Welt aus den Angeln
Wie Seuchen, Pandemien und Klimaveränderungen die Menschheit bedroht haben

Gastautor: Josef Henkel (Telgte)

Fünfundsiebzig Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vergangen. Die Generationen der Westlichen Industrieländer, die in diese Zeit hineingeboren wurden, haben keine wirklichen Katastrophen persönlich erlebt.  Welche glückliche Zeit in der Menschheitsgeschichte. Erst durch die jetzige Corona Pandemie wird einem bewusst, wie dankbar wir über diese fünfundsiebzigjährige Wohlfahrtszeit sein müssen. Ein Blick in die Geschichte belehrt uns aber, wie Seuchen, Pandemien und Klimaveränderungen die Menschheit immer wieder brutal heimgesucht haben. Allerdings haben die durch Menschen verursachten Kriege insgesamt noch mehr Opfer gefordert.

Perikles (Foto Josef Henkel)
Perikles (Foto Josef Henkel)

Die erste von Zeitzeugen glaubhaft beschriebene Seuche war die „Attische Seuche von 430-426 v. Chr.“ Sie brach im zweiten Jahr des Peleponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) aus, als die Spartaner vor den Mauern Athens standen und diese belagerten. Die Athener hatten die Bevölkerung des Umlandes (Attische Halbinsel) hinter die Befestigung zurückgezogen, wo sie auf engstem Raum zusammengedrängt war. Der griechische Geschichtsschreiber Thukydides, Augenzeuge der Geschehnisse berichtet wie die Seuche sehr viele Menschen befiel. „Sie begannen einander zu meiden und ließen die Erkrankten allein sterben. Nur jene, die die Seuche überlebt hatten, konnten sich gefahrlos um die Kranken kümmern. Wir haben hier den ersten Bericht über eine erworbene Immunität. Die Symptome der Seuche reichten von Niesen, Heiserkeit und Husten, zu Erbrechen und Durchfall. Die Seuche wütete in zwei Wellen rund drei Jahre. Übrigens ein prominentes Opfer war Perikles, der damalige Stratege von Athen. Er hatte die prächtige Akropolis mit dem berühmten Parthenon Tempel erbauen lassen. Die Seuche wird im Rückblick auch als ein wichtiger Faktor für den Niedergang der klassischen Kultur des antiken Griechenland gesehen.

Marcus Aurelius Antonius (Foto Josef Henkel)
Marcus Aurelius Antonius (Foto Josef Henkel)

Die „Antoninische Pest von 165 – 180 n. Chr.“ wurde nach dem römischen Kaiser Marcus Aurelius Antonius genannt. Er war ja der berühmte Philosoph auf dem Kaiserthron mit seinem bekannten Werk „Selbstbetrachtungen“.  Römische Legionäre, die gegen die Perser gekämpft hatten, schleppten die Pest aus Mesopotamien ins Römische Reich ein. Dort verbreitete sie sich entlang der Handelswege bis nach Britannien. Es war die erste Seuche, die sich auf logistischem Weg im gesamten Mittelmeerraum verbreitete. Dazu trug der Umstand bei, dass sie  aufgrund der langen Inkubationszeit nicht schnell erkannt werden konnte. Große Teile des Imperiums verzeichneten einen Bevölkerungsrückgang. Die Mortalitätsrate (Todesfälle) dürfte 25 bis 30 Prozent betragen haben. Die Epidemie trat von 165 bis 180 n.Chr. in zwei Wellen auf. Danach ebbte sie ab, da mittlerweile ein großer Teil der Bevölkerung immunisiert war (Herdenimmunität). Trotz des Namens war es wohl nicht die Pest. Man nimmt an, dass es  höchstwahrscheinlich eine tödliche Pockenepidemie war oder die Masern.

