Deutschlandtour
Die Universitätsstädte

Tübingen (Foto: Arnold Illhardt)
Tübingen (Foto: Arnold Illhardt)

Marburg – Tübingen – Schluchsee (Wutachschlucht) – Freiburg – Heidelberg

Früher habe ich Deutschland nie als ein mögliches Urlaubsland gesehen. Selten verbrachte ich in jungen Jahren mit meinen Eltern Urlaub in meinem Heimatland, wir sind eher nach Holland und nach Österreich gefahren. Ich war daher sehr neugierig auf diesen Urlaub, habe ich doch Marburg in der Vergangenheit schon flüchtig kennengelernt und bin durch viele Veränderungen in meinem Leben offener für vieles, insbesondere für versteckte Schönheiten, geworden. Zudem habe ich alte historische Städte schon immer sehr zu schätzen gewusst, war es doch mein ursprünglicher Berufswunsch, Kunstgeschichte zu studieren.

 

Marburg (Foto: Arnold Illhardt)
Marburg (Foto: Arnold Illhardt)

Marburg

„Die alte, von jeher durch den letzten Aufenthalt, Tod und Begräbnis der heiligen Landgräfin Elisabeth von Hessen berühmte Stadt, liegt krumm, schief und buckelig unter einer alten Burg, den Berg hinab“.  (Johann Heinrich Jung-Stilling, Professor an der Marburger Universität, vor ca. 200 Jahren)

..aber trotzdem fand er es sehr angenehm, in dieser Stadt zu wohnen.

Die wunderschöne romantische Stadt Marburg liegt am Ufer des Flusses Lahn und ist die siebtgrößte Stadt Hessens. Neben den bekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie die Elisabethkirche und das Landgrafenschloss, steht hier die älteste protestantisch gegründete Universität Europas (oder der Welt?), die immer noch existiert und jedes Jahr viele Studenten aufnimmt. Zu den berühmtesten Studenten der Stadt gehörten übrigens die Gebrüder Grimm. Die Philipps-Universität prägt mit ihren Bauwerken und den zahlreichen Studenten maßgeblich die Stadt. Die Altstadt, die in Marburg „Oberstadt“ genannt wird, zieht sich romantisch den Berg hinauf und so manches Mal fragte ich mich, wie es hier wohl im tief verschneiten Winter aussehen mag. Autofahren muss hier gekonnt sein! Durch ihr Aussehen, das seit Jahrhunderten nicht wesentlich verändert wurde, zieht die Altstadt jedes Jahr unzählige Touristen an.

Hoch über der Altstadt thront das Schloss, in dem sich 1529 die beiden Reformatoren Zwingli und Luther trafen, das „Marburger Religionsgespräch“ ist geschichtlich ein wichtiger Bestandteil der Reformation. Bedeutend wurde die Stadt aber schon früher, durch die Heilige Elisabeth. 1228 zog sie als Landgräfin Elisabeth von Thüringen nach Marburg und wählte hier ihren Witwensitz. Sie galt damals schon als warmherzige, selbstlose, mitfühlende und aufopferungsvolle Frau. Sie gründete hier ein Hospital und kümmerte sich selbst um die Kranken und Gebrechlichen. Viele Legenden ranken sich um die Heilige Elisabeth, die schon mit 24 Jahren starb und bereits 1235 heiliggesprochen wurde. Im selben Jahr noch baute der Deutsche Orden über ihrem Grab eine Kirche, die als Elisabethkirche heute noch Pilger aus ganz Europa anzieht. Die Elisabethkirche zählt zu den schönsten Bauwerken in Marburg.

Als ich vor vielen Jahren das erste Mal in Marburg war, zündete ich in der Elisabethkirche eine Kerze an. Es war zu der Zeit, als mein Leben grau war. Tief versunken saß ich auf einer Kirchenbank und ich verspürte ein ruhiges beschützendes Gefühl. Ich kam damals hierher weil ich diese Frau bewunderte, die auf  ihre weltlichen Güter verzichtete, um sie den Armen und Kranken zugutekommen zu lassen.

