhelos hin und her wie seinerzeit Rilkes Panther in seinem engen Käfig im Pariser Jardin des Plantes.
Und der schwarze Panther aus dem Münsteraner Zoo? Der lebt dort schon längst nicht mehr. Vielleicht wurde er an einen anderen Zoo verkauft, vielleicht ist er längst über die „Regenbrücke“ gegangen, wie man bei verstorbenen Hunden sagt. Eine solche gibt es bestimmt auch für Wildtiere. Ich hoffe, dass es ihm nun besser geht als auf Erden, wo ihm nur ein jämmerliches Dahinvegetieren hinter Gitterstäben vergönnt war. Auch seine ehemaligen Nachbarn, die Nordpersischen Leoparden, wird es nicht mehr lange im Allwetterzoo geben. Ihr Gehege, das in den 90er Jahren noch als fortschrittlich galt, ist nach heutigen Standards zu klein und veraltet. Ein Umbau wäre zu teuer. Nur noch ein männlicher Leopard bewohnt das Gehege, und sobald er in einem anderen Zoo einen geeigneten Platz gefunden hat, ist die Ära der Nordpersischen Leoparden in Münster beendet.
Ich wünschte, die gesamte Ära der Zoologischen Gärten wäre bald beendet! Angefangen bei der höchst tierquälerischen Haltung exotischer Tiere in winzigen Käfigen in privaten Tierbuden und den Menagerien auf den Jahrmärkten über die kleinen Zwinger in den frühen Zoos, die auch noch in meiner Kindheit in den 60er und 70er Jahren existierten, bis hin zu den modernen Tierparks mit größeren Gehegen – Kein Zoo dieser Welt kann, wie PETA schreibt, diesen Tieren auch nur annähernd artgerechte Lebensverhältnisse bieten. Zoologische Gärten sind hochdefizitäre Gefängnisse, die satte Subventionen aus Steuergeldern erhalten (der Allwetterzoo in Münster beispielsweise 4 Mio. Euro jährlich), in denen exotische Tierarten zu einem eintönigen Leben verdammt sind, das in keinster Weise vergleichbar ist mit dem Leben ihrer freien Artgenossen. Würde man die Subventionen in den Erhalt der natürlichen Lebensräume bedrohter Tierarten stecken, wären viele Tiere heute nicht vom Aussterben bedroht.
Quellen:
(1) Münster-Send: Synode-Markt-Volksfest, hrsg. v. Hans Galen, Stadtmuseum Münster, 1986, S.176.
(2) dito, S. 173.
(3) PETA: Die 10 größten Irrtümer über Zoos (http://www.peta.de/Zooirrtuemer#.Ve9XeZeX9F4)
(4) Der EU ZOO Report – Deutschland (2012): Eine Untersuchung zur Umsetzung und Durchsetzung der Richtlinie 1999/22/EG des Rates über die Haltung von Wildtieren inZoos. Born Free/ENDCAI‘ et. al. (zitiert nach: http://www.peta.de/Zooirrtuemer#.Ve9XeZeX9F4)
(5) Birkett LP, Newton-Fisher NE (2011): How abnormal is the behaviour of captive, zoo-living chimpanzees? PLoS ONE 6(6):e20101.doi:10.1371/journal.pone.0020101 (zitiert nach: http://www.peta.de/Zooirrtuemer#.Ve9XeZeX9F4)
(6) http://www.peta.de/Zooirrtuemer#.Ve9XeZeX9F4
(7) Die Story – Was passiert wirklich mit Elefant, Tiger & Co. (2014) (https://www.youtube.com/watch?v=xUs7HqkRYAc“)