Mitten in der sogenannten Reichskrise des Römischen Reichs im 3. Jahrhundert wütete die „Cyprianische Pest von 250 bis 271 n.Chr.“. Der Bischof von Karthago, der Kirchenschriftsteller Cyprian (nach ihm wurde die Pest benannt) hat die Folgen der Seuche drastisch  beschrieben. Auch hier waren es wahrscheinlich die Pocken und nicht Pest-Erreger. Die Epidemie hatte ihren Ursprung vermutlich in Äthiopien wo sie sich nach Nordafrika ausweitete, wo die Bevölkerung wegen einer langen Dürreperiode vom Hunger geschwächt war. Von dort erfasste sie das gesamte Römische Reich, das sich nun geschwächt kaum den Angriffen der Germanen und Perser erwehren konnte

Die „Justinianische Pest von 541 bis 770 n. Chr.“  grassierte im Oströmischen Reich und weitete sich bis Britannien und sogar Finnland aus. Die nach dem oströmischen Kaiser Justinian I benannte Pest ebbte nach der ersten großen Welle ab, kehrte in mehreren Schüben wieder zurück, die in etwa 15 – 25 jährigem Abstand aufeinander folgten. Bis 770 dauerte dieser verheerende Seuchenzug an. Im gesamten Mittelmeerraum soll ein Viertel der Bevölkerung umgekommen sein (ca. 30 Millionen). Studien in den letzten Jahren haben nachgewiesen, dass es sich tatsächlich um die Pest gehandelt hat (Bakterium Yersinia Pestis). Die Symptome hat der Oströmische Geschichtsschreiber passend beschrieben. Ein anderer zeitgenössischer Chronist Cassidor berichtet von einem erstaunlichen Phänomen jener Jahre, die sogenannte „Wetteranomalie“  von 535/36. Er beschreibt eine anderthalbjährige Himmelsfinsternis, die ein nachhaltig kühleres Wetter zur Folge hatte, so verfaulte das Getreide rings um das Mittelmeer. Wahrscheinlich handelte es sich um ein enormes Vulkanausbruchsgeschehen im Südostasiatischen Raum das die Sonne lange eingetrübt hat. Es begann eine sogenannte  erste kleine Eiszeit (die zweite kleine Eiszeit war dann übrigens vom 16. bis 19. Jahrhundert).  Durch eine Klimaabkühlung wie hier brach die Population der Ratten zusammen und erst dann erfolgte der Pestausbruch, in dem die ansteckenden Rattenflöhe aus Mangel an Wirten vermehrt auf den Menschen übergingen. Die Justinianische Pest war eine Zensur. Justinians Projekt (Er war übrigens der Erbauer der prächtigen Hagia Sophia in Konstantinopel, über 1000 Jahre der größte Kirchenbau des Mittelalters) der Rückeroberung der verlorenen Teile des Imperiums scheiterte, das Ende der Antike deutete sich an. Endgültige beendet wurde die Antike durch die Islamische Eroberung der Levante und Nordafrikas. Die Araber, die aus der von der Pest weitgehends verschonten Arabischen Halbinsel vorstießen und weite Teile Ostroms und das gesamte persische Sassanidenreich eroberten, trafen auf eine von der Pest, Krieg, Naturkatastrophen und dieser „kleinen Eiszeit“ geschwächte Zivilisation, die den Eroberern wenig entgegenzusetzen hatte.

Justinian I. (Foto Josef Henkel)
Justinian I. (Foto Josef Henkel)

Klimaschwankungen kennzeichnen auch Antike und Mittelalter. So fällt die Blütezeit des Römischen Reiches in ein mildes „Klimaoptimum“ (ca.150 v.Chr. bis ca. 300 n.Chr.). Danach setzt allmählich ein kühleres Klima ein, das bis ca. 950 reicht. In diese Zeit fallen die Hunneneinfälle, gefolgt von der Völkerwanderung der Germanenstämme mit dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches. In diese Zeit der Spätantike fällt dann auch die Justinianische Pest. Von 950 bis 1250 ist Europa geprägt von der sogenannten mittelalterlichen Warmzeit. Durch Überschüsse in der Landwirtschaft leisteten sich die zu Wohlstand gekommenen Bürger den Bau prächtiger Kirchenbauten. Es war die Zeit der Hochgotik.

Zu Beginn der darauf folgenden kühleren Periode wurde dann im frühen Spätmittelalter Europa abermals von „Yersinia Pestis“ heimgesucht:  „Der Schwarze Tode wütete von 1326 bis 1353“  Die Seuche nahm ihren Ursprung in China und wurde über die Seidenstraße und anderen Handelsrouten wiederum durch Rattenflöhe bis nach Europa geschleppt. Schätzungsweise 25 Millionen Menschen wurden in Europa dahingerafft; allein im Deutschen Reich etwa jeder zehnte Mensch. Im Zuge der Pandemie kam es in Europa zu schweren Judenpogromen, da die panischen Massen einen Sündenbock für die Pandemie brauchten.

