Telgte/Beesten/Enschede. Es ist eine weitverbreitete Meinung, dass in unglücklichen Abschnitten des Lebens der Humor nichts zu suchen hat. In der Trauer gilt er eher als unanständig. Humor kann das Leben in vielen Situationen erträglicher machen. Doch Humor als Strategie oder Therapie in traurigen Momenten?
In der Klinik, in der ich arbeite, werden zweimal im Monat „Clownvisiten“ angeboten. Ich bin sehr beeindruckt über das Engagement des Vereins „Klinikclowns Steinfurt Rheine“, kann mir aber nur sehr schwer vorstellen, wie Kinder und auch Erwachsene in für sie unglaublich bedrückenden und beängstigenden Situation auf ihren Besuch reagieren. Zur gleichen Zeit kam mir ein Gespräch in den Sinn, das ich vor ein paar Monaten mit einer Freundin führte. Sie ist in einem Hospiz in Lingen tätig und erzählte mir über ein Seminar mit Christian Heeck „Humor in der Sterbebegleitung“. Klingt das nicht sehr pietätlos?
Olinda Marinho e Campos, Tochter einer Bayerin und eines Portugiesen wurde 1978 in Ibbenbüren geboren – also die besten genetischen Voraussetzungen für ihre Berufswahl. Sie ist seit 7 Jahren selbstständige Clownin; gibt theater-pädagogische Workshops, spielt Clowntheater und besucht als Klinikclownin Mimi Menschen jeglichen Alters, ethnischer Herkunft und körperlich-geistigen Zustands in deren derzeitigen Aufenthaltsorten.
Walburga Kupfer, geboren 1949, hat 45 Jahre im medizinischen Bereich gearbeitet. 2004 machte sie eine Ausbildung zur Sterbe- und Trauerbegleiterin beim Lingener Hospizverein und ist seitdem dort schwerpunktmäßig in der Trauerbegleitung tätig. Sie ist seit vielen Jahren Mitglied im Literaturkreis Freren und startet jeden Morgen mit Yoga.
Marion Illhardt (im weiteren MI): Wie seid Ihr überhaupt zu diesem Beruf bzw. dieser Berufung gekommen? Was war die Initialzündung in diesem Bereich tätig zu werden?
Olinda Marinho E Campos (im weiteren OM):
Durch den Beruf meiner Mutter, die viele Jahre als OP-Schwester gearbeitet hat, bin ich als Kind mit dem Umfeld ‚Klinik‘ groß geworden – größtenteils ohne die emotionale Belastung eines Aufenthaltes meinerseits oder eines bekannten Menschen. Ich durfte die Bereiche kennenlernen, die für Patienten und Besucher off-limits sind und auch den Alltag des Pflegepersonals erleben. So erhielt ich Einblick hinter die Kulissen und was dort passiert, wurde nicht allein meiner Fantasie überlassen. Ich fühle mich bis heute in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beinahe zu Hause.
Während meines Studiums der bildenden Kunst merkte ich, das mir ein für mich wichtiger Teil in der Kunstwelt fehlte. Die soziale Arbeit, das Miteinander, der direkte Kontakt. Die Kunstszene ist für mich ein relativ geschlossener Kreis, in dem nicht nur Talent und harte Arbeit zählen, sondern zudem es auch gehört, Kontakte zu pflegen, viele Hände zur richtigen Zeit zu schütteln, und sein Gesicht an den richtigen Stellen zu zeigen. Sicherlich trifft das auf viele Bereiche zu, jedoch glaubte ich mit meiner Kreativität in eine andere Richtung gehen zu müssen, eine anderes ‚Sprachrohr‘ zu finden, das dichter bei meinem Herzen liegt.
Meine Mutter hat zwischenzeitlich selbst einen beruflichen Wechsel vorgenommen und hat an der Theaterschule in Hannover ein Schauspielstudium mit der Richtung Clown absolviert und mit guten Freunden den Verein Klinikclowns im Kreis Steinfurt gegründet. Sie lag mir während meines Kunststudiums ständig in den Ohren: Du musst unbedingt einmal mitkommen, das ist genau Dein Ding! Aber ich hatte jedes Mal abgewunken; schließlich will jedes Kind seinen eigenen Weg gehen.
Nach der Geburt meiner Tochter Emilia machte sie mir wieder ein Angebot und diesmal sagte ich zu. Eigentlich sollte ich während meiner Hospitation nur im Hintergrund bleiben und beobachten. Doch ich konnte es nicht lassen und habe direkt mitgemacht und seit dem nie wieder aufgehört. Anfangs noch als Aspirantin, wöchentlich, auf meine Kosten und dann nach meinem Schauspielstudium als selbständige Clownin.
