Wie Impfgegner mit rechten Mythen geimpft werden
Was sagt der Nürnberger Kodex zur Covid-Impfung?

Gastautor:  Martin Firgau

Die vorhandenen Unsicherheiten und Impf-Vorbehalte in der Bevölkerung werden seit Langem bewusst von Rechtspopulisten und der extremen Rechten als Einfallstor und Vehikel für ihre Propaganda genutzt. Dabei wird mit Manipulationen und Täuschungen durch Fake-Zitate gearbeitet.

Wer sich nicht gegen Covid impfen lässt, ist nicht dazu gezwungen. Möglicherweise muss man Nachteile in Kauf nehmen, um nicht die Rechte und Gesundheit anderer einzuschränken oder zu gefährden. Wenn ich keinen Führerschein habe, brauche ich mich nicht zu beschweren, dass ich nicht Autofahren darf, das ist zwar eine persönliche Einschränkung meiner „Rechte“ aber keine Diskriminierung.

Aber es erscheint mir sehr wichtig, vorsichtig zu sein, welche Inhalte man teilt und welchen Mythen man damit – wahrscheinlich unbewusst – Boden bereitet.

Der Anwalt Dr. Reiner Fuellmich füllt sich die Taschen mit Spendengeldern leichtgläubiger „Querdenker“ und spricht nun davon, einen neuen „Nürnberger Prozess 2.0“ anzustreben. Diese schräge Propagandanummer verbreitet sich mittlerweile weltweit über den Globus – wie eine Epidemie.

Mir ist auf Facebook jetzt ein manipulatives Sharepic (spanischsprachig) begegnet mit diesem Text:

„Sie sind nicht verpflichtet, sich impfen zu lassen.

Nürnberger Abkommen 1947: „Niemand kann dich ohne deine Zustimmung zu einer Impfung zwingen“.

Bioethik-Vereinbarung 2005: Niemand darf Ihnen verbieten zu arbeiten, zu studieren, zu reisen, sich zu treffen oder Sie diskriminieren, wenn Sie nicht geimpft sind. Internationale Menschenrechtsabkommen.“

Was wie wörtliche Zitate aussehen soll, sind keine Zitate aus den Texten. In der UNESCO-Erklärung über Bioethik und Menschenrechte von 2005 wird nicht über „arbeiten, studieren, reisen, sich treffen“ gesprochen. In Artikel 6 geht es im Wesentlichen um die Freiwilligkeit von medizinischer Behandlung und um das Recht, sie ablehnen zu dürfen, ohne dass dadurch Nachteile oder Schäden entstehen. Weiter heißt es in den Artikeln 26 und 27, dass die Anwendung dieser Grundsätze u.a. zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer eingeschränkt werden kann. Wenn – wie bei einer Pandemie – Menschenleben in Gefahr sind, stehen verschiedene Rechte in Konkurrenz zueinander und es muss abgewogen werden. In diesem Fall ist natürlich zu berücksichtigen, dass die Wirksamkeit der Impfung in Studien und in der Praxis bereits nachgewiesen wurde und dass sie nachweislich schwere Verläufe und Todesfälle verhindern kann.

Aber RICHTIG GEFÄHRLICH und bösartig finde ich den ersten Punkt über den Nürnberger Kodex. Da werden Anführungsstriche der wörtlichen Rede gesetzt und damit bewusst vorgetäuscht, es sei ein wörtliches Zitat aus dem historischen Text. In dem kommt das Wort „Impfung“ aber überhaupt nicht vor! WIESO werden hier also Covid-Impfungen und der Nürnberger Kodex in einen Zusammenhang gebracht?

Der Nürnberger Kodex entstand durch die Nürnberger Prozesse, bei denen 1947 mehrere Ärzte zu Haft- oder Todesstrafen verurteilt wurden wegen ihrer verbrecherischen Experimente und Euthanasiemorde an KZ-Häftlingen. Wer es noch nicht getan hat, sollte sich über „Josef Mengele“ informieren oder diese Seite studieren, um einen Eindruck von den Gräueltaten zu bekommen: https://de.wikipedia.org/…/Menschenversuche_in…

Aus dieser Erfahrung wuchsen 10 medizinethische Grundsätze, deren Gegenstand „Medizinische Versuche an Menschen“ sind und dafür Voraussetzungen festlegen wie: Vollständige Information und Freiwilligkeit der Probanden, fruchtbarer Nutzen für die Allgemeinheit, Relevanz, Gefahrenabwägung, Vermeidung von unnötigem Leiden oder Schaden, qualifizierte Durchführung, etc.

Der Nürnberger Kodex bezieht sich ganz klar auf medizinische VERSUCHE an Menschen, nicht auf IMPFUNGEN mit geprüften und zugelassenen Vakzinen, die entwickelt wurden, um Menschenleben zu retten und sich millionenfach im Einsatz bewährt haben. Selbstverständlich hat man sich auch auf dem Weg zur Zulassung der Impfstoffe an die Regeln dieses Kodex gehalten, denn die Probanden haben sich freiwillig nach umfassender Information dafür entschieden.

Wieso werden hier also Covid-Impfungen und der Nürnberger Kodex trotzdem in einen Zusammenhang gebracht?

Ja, es gibt einen Grund und es geschieht nicht zufällig. Die vorhandenen Unsicherheiten und Impf-Vorbehalte in der Bevölkerung werden seit Langem bewusst von Rechtspopulisten und der extremen Rechten als Einfallstor und Vehikel für ihre Propaganda genutzt. Durch das Vergleichen von lebensrettenden Impfungen mit den verbrecherischen Methoden der Naziärzte werden einerseits die Impfbefürworter kriminalisiert und gleichzeitig die Naziverbrechen relativiert und verharmlost. Diese verdeckte Doppelbotschaft ist die eigentliche Message, man sollte es erkennen und immer wieder deutlich beim Namen nennen.

Quellen:

Nürnberger Kodex 1947 – IPPNW

Universal Declaration on Bioethics and Human Rights – UNESCO

Weiterführende Links:

Nürnberger Ärzteprozess – Wikipedia

Nürnberg 2.0 als Chiffre | CeMAS

Dr. Reiner Fuellmich und sein „neuer Nürnberger Prozess“ – Mimikama