Die Seuche „Cocoliztli von 1545 bis 1578“ grassierte in Mittelamerika. Besonders das Gebiet des heutigen Mexico und Guatemalas litt schwer unter den Epidemien, deren Erreger die spanischen Konquistadoren mitbrachten. Als der Spanische Feldherr Hernan Cortes 1519 zur Eroberung des Aztekenreiches ansetzte, lebten etwa 25 Millionen Menschen in diesen Gebieten. Ein Jahrhundert nach dem Untergang des Reiches war die Zahl der Einwohner auf eine Million gefallen. Es waren die Spanier, die die Bakterien mitbrachten. Von den Einheimischen „Cocolitzli“ genannt, schlug die Seuche brutal und erbarmungslos zu. Die Befallenen litten unter einem hämorrhagischen Fieber ähnlich wie bei Ebola. Sie bluteten aus Augen, Mund und Nase. Nach drei bis vier Tagen starben sie. Erst 2018 konnte eine internationale Studie den Erreger anhand von DANA-Proben ausfindig machen. Es handelt sich um ein Bakterium namens „Salmolelle Enterica Paratyphi C.“  Die Spanier, die das Bakterium eingeschleppt hatten, erkrankten zwar auch, starben aber weit weniger daran als die Einheimischen, die keine Immunabwehr dagegen besaßen.

Seit dem 18. Jahrhundert breitete sich die Seuche der Pocken aus, die zeitweise jährlich          400 000 Opfer forderte. Ein Drittel der Überlebenden erblindete, Heute sind die Pocken ausgerottet. Es gibt jedoch in den USA und Russland noch Labore, in denen die tödlichen Viren gelagert werden.

Die Cholera (1817- 1823) ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium „Vibrio Cholerae“ ausgelöst wird. Da das Bakterium natürlicherweise im Ganges vorkommt, erkrankten auf dem indischen Subkontinent immer wieder Menschen an der Durchfallkrankheit. Doch 1817 entwickelte sich aus einer lokalen Epidemie nahe Kalkutta eine Pandemie, die weite Teile Asiens erfasste und schließlich auch Vorderasien, Afrika und Europa erreichte. In den folgenden 100 Jahren kam es zu weiteren Pandemien, die Millionen Menschen töteten. Noch heute gibt es jedes Jahr zwischen 1, 3 und 4 Millionen Cholerafälle mit bis zu 143 000 Todesfällen weltweit.

Zwischen 1708 und 1714 erreichte die sogenannte „Große Pest“ ihren Höhepunkt. Die Seuche war vermutlich aus Zentralasien nach Konstantinopel im Ostmanischen Reich gelangt und breitete sich von dort nach Polen aus. Sie verbreitete sich während  des „Großen Nordischen Krieges 1708-14“  entlang der Marschrouten rund um die Ostsee und weitete sich schließlich zu einer verheerenden Pandemie. Die Pestwelle gelangte auch nach Böhmen, Mähren, Bayern und Österreich. Sie forderte insgesamt mehr als eine Millionen  Todesopfer. Besonders stark verheerte die Seuche Preußen und Estland. In manchen Gebieten starben bis zu drei Viertel der Einwohner.

Von 1889 bis 1895 wütete die „Russische Grippe“. 1889 begann in den zentralasiatischen Gebieten Russlands eine Grippewelle, die sich entlang der Transkaspischen Eisenbahn nach Westen bis nach St. Petersburg verbreitete und schließlich dank des Eisenbahnnetzes den Westen Europas erreichte. Bis 1895 gingen die Wellen der Influenza-Pandemie um die Welt. Ihr fielen etwa eine Million Menschen zum Opfer.

Weitgehend verschont blieb Europa bei der sogenannten „Dritten Pest-Pandemie von 1890 -1911“. Die meisten Todesopfer gab es in Indien und China, daneben verzeichneten aber auch einige Südamerikanische Staaten sowie Regionen in Afrika und Australien größere Ausbrüche. Insgesamt fielen der Seuche 15 Millionen Menschen zum Opfer.