Walburga Kupfer (im weiteren WK): In meinen 45 Berufsjahren im medizinischen Bereich wurde ich immer mit Sterben und Tod konfrontiert. Ausschlaggebend für den Einstieg in die Hospizarbeit war der Tod meiner Mutter, die im Kreise unserer Familie zu Hause sterben durfte. Das war für mich ausschlaggebend, auch für andere sterbende Menschen da zu sein, die vielleicht keine Angehörigen mehr haben und alleine im Altenheim, Krankenhaus oder zu Hause ohne Begleitung dem Tod entgegen gehen müssen. Da kam mir die Idee, beim Lingener Hospizverein anzufragen, ob ich dort eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin beginnen könne.
MI: „Der Mensch hat gegenüber den Widrigkeiten des Lebens drei Dinge zum Schutz – die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen“, sagt Immanuel Kant. Seht Ihr das auch so? Hilft das Lachen tatsächlich in frustrierenden, traurigen oder gar verzweifelten Lebensmomenten? Irgendwann ist doch „Schluss mit Lustig“, oder?
OM: Lachen befreit und löst Spannungen im Körper. Und Humor ist für mich eine essentielle Art und Weise, um gepaart mit Mut, zu neuer Hoffnung und Energie zu gelangen. So fällt es leichter den Alltag mit seinen Widrigkeiten entgegen zu treten, ihn womöglich zur Seite schieben und dadurch entspannen zu können.
Obwohl es schon große Unterschiede in der Qualität des Humors gibt. Ablenkung durch moderne Medien, Musik oder Büchern funktionieren sicherlich auf einer Ebene, hat jedoch meistens keinen direkten Bezug zur Person.
Ich persönlich bevorzuge die Auseinandersetzung und punktuelle Vergrößerung von Ereignissen, um die Absurdität im Kontext besser wahrzunehmen. Durch Vergrößern, Verkleinern und Überziehen von z.B. Bewegungen, Emotionen oder Gegebenheiten ein Bild zu kreieren, das amüsiert, regt aber auch zum Denken an und ist für mich daher erstrebenswert. Welche Art des Humors zu einem Menschen passt, vermag ich allerdings nicht zu sagen.
Wir Klinikclowns arbeiten immer mit dem Menschen vor uns im Fokus und seinen Bedürfnissen.
Jedem Menschen sollte die Möglichkeit geboten werden, sich zurückziehen zu können. Letztendlich ist das Zimmer (in einem Krankenhaus, Pflegeheim oder Palliativstation) der private Raum und in dem Augenblick das Zuhause desjenigen. Respekt ist oberstes Gebot, sowenig man das in erster Instanz von Clowns erwarten mag. Deshalb muss man wissen, dass wir Clowns immer erst klopfen und fragen ob wir das Zimmer betreten dürfen.
Diese Zimmertüren werden über den Tag verteilt durch umsorgendes Pflegepersonal, Ärzte, evtl. Therapeuten und besorgten persönlichen Besuch geöffnet. Die Krankheit/der körperliche Zustand steht immer im Raum, und spätestens bei Türöffnung wird diese wieder in den Vordergrund gebracht. Das kostet Kraft.
Wir Clowns legen es ist nicht zwingend aufs Lachen an, sondern reichen vielmehr eine Hand, um für einen Moment aus dem streng durchgeplanten (Klinik-)Alltag, auszubrechen und zum Durchatmen zu kommen.
Durch das Betreten des Zimmers wird, schon alleine durch unser anderes Auftreten, der Alltag durchbrochen, eine Pause bewirkt, die Aufmerksamkeit geht nach außen und eigene Assoziationen kommen nach oben.
Je nach Zustand des Patienten wird nach einer kurzen Begrüßung erst einmal mit einer kleinen Improvisation, die durch ein kleines Detail im Zimmer, sei es ein Gegenstand, ein Wort oder Anderes, begonnen und die Richtung der Improvisation mit Einfühlungsvermögen, zusammen mit dem Gegenüber, weitergeführt. Die emotionale Antwort darauf bestimmt unseren nächsten Schritt. Je nach Alter, Kraft, Gefühlslage und Bedürfnis wird entweder mit oder ohne aktiven Part des Patienten weitergespielt, besondere Lieder aus der Vergangenheit mit- oder vorgesungen, Erinnerungen geteilt und manchmal sogar mitgeweint, wenn es nötig ist. Was immer gerade da ist, darf nach außen, ohne dass wir bewerten. Wir Clowns haben keine Funktion im (Klinik)Alltag, keinen (gesellschaftlichen) Status, wir sind Verbündete, wo immer die Reise in dem Augenblick hingeht. Einen Moment imaginär durch andere Türen treten und einfach sein zu dürfen, bietet in gewisser Weise Entspannung und Erleichterung.