Ich finde diese Stadt wohltuend. Keine hektischen Shopping-Besucher strömen durch die Fußgängerzone und bestimmt wird sie durch kleine aber geschmackvolle Geschäfte! Darüber hinaus sind die Häuser der Altstadt durchweg ein Augenschmaus!

 

Tübingen

Menschen, Menschen! was ist euer Leben,

Eure Welt, die tränenvolle Welt,

Dieser Schauplatz, kann er Freuden geben,

Wo sich Trauern nicht dazu gesellt?

O! die Schatten, welche euch umschweben,

Die sind euer Freudenleben.

                                          (Friedrich Hölderlin)

Venedig hat seine Gondeln mit den charmanten Gondoliere, die ihre Arien schmettern, aber Tübingen hat seine Stocherkähne und Stocherer (wie die Gondoliere hier heißen), die Gedichte von Hölderlin deklamieren.

Tübingen (Foto: Arnold Illhardt)
Tübingen (Foto: Arnold Illhardt)

Durch ungemütlichen Nieselregen spazierten wir über die grüne Neckarinsel und bewunderten die 180 Jahre alten Platanen. Der Regen machte uns nicht viel aus, wussten wir doch, dass uns eine schöne Stadt erwartet. Wenn man seinen Blick links wendet erhebt sich hinter dem Neckar die Stadt und der romantische Anblick nimmt einen gefangen. Vom Park kann man den Hölderlinturm sehr gut sehen. Und wie alle anderen Touristen auch verewigen wir diesen Anblick mit der Kamera. Der Turm wurde über viele Jahre von Hölderlin bewohnt, er starb hier 1843.

Über eine Brücke gelangt man in die Altstadt mit seinen wunderschönen Fachwerkhäusern. Kleine romantische Gassen durchziehen diesen Teil Tübingens  wie ein Geflecht. An diesem Abend wurde hier ein umbrisch/provencalischer Markt veranstaltet. Viele Händler standen hier mit Kunstgewerbe und leckeren Gerichten. Den wunderschönen Markt konnten wir in seiner ganzen Pracht daher erst am nächsten Tag bewundern. Dutzende von kleinen gemütlichen Lokalen gibt es und zwischendurch öffnen sich die Straßen zu heimeligen Plätzen. Die Stadt verströmt einen unglaublichen Charme.

Überall stoßen wir auf Erinnerungen an Hölderlin, Mörike und andere Dichter und Denker. Auch Dietrich Bonhoeffer hielt sich für längere Zeit in Tübingen auf. Viele bekannte Persönlichkeiten arbeiteten, lehrten oder studierten in der Stadt am Neckar. Neben den Universitäten finden sich hier auch mehrere Forschungsinstitute. Bei meinen Recherchen über die Stadt fand ich folgende Angabe: auf 81.000 Einwohner kommen rund 25.000 Studenten. Am Schlossberg gelegen kann man das Tübinger Stift bewundern. Es wurde 1536 gegründet und neben Hölderlin und Mörike studierten hier auch Hegel, Schelling, Kepler und Hauff.

Nicht nur die Stadt und die Universitäten sind beeindruckend, Tübingen hat auch mehrere interessante Museen. Wir besuchten die Tübinger Kunsthalle, in der eine sehr beeindruckende Ausstellung von Spiridon Neven DuMont zu bewundern war. Ein interessanter junger Mann, leider sehr früh verstorben. Bei vielen unserer eigenen Kunstobjekte haben wir uns durch Spiridon inspirieren lassen.

Wir verlassen diese stolze schöne Stadt und fahren weiter gen Süden in den Hochschwarzwald.

 

Wutachschlucht (Foto: Arnold Illhardt)
Wutachschlucht (Foto: Arnold Illhardt)

Schluchsee und Wutachschlucht

Dass der Schluchsee die höchstgelegene Talsperre Deutschlands ist, wussten wir nicht. Als wir aber abends ankamen, spürten wir es: es war es mit 3 Grad bitterkalt und am Morgen zeigte sich der erste Raureif. Viel gesehen haben wir von der Talsperre nicht, wir blieben hier nur zwei Nächte. Der Campingplatz war auf Touristenmassen eingestellt und auch die Orte am See waren für unseren Geschmack eher nichtssagend. Aber vielleicht waren wir ja auch nach Marburg und Tübingen verwöhnt.