Eine halbe Milliarde  Menschen, etwa  ein Drittel der damaligen Weltbevölkerung steckte sich an der „Spanischen Grippe 1918-1920“ an. Bis zu 50 Millionen Menschen starben an ihr. Diese Grippe, die gegen Ende des 1. Weltkrieges ausbrach, forderte mehr Todesopfer als dieser Krieg. Vermutlich auch, weil zahllose Menschen durch den Krieg und dessen Folgen geschwächt waren. Die Mediziner kannten weder die Ursache der Seuche noch geeignete Mittel zu deren Bekämpfung. Die Krankenhäuser waren so überfüllt, dass Notlazarette eingerichtet werden mussten. Die Spanische Grippe verlief in drei Wellen. Besonders die zweite Welle im Herbst 1918 verlief besonders aggressiv und forderte die meisten Todesopfer. Da der spanische König daran erkrankte und unzensierte Nachrichten nur aus Spanien verbreitet wurden, während Deutschland und Frankreich die Seuche verschwiegen, ging sie als Spanische Grippe in die Geschichte ein.

Fünfzig Jahre später tauchte ein neuer Influenza-Erreger auf und entwickelte sich zur Pandemie der „Hongkong-Grippe 1968-70“. Er tauchte erstmals in Hongkong auf und entstand vermutlich aus einer Kombination von Geflügelpestviren und Influenzaviren. Innerhalb von nur zwei Wochen hatten sich 500 000 Menschen infiziert. Insgesamt starben etwa 1 Million an der Hongkong-Grippe. Allein in Deutschland waren es 30000 Menschen.

„HIV 1981-heute“ .  Das „Humane Immundefiziens-Virus“, kurz HIV, ist  vermutlich schon in den 1930-Jahren in Afrika vom Affen auf den Menschen übergegangen. Aber erst Anfang der 80er-Jahre breitete sich das Virus und die dadurch hervorgerufene Immunschwäche AIDS in den USA aus. Galt Aids anfangs noch als „Homosexuellen-Seuche“, zeigte es sich dann aber, dass die Sexuell übertragbare Krankheit jeden treffen kann. Insgesamt haben sich seit 1981 rund 75 Millionen Menschen weltweit mit dem HIV-Virus angesteckt. Etwa 32 Millionen Menschen sind dran verstorben. Noch heute sind weltweit mehr als 38,8 Millionen Menschen am HIV-Virus erkrankt, zwei Drittel davon in Afrika. Erstmals seit kurzem ist es Forschern gelungen HIV-Patienten mithilfe einer neuen Therapie zu heilen.

SARS (2002-2003). Das „Schwere Akute Respiratorische Syndrom“ (SARS) ist eine durch Coronaviren hervorgerufene Infektionskrankheit, die erstmals 2002 in Südchina auftrat. Innerhalb weniger Wochen breitete sich SARS über alle Kontinente aus und entwickelte sich zur 1. Pandemie des 21. Jahrhunderts. Mit insgesamt 800 Todesfällen verlief sie jedoch vergleichsweise glimpflich.

„Schweinegrippe 2009-2010“. Im Frühjahr 2009 breitete sich ein neuer Subtypus des A/H1N1-Virus in Mexiko und Nordamerika aus. Da auch Schweine den Erreger in sich tragen, wurde die Influenza-Erkrankung Schweinegrippe genannt. Insgesamt forderte dieses Virus 575 000 Todesfälle.

„Ebola 2014-2016“.  1976 kam es in der Demokratischen Republik Kongo erstmals zu einer Neuen Epidemie. Sie führt in fast 90% der Fälle zum Tode. Die Betroffenen litten unter hohem Fieber und Blutungen am ganzen Körper und starben innerhalb weniger Tage. Nach lokalen Epidemien in den Folgejahren breitete sich 2014 das Ebola Fieber in Guinea  rasant schnell aus und erfasste weite Teile Westafrikas. Von den 28600 Infizierten starben rund 11300 Befallene an dieser hoch ansteckenden Krankheit.

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Josef Henkel (eigenes Foto)
Der Autor: Josef Henkel (eigenes Foto)

Josef Henkel

Schwerpunkte: Kunst und Kultur der Alten Geschichte, Kosmologie, Philosophie,Tibetologie und Geographie, besonders die Glaziologie.

Siehe auch google – Stichwort Josef Henkel (Beiträge auf WN Telgte etc.)