Stark in Erinnerung geblieben ist mir ein Patient, der im Sterben lag, mit dem wir uns oben im Himmel verabredet haben. Er wollte sich schon mal umschauen und alle Sehenswürdigkeiten und Geheimtipps auskundschaften, sodass er uns dann rundführen könne.
WK: Ich kann mich an eine Trauerbegleitung erinnern, die nach einem halben Jahr in eine musikalische Begleitung überging. Es stellte sich heraus, dass die Dame Geige spielte und ich Klavier. Plötzlich war ihr Lebenswille wieder geweckt und die vielen geweinten Tränen brachen jetzt in anderer Form durch. Wir mussten zwischendurch so viel lachen, weil wir dermaßen falsch spielten, dass wir immer wieder von vorne anfangen mussten. Sie fing wieder an Unterricht zu nehmen und hatte plötzlich ihre Freude am Leben wieder gefunden.
MI: Gegen Angst hilft Lachen, sagt man. Ist das dann eher eine Art von Galgenhumor oder eine Befreiung? Wie sind Eure Erfahrungen, in beklemmenden Situationen, am Krankenbett oder sogar am Sterbebett zu lachen?
OM: Wie ehrlich und echt ein Lachen ist, das ist anfänglich manchmal, dank den sozialisierten Masken die wir tragen, schwer zu erkennen.
Wichtig ist, dass man sehr feinsinnig mit den Umständen, die zu dem Aufenthalt geführt haben, umgeht und mit viel Liebe und Zuwendung aufeinander zugeht. Alter und Kraft des Patienten spielen hier eine große Rolle. Authentizität ist sehr wichtig. Auch sollte es der Person ermöglicht werden, passiv teilzunehmen, so dass keine negativen Umstände im Raum stehen wie Zwang, Schuldgefühle oder Scham. Doch ich denke, dass in Anlehnung an das Konzept Lach-Yoga auch ein halbherziges Lachen die Möglichkeit in sich birgt, ein Lachen aus tiefem Herzen zu werden.
Wichtig ist, dass der Mensch gegenüber teilnehmen darf und nichts muss, dass er in seinen angebenden Grenzen wertgeschätzt wird!
WK: Ich kann von unserem Trauercafe berichten, in dem viele traurige Gespräche stattfinden, aber bei uns wird auch gelacht und geweint. Und davon wird reichlich Gebrauch gemacht. Es gibt Menschen, die bei uns zum ersten Mal wieder lachen und dabei gleich ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie meinen, dass der Zeitpunkt nach dem Tode ihrer Angehörigen dieses eigentlich noch gar nicht zulassen dürfte. Aber gleich darauf antworteten einige, wie gut ihnen das Lachen doch getan hätte.
Bei einem meiner Erstbesuche am Krankenbett eines Sterbenden in einem stationären Hospiz musste ich richtig lachen. Als ich ihn fragte, wie die Begleiterin oder der Begleiter sein sollte, der ihn in den kommenden Tagen besuchen würde, erwiderte er: „Ach, wissen Sie, Frau Kupfer, ich konnte nie dicke Frauen leiden, wenn es geht, möchte ich eine schlanke, blonde Frau an meinem Bett haben. Schön wäre es, wenn sie auch Platt sprechen könnte“ Ich sagte dann zu ihm: „Einen Katalog von unseren Ehrenamtlichen haben wir zwar noch nicht, wo es nach Größe, Form und Aussehen geht, aber mal sehen, ob ich Ihre Wünsche erfüllen kann“. Schon war das Schwere für einen Moment in den Hintergrund getreten und wir mussten beide herzhaft lachen. Auch dieser Mann sagte dann: „Wann habe ich das letzte Mal richtig lachen können“. Das sind wunderbare Momente, die mich als Hospizmitarbeiterin ganz glücklich machen, sterbenden oder trauernden Menschen ein wenig Normalität zu geben.
MI: Auf der Homepage von Christian Heeck, Dipl.-Pädagoge, Maler und Kunstvermittler, der auch u. a. Seminare für Hospizinitiativen abhält, fand ich folgende Aussage: „Humor heißt, die Einsicht in das Unabänderliche anzunehmen.“ Das erinnert mich an eine altbekannte Redensart: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht!“ Wie ehrlich oder echt ist es, wenn Menschen– große wie kleine – in einer solchen Situation lachen?
OM: Humor bricht Strukturen auf, lockert Situationen und den Umgang damit. Der Alltag ist meist streng durchgeplant und alle „Programmpunkte“ werden mit gewissenhaftem Engagement umgesetzt, was auch sinnvoll ist, um die Ausgangssituation zu verbessern.