Der Schluchsee ist ein beliebtes Ferienziel für Familien und bestens geeignet zum Baden und Segeln und gehört zu den saubersten Badeseen in Deutschland. Wanderwege sind rund um den See angelegt und die 18 km sind eben und gut zu bewältigen. Auch mit dem Kinderwagen und dem Rad!

Den Tag verbrachten wir einige Kilometer entfernt in der Wutachschlucht. Diese Wanderstrecke hatten wir uns herausgesucht, denn sie wurde als wildromantisch und überwältigend beschrieben, dazu voller Schluchten und Urlandschaften. Da mussten wir hin! Es war wirklich eine atemberaubende unvergessliche Wanderung! Wir hatten das Gefühl, in ein Märchen abzutauchen und jeden Moment Gnomen und Waldelfen zu begegnen. Die Bäume filterten das Sonnenlicht und wir bewegten uns in einem seltsam grünlichen Licht. Die Felsen waren überzogen mit Moos und stellenweise durchzogen kleine Rinnsale den Weg. Dem Himmel sei Dank hatten wir gutes Schuhwerk an, an manchen Stellen war der Steig recht steil!

 

Freiburg

„Es rinnt in dieser Statt durch alle Gassen Bächlin
das eytel frisch Brunnenwasser ist
und ober winter nicht gefrewrt.“

Sebastian Münster, Cosmographia Universalis 1544

Faszinierend fand ich diese wunderschöne Stadt. Durch eines der Stadttore betraten wir diesen besonderen Ort und die Altstadt nahm uns sofort gefangen. Kleine wunderschöne Gassen ziehen sich durch die Stadt, gespickt mit exzellenten kleinen Geschäften mit allem was das Herz begehrt. Von Antiquitätenläden, Galerien, außergewöhnlichem Schmuckangebot und geschmackvollen Boutiquen ist hier alles zu finden.

Freiburg (Foto: Arnold Illhardt)
Freiburg (Foto: Arnold Illhardt)

Wandelt man weiter durch die Freiburg kommt man irgendwann unweigerlich zu einem der nettesten Wahrzeichen der Stadt: die Bächle. Die kleinen Rinnen am Straßenrand ziehen sich durch die meisten Straßen und Gassen der Altstadt. Sie wurden vor vielen Jahren als Viehtränke angelegt und für die Brandbekämpfung. Schön, dass sie erhalten blieben.

Ein anderes Wahrzeichen der Stadt ist das „Freiburger Münster“. Erbaut wurde es aus rotem Sandstein und zählt zu den größten Meisterwerken der gotischen Baukunst. Steht man im Inneren des Münster sollte man die wunderbaren Fenster beachten. Während des 2. Weltkrieges wurden die  Fenster aus dem Mittelalter Gott sei Dank entfernt und an einem sicheren Ort verwahrt, nur die neueren Datums ließ man an ihrem Platz, wo sie dann auch leider zerstört wurden. 1944 wurden große Teile der historischen Altstadt vernichtet. Wie durch ein Wunder blieben das Münster und einige andere wunderschönen Gebäude am Münsterplatz nahezu unversehrt. Nach dem Krieg wurde die Altstadt weitgehend nach altem Vorbild wieder aufgebaut. Jährlich über drei Millionen Touristen zieht es in diese Stadt, sie kommen aus aller Herren Länder um die bemerkenswert schöne Stadt mit ihren aus allen Epochen stammenden Gebäuden zu bewundern.

1457 wurde die Albert-Ludwigs-Universität gegründet und damit gehört Freiburg zu den interessantesten und begehrtesten deutschen Universitätsstädten.

Freiburg ist für mich eine der schönsten Städte  Deutschlands, aber ich empfand es nicht nur wegen den farbenfrohen gepflegten Bauten so, sie verströmt auch ein ganz besonderes Flair, einen Lebensstil zwischen Genuss und Gemütlichkeit. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass Freiburg zu den wärmsten Großstädten Deutschlands gehört, das vermittelt dem Besucher ein mediterranes, lockeres Gefühl. Mit 1.650 Sonnenstunden nimmt sie einen der vorderen Plätze ein.