Doch dazwischen ist es wichtig, Kraft zu schöpfen, zu entspannen und das Erlebte zu verarbeiten. Dabei kann der Humor in den richtigen Dosen eine große Unterstützung sein.
Ein Besuch in Anwesenheit der Angehörigen hat ganz klar Vor- und Nachteile.
Nachteil in dem Sinn, dass die Aufmerksamkeit sich auf alle Menschen verteilt und der Patient sich im Spiel wahrscheinlich nicht komplett fallenlassen kann. Seine Schwäche bleibt verborgen, wobei doch gerade das vermeintlich Unperfekte großes Potential bergen könnte, was seine positive Wirkung angeht. Es könnte auf einer ganz anderen Ebene gearbeitet werden.
Auf der anderen Seite ist es gewiss eine sichere, familiäre Atmosphäre mit Angehörigen. Es wird einander unterstützt, miteinander gespielt, geredet und genossen. Das kann dem Familienverbund sehr gut tun, ganz zu schweigen von dem gemeinsamen Erlebnis, das kommuniziert werden kann.
Es gibt aber auch Besuche, wo der Fokus mehr auf den Angehörigen liegt. Das Schicksal der geliebten Person zerrt auch enorm an den Kräften der Angehörigen. Manchmal macht sich Ohnmacht breit und wir schenken ihnen Aufmerksamkeit mit offenem Ohr und Herzen.
Unsere „Parteilosigkeit“ gibt ihnen die Chance ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Ob im Spiel oder im gesprochenen Wort, auch hier wieder ohne Bewertung. Die Rolle des Clowns birgt viele Möglichkeiten, auch die eines seriösen Gespräches, wenn nötig.
WK: In einem Kinderhospiz weiß ich aus Erfahrung, dass der Umgang mit dem Sterben ganz anders angenommen wird als bei den Erwachsenen. Von Kindern können wir sehr viel lernen, sie fallen von einer Euphorie in eine grenzenlose Traurigkeit, gerade haben sie noch geweint, schon wird wieder gelacht; aber sie haben ein Feingefühl dafür, ob die Erwachsenen ehrlich mit ihnen umgehen.
Wie schon erwähnt, gibt es Situationen, in denen Schwerstkranke für einen Moment vergessen, dass sie sterben werden. Vor Angehörigen passiert es, dass sie durch Mut machende Sätze wie „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, ihre Situation überspielen. Aber uns Hospizlern gegenüber äußern sie meist ihre Hoffnungslosigkeit und ihre Ängste.
MI: Welchen Sinn hat Humor im Umgang mit Patienten oder Angehörigen?
OM: Ich halte Lachen generell für befreiend, der Mensch baut schon alleine durch die veränderte Atmung Spannung ab und ermöglicht dadurch seinen Muskeln, sich zu entspannen. Die ständige Alarmbereitschaft des Körpers kostet geistig und körperlich viel Kraft, die sich irgendwann auch erschöpft. Es gibt zwar bestimmte Übungen, um dem Körper Signale zu übersenden die zur Lockerung führen können, doch gelingt es nicht immer, sich selbst aus diesem Zustand zu befreien.
Darum erachte ich auch meine Arbeit als menschliche Hilfestellung.
Ich selbst habe lange Zeit auf einer Palliativ-Station gearbeitet, auf der mir sterbende Menschen begegnet sind. Sich mit dem eigenen Schicksal abzufinden ist eine Sache, der Umgang damit jedoch eine ganz andere. Die Bedürfnisse sind ganz unterschiedlich und abhängig von der eigenen Geschichte. Solange ein Mensch nicht komplett in Ignoranz und Ablehnung versinkt, ist vieles an Begleitung und Hilfestellung möglich. Auch Galgenhumor kann ein Ausgangspunkt sein, um langsam in milderes Fahrwasser zu gelangen und auf seine Art Frieden zu finden. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Akzeptanz. Ob biografische Arbeit zu dem Thema oder die Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt, das ist jedem nach eigenem Können und Vermögen selbst überlassen.
Humor ist für mich ein bedeutender Teil eines Verarbeitungsprozesses und Brunnen für neue Kraft und Hoffnung.
Das Gefühl gesehen zu werden, zusammen zu sein, unabhängig vom Zustand, ist eines jeden Grundbedürfnis – auch wenn wir durch verschiedene Sozialisierungen und Erfahrungen geprägt sind. Es passiert, dass wir von wachsamen Mitarbeitern in Zimmer von Einzelgängern geschickt werden. Nicht selten kann gerade eine Handpuppe, wie z.B. der wuschelige Schoßhund den Link legen und die Schutzmauern überwinden. Die Handpuppe wird zugelassen und somit letztendlich auch wir – darüber entwickelt sich ein direkter, herzlicher Kontakt.
Es ist schwer zu sagen, inwiefern sich jemand nachhaltig gestärkt, befreit oder erleichtert fühlt, da wir ihre Befindlichkeit vor und nach unserem Besuch nicht von einem neutralen Standpunkt überprüfen können. Doch ist die Atmosphäre im Zimmer am Ende unseres Besuches positiver und der emotionale Zustand des Bewohners/Patienten gestärkter und erleichtert. Meist ist das mit der Bitte verbunden, wiederzukommen.
Erstaunte Rückmeldungen vom Personal über den innigen Kontakt bestätigen uns darin. Die Rolle des Clowns bietet Kontaktpotential, da wir keinen offiziellen Auftrag zu haben scheinen. Er hat keine erzieherische Rolle, keinen pädagogischer Finger, er ist kein Verkäufer und kommt sicherlich nicht im Auftrag von Herrn Knigge.
WK: Es ist der Versuch, den Patienten und auch die Angehörigen ein wenig von ihren Ängsten und Sorgen abzulenken.
Es gibt ein jüdisches Sprichwort: „Tränen, die man gelacht hat, muss man nicht mehr weinen.“ Ich sage immer:“ Lassen Sie ihren Tränen freien Lauf. Wie oft duschen wir unseren Körper, und unsere Seele will auch duschen, daher müssen die Tränen fließen“. Das wird gut nachempfunden. Auf unserem Tisch im Trauercafe stehen immer Kleenextücher. Man ist schnell in Versuchung, diese beim Weinen anzureichen. Doch ich bin sehr dafür, dass die Tränen fließen sollen. Es darf gelacht und geweint werden, dafür bieten wir in unseren Räumen einen beschützenden Rahmen an, es wird auch nicht beurteilt und bewertet.
MI: Ihr wisst, dass die Personen, die Ihr besucht, sehr krank sind oder vielleicht auch bald sterben werden. Habt Ihr nicht hin und wieder Bedenken oder auch ein Ohnmachtsgefühl, dass der Funken vielleicht nicht überspringt oder Euer Konzept bzw. die Informationen, mit denen Ihr in ein Gespräch oder einer Clownvisite geht, nicht wirksam werden? Habt Ihr es schon erlebt, dass Personen Euch feindselig gegenüber stehen?
OM: Hier kann ich nur sagen, dass die Ausbildung eines jeden Clowns grundlegend wichtig ist.
Das Fundament ist Kenntnis über die eigenen Stärken und Schwächen und die vorhandenen potentiellen Knöpfe die wir in uns tragen. Sie werden thematisch er- und bearbeitet und dienen als Grundlage der eigenen Clownsfigur. Nur so kann eine authentische Verspieltheit entwickelt werden. Aufgesetzte Handlungsweisen und Reaktionen werden vom gegenüber unbewusst sofort entlarvt und blockiert, da sie meist eher Kraft kosten als schenken.
Darüber hinaus erlernen wir einen Rucksack voll mit Handwerkszeug an Schauspiel- und Improvisationstechniken, auf die wir jederzeit zugreifen können.
Es passiert natürlich manchmal, dass kein richtiger Kontakt zu Stande kommt oder wir einen Hänger haben. Das ist nur menschlich und es ist wichtig, das nicht zu verurteilen. Wir Menschen haben gerade in unserer Zeit einen sehr hartnäckigen kleinen Kritiker auf unserer Schulter sitzen, der uns oft am Wachsen hindert. Doch im nächsten Zimmer bieten wir wieder unsere Hand und unser Spiel an.
Auf Feindseligkeit treffen wir selten, da wir durch unser Anklopfen eine Rückzugsmöglichkeit bieten. Es kommt eher vor, das Außenstehende, durch Unwissenheit über unsere Arbeit in Strenge verfallen, da sie ein Bild von tollpatschigen, jonglierenden Clowns in ihren Köpfen haben, die über das Interieur fallen und Witze erzählen. Dort wird der Beschützerinstinkt geweckt – grundlegend nicht verkehrt angesichts unserer gesellschaftlichen Entwicklung, die sich von einem Miteinander entfernt hat und zum Egoismus tendiert. Hier ist Offenheit gefragt und die Bereitschaft zur Kommunikation.