Viele interessante Museen gibt es zu besichtigen, leider haben wir uns nur eines anschauen können: das Museum für Neue Kunst in der Marienstraße. Angefangen vom Expressionismus bis hin zur modernen Kunst ist hier alles vertreten. Auch das Gebäude selbst ist sehr sehenswert.

Die Studentenunruhen der 60er Jahre waren auch in Freiburg zu spüren. Als in den 70er Jahren die Kaiserstühler Bauern gegen den Bau des AKW’s Wyhl protestieren, beteiligten sich auch viele Freiburger. Das neue politische Denken war hier stark zu spüren, Freiburg entwickelte sich „grün“ und avancierte zur Ökohauptstadt Deutschland. Auf der expo 2010 in Shanghai war Freiburg als „green city“ vertreten.

 

Heidelberg

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld
.

                (Joseph Freiherr von Eichendorff)

Wer kennt diese Strophen nicht! Schon als Kinder im Grundschulalter haben wir dieses Lied gesungen. Joseph von Eichendorff sowie Brentano und Keller, um ein paar der Bekanntesten Schriftsteller und Dichter der Romantik zu nennen, haben in Heidelberg gelebt und gewirkt. Friedrich Ebert, der erste deutsche Reichspräsident, wurde hier geboren. Sein Grab, wie das auch von Carl Bosch und Robert Bunsen, ist auf einem der bekanntesten Ruhestätten, dem Bergfriedhof zu finden. Und – die Königin von Schweden, Silvia Sommerlath, erblickte hier das Licht der Welt!

Heidelberg (Foto: Arnold Illhardt)
Heidelberg (Foto: Arnold Illhardt)

Wir sind wieder in einer Universitätsstadt. Heidelberg besitzt mit der Ruprecht-Karls-Universität die älteste Hochschule Deutschlands! Wissenschaftler aus aller Welt sind hier vertreten. Aber auch viele Touristen. Die Ruine des Heidelberger Schlosses ist die berühmteste Ruine Deutschlands und weithin sichtbar steht sie oberhalb der Altstadt und des Neckars. Zwischen 1689 und 1693, während des Pfälzischen Erbfolgekrieges, wurde das Schloss weitgehend zerstört und nur teilweise restauriert. Nach einem Brand durch Blitzschlag 1764 wurde das Schloss dann endgültig aufgegeben und diente als Steinbruch für das neue Schwetzinger Schloss. Bis es im 18. Jh. von Literaten als Sinnbild für Vergänglichkeit gesehen wurde. Seitdem dominiert es das Bild der Altstadt. Um hier hoch zu gelangen, kann man den etwas beschwerlichen Fußweg nehmen, man kann aber auch die Bergbahn nutzen, die bereits 1890 in Betrieb genommen wurde. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick auf das gegenüberliegende Ufer des Neckars.

Auf dieser Seite des Flusses verläuft – teilweise durch Weinberge – der Philosophenweg. Seinen Namen hat der Weg nicht etwa von berühmten Philosophen erhalten, nein, eher von den Heidelberger Studenten, die den Weg für romantische Spaziergänge schätzten. Die Bezeichnung stammt noch aus der Zeit, als die Studenten vor Beginn ihres Fachstudiums Philosophie belegen mussten.

Hier gelang es uns tatsächlich, zwei Museen zu besichtigen. Das Museum Haus Cajeth, in dem eine Ausstellung „Primitive Malerei“ zu sehen war, und das Kurpfälzische Museum der Stadt Heidelberg mit Gemäldegalerie des 19./20. Jh. Beide Häuser begeisterten nicht nur durch die hervorragenden Ausstellungen sondern auch durch die Gebäude selbst.

Heidelberg hat, wie die vorher genannten Städte, eine wunderschöne romantische Altstadt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole!

Wir haben in der einen Woche sehr viel Interessantes, Schönes aber auch Skurriles gesehen. Deutschland hat herrliche Städte. Und wie sagt Eichendorff? Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt? Nein, den schickt er in die Weiten Deutschlands!

Heidelberg war nun leider die letzte Stadt unseres Deutschlandurlaubes. Ich könnte auch sagen, unserer „Uni-Städte-Tour“. Aber das hört sich so neumodisch an. Und das bin ich ja nicht!