WK: In den ersten 6 Jahren meiner Hospizarbeit war ich als Sterbebegleiterin tätig. Das war oft sehr schwer, vor allem wurde man immer wieder mit seiner eigenen Endlichkeit konfrontiert. Aber wer schon einmal am Bett eines Sterbenden gesessen hat und vielleicht auch das Glück hatte, in der Sterbestunde dabei sein zu dürfen, weiß, welch ein Frieden, welch unglaubliches Ereignis sich da abspielt. Ich durfte es bei meiner Mutter erfahren, wie sie von einer Minute zur anderen wirklich ihr Leben „aushauchte“. Man kann es kaum beschreiben, wie ein sich bis dahin vielleicht schmerzverzerrtes Gesicht verwandelt und die Gesichtszüge sich entspannen. Ein Ohnmachtsgefühl habe ich noch nie empfunden, grenzenlose Traurigkeit wohl bei jungen Menschen, die durch einen Suizid ihr Leben beendet haben. Da habe ich die Verzweiflung und die Schuldgefühle der Angehörigen zu spüren bekommen. Diese Begleitungen sind besonders schwer.
MI: Biologen vermuten, dass das Lachen im Gehirn die Produktion von Endorphinen anregt. Dadurch werden verschiedene Hormonspiegel beeinflusst, die mit Freude zusammenhängen und unsere Psyche positiv beeinflussen! Warum lacht der Mensch dann so wenig? Hat er nichts mehr zu lachen?
OM: Unsere schnelllebige Zeit verlangt Produktivität von uns. Nicht nur im Berufsleben sondern auch im Privatleben hat man erfolgreich zu sein. Das perfekte Zuhause, eine große Zahl von materiellen Ansammlungen und Statussymbolen, ein ästhetischer Körper, eine perfekt funktionierende Familie, motivierte Hobbyisten, die sich gerne aneinander messen. Gesellschaftlicher Status ist, auch dank sozialer Medien, immer wichtiger. Doch woher nimmt man all die Zeit dafür? Der Mensch nimmt Zeiteinbußen in Kauf, die auf Kosten der eigenen Kraft gehen. Was, wenn etwas schief geht, das Schicksal einem ein Bein stellt und man unweigerlich aus dem Perfektionismus fällt? Sind wir dann weniger wert? Was sind überhaupt unsere Werte – die oben aufgeführten?
Wir laufen an uns vorbei. Für einen Moment bei sich und seinen eigenen Gefühlen innezuhalten wird beinahe unmöglich gemacht. Meist wird das Fernsehen als Mittel der Entspannung gewählt, bewusste geistige Unterforderung nennt es Roger Willemsen. Doch diese Zeit ist durch mangelnden persönlichen Bezug leider wenig effektiv und führt uns eher weiter Weg von uns selbst.
Es wird eher übereinander gelacht und selten nur noch miteinander.
Eine ungesunde Entwicklung.
Doch gibt es zur gleichen Zeit einen neuen Markt für Selbstfindungskurse, meditative Malbücher für Erwachsene und den Trend zur Nachhaltigkeit. Das Bedürfnis ist da und ich glaube, dass wir mit genügend Liebe und Willen wieder in das Hier und Jetzt kommen können, anstelle vom Blick in die Zukunft oder in die Vergangenheit. Und somit auch wieder zu einem neuen Miteinander, in dem auch Raum für Lachen ist.
WK: Ich finde es schon schlimm, dass man heute z.B. Lachyoga anbieten muss, um die Menschen mal wieder zum Lachen zu bringen. Wir nehmen vieles zu ernst und vergessen vor allem, im Jetzt zu leben und die Sinne für das Schöne zu sensibilisieren.
MI: Was bewirken Eure Besuche bei Euch selbst? Ihr habt in Eurer Ausbildung gelernt, sich ganz dem Gegenüber, dem Kind, den Eltern oder den Trauernden zu widmen. Das heißt, ihr unterbindet in diesen Momenten Euer eigenes Empfinden, damit Eure Befindlichkeiten das Gespräch nicht beeinflussen oder in eine andere Bahn lenken können. Wie sieht es später in Euch aus, seid Ihr da ganz Profis und könnt Euch im Tagesgeschehen ganz normal einbringen? Welches Gefühl würde Euch entsprechen: Klappe, die nächste oder ich brauche jetzt eine Auszeit?
OM: Ich für meinen Teil kann meine eigenen Gefühle nicht einfach ausschalten, doch ist es schon so, dass durch das Zeremoniell des Umkleidens langsam der Alltag und das eigene Befinden in den Hintergrund rücken. Ich liebe meine Arbeit und den dadurch produktiven Kontakt zu Menschen.
Ich freue mich auf jeden Kontakt, so schwierig das Schicksal auch sein mag. Ein Mensch ist gleichzeitig auch ein individuelles Geschichtsbuch mit einzigartigen Qualitäten, die ich sehr schätze. In gewisser Weise lerne ich durch jeden Besuch und empfinde es auch als Ehre, teilhaben zu dürfen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Wir Clowns müssen durchlässig sein, um im Kontakt genau spüren zu können, wo die Bedürfnisse liegen. Sicherlich sind viele Momente sehr ergreifend, aber abschütteln und zum nächsten Punkt überzugehen wäre falsch und für mich auch undenkbar.
Vielmehr ist die Verabschiedung des Menschen genauso ein Zeremoniell wie das Ankleiden bzw. die Begrüßung. Das Erlebte rückt mit sanftem Schließen der Tür in den Hintergrund, auch wenn eine Grundstimmung bleibt, es ist als Clown spielbar und sorgt dadurch für Vielschichtigkeit und Authentizität eines Clowns. Eine aufgesetzte Freude und ein dadurch meist einhergehender Aktionismus ist kontraproduktiv, denn im nächsten Zimmer begegnen uns wieder ein paar Augen, mit ihrer eigenen Geschichte, die dann in den Vordergrund treten und einen neuen Spielzyklus einläuten.
Meist machen wir zwischendurch eine kurze Pause, um uns zu besprechen oder es wird bei Bedürfnis auf dem Flur mit dem Kollegen die eigene Erfahrung geteilt. Raum für Austausch und Verarbeitung ist sehr wichtig.
Ich habe das Glück, dass ich immer einige Zeit im Auto verbringe und somit den Einsatz sacken lassen kann. Meist singe ich dabei ausgiebig, um eventuelle Restspannung aus dem Körper zu bekommen. Wenn das nicht ausreichend ist, schwinge ich mich noch aufs Rad und suche evtl. noch einmal das Gespräch mit Kollegen oder dem eigenen Partner. Natürlich haben wir Clowns auch die Möglichkeit der Supervision, wenn eine Thematik uns nicht loslässt.
Schließlich sind wir auch nur Menschen und niemand wird allein gelassen.
WK: Das oberste Gebot für uns im Hospiz lautet: bei den Sterbebegleitungen nicht „Mitzusterben“ und uns „Zurückzunehmen“. Wir werden durch Supervisionen gut aufgefangen. Ich kann von mir selbst nach 13 Jahren Hospizarbeit sagen, dass ich einen guten Weg für mich gefunden habe. Sicher fließen auch bei mir in besonders schweren Situationen die Tränen, aber dafür brauche ich mich vor Trauernden oder Sterbenden nicht zu schämen. Nach jeder Begleitung haben wir eine gewisse Auszeit, um Kraft zu sammeln für das Kommende. Jede Begleitung ist anders. Es gibt kein Rezept, nach welchem Muster man vorgehen kann. Ich gehe seit dem Beginn meiner Hospizarbeit mit meinem Leben sehr bewusst und vorsichtig um, das ist ein Geschenk meiner ehrenamtlichen Tätigkeit.
MI: Abschließend noch zwei Fragen individuell an die Interviewpartnerinnen gerichtet:
MI: Die Idee zu diesem Interview kam mir bei einem Gespräch mit Dir, Olinda. Du hast vor ein paar Wochen in eigener Regie mit einer Kollegin, die auch Deine Mutter ist, eine Flüchtlingsunterkunft in Rheine besucht. Wie gingen die Kinder und auch deren Eltern in dieser für sie ungewissen und beunruhigenden Situation mit Eurem Besuch um? Ist diese Form von Humor, die „Clownerie“ in diesen Kulturkreisen bekannt?
OM: Die Bilder von den vielen verzweifelten Menschen, die in den widrigen, gefährlichen Umständen an den Grenzen Europas eintrafen; die leeren, traurigen, abgestumpften Augen der Kinder, die in die Kamera blickten, ging uns wie vielen anderen auch, bis ins Mark.
Sofort war klar, dass wir mit unseren Ressourcen helfen wollen. Durch darauffolgend aufgenommenen Kontakt zu einer lokalen Flüchtlingsunterkunft, konnten wir unser Vorhaben realisieren. Wir wollten nicht thematisch zu den aktuellen Ereignissen arbeiten, sondern nur ein wenig Leichtigkeit und Entspannung in den Alltag der Geflüchteten bringen.
In vielen Kulturen gibt es eine Figur die inhaltlich der des Clowns ähnelt. Man denke da nur an unseren mittelalterlichen Harlekin, der im europäischen Raum stark verbreitet war. Der einzigen Person, der es gestattet war, die Wahrheit der damaligen Sozialisation in überzogenen, verspielten Darstellungen dem Adel zu präsentieren, auch wenn es ihn manchmal den Kopf gekostet hat. Die Rolle des Clowns mit ihrer Funktion ist weit verbreitet, auch wenn das Aussehen grundlegend anders ist. In wie weit das auch auf den orientalischen Raum zu trifft, vermag ich nicht zu sagen.
Unsere Kleidung ist fröhlich und ein Farbklecks im grauen Alltag, der schon in gewisser Weise der erste Türöffner sein kann.
Ich hatte innerlich vor dem ersten Besuchsbeginn mit allen inhaltlichen Motivationssätzen, beinahe wie ein Mantra, probiert, mich so stark wie es mir möglich war aufzustellen, um so lange wie möglich mit authentischer Präsens in den Kontakt zu gehen und so viele Menschen wie möglich erreichen zu können. Doch beim Anblick der sehr ernüchternden Unterkunftsumstände war mir doch etwas mulmig zu mute, was aber nicht lange anhielt, denn schnell entdeckt von den herumstreunenden Kindern, verbreitete sich die Nachricht von unserer Ankunft wie ein Lauffeuer.
Uns begegneten Kinder aller Altersstufen, mit offenem Herzen, Armen und der innigen Bereitschaft einen Moment mitgenommen zu werden, wo immer die Verspieltheit uns hinführte. Der innerliche Wunsch und Überlebensdrang, die natürliche Neugierde und der Wille positives zu erleben, war überwältigend stark und für mich ein kleines Wunder, das mir viel gegeben hat.
Lachen funktioniert auf allen Sprachen gleich – Kommunikation ist bis zu einem gewissen Grad durch Körpersprache möglich. Bestes Beispiel dafür sind die alten Stummfilme und Pantomime. Freies Spiel bedarf keiner Worte, nur die Bereitschaft teilnehmen zu wollen und evtl. etwas Phantasie, von der Kinder meist ausreichend haben.
Nach dem einführenden Improvisationsspiel, bei dem die Kinder uns erst beobachtend kennenlernen und für sich festlegen konnten, ob sie weiter passiv oder gar aktiv teilnehmen möchten, wurden sie miteinbezogen. Es gab leises, kleines und feines Spiel aber auch lautes, großes Spiel. Es fiel auf, dass diese Kinder großen Genuss an Bewegungen haben. Meist mussten sie während ihrer Reise nach Europa und auch Deutschland ruhig, still und kontrolliert sein. Das muss kompensiert werden und baut gleichzeitig das Stresshormon im Körper ab. Instinktiv scheinen Kinder zu wissen, was sie brauchen.
Im Hintergrund standen, mit strengen Augen beobachtend, die Familienmitglieder.
All die Sorgen, Ängste, Verzweiflung, Schmerz, schrecklichen Bilder und Erfahrungen haben ihre Gesichter und Augen tief geprägt. Doch alles, was ich in diesem Moment für sie tun konnte, war mit viel Zuneigung und Respekt auch sie zu begrüßen und Ihren Kindern etwas Leichtigkeit zu schenken. Ich hatte den Eindruck, dass dadurch auch den Angehörigen indirekt eine kleine Auszeit geschenkt wurde, denn die Strenge wandelte sich bei Verabschiedung von den Erwachsenen. Es lag Dankbarkeit in den Augen, die mich ins Herz traf.
Der Mensch ist eine faszinierende Spezies. Wir bergen solch beeindruckende Kraft in uns, die mit Hilfestellung aktiviert werden kann, dass ich glaube, dass wir, die das Glück haben in mehr oder weniger sicheren, friedlichen Lebensraum geboren zu sein, mit vereinter Kraft viel bewegen können und auch an emotionalem Reichtum gewinnen.
Aufbauend auf einem Phasenmodell der Trauer von Elisabeth Kübler-Ross, einer schweizerisch-US-amerikanischen Psychiaterin, wurde immer wieder auch von anderen Autoren versucht, den Verarbeitungsprozess bei der Bewältigung mit einem existentiell bedrohenden Thema in Phasen auszudrücken. Das reicht von der Leugnung und dem Nicht-wahr-haben-wollen ganz am Anfang, über das Loslassen bis hin zur Akzeptanz. Ist der Mensch, der sich in einem Trauerprozess befindet, in jeder der Phasen für Humorvolles zugänglich oder muss man zum Lachen erst „abgeklärt“ sein?
WK: Ich halte von diesem Phasenmodell gar nichts, weil es nicht der von mir erlebten Realität entspricht, vor allem verlaufen die Phasen nicht in der beschriebenen Reihenfolge. Von Elisabeth Kübler-Ross weiß ich – ich habe all ihre Bücher gelesen -, dass sie diese Phasen sehr ausführlich beschrieben hat. Aber wer ihren Film gesehen hat, weiß auch, dass Theorie und Praxis an ihrem Lebensende ganz anders ausgesehen haben, da blieb das Humorvolle total auf der Strecke! Jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod, wieweit das Humorvolle da Platz hat, hängt vielleicht sehr viel davon ab, wie er gelebt hat.
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