Vom Aufstehen
Buchempfehlung „Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten“, von Helga Schubert

Eine Lebensgeschichte in 29 Erzählungen, wunderbar erzählt von Helga Schubert. Eine unbedingte Leseempfehlung.

Buchcover "Vom Aufstehen" (Foto vom dtv Verlag zur Verfügung gestellt)
Buchcover „Vom Aufstehen“ (Foto vom dtv Verlag zur Verfügung gestellt)

Es passiert oft, dass ich in einem Roman Passagen finde, die ich unterstreichen möchte; die für mich in irgendeiner Weise von Wert sind. In dem Buch von Helga Schubert gab es viele solcher Passagen, aber ich setzte die Markierungen nicht um. Warum sollte ich auch – ich weiß ja, dass ich alles aus „Vom Aufstehen“ mitnehme, dass ich die Geschichten in mir bewahren werde. Ich werde keinen einzelnen Satz aus dem Zusammenhang nehmen, um ihn in mein eigenes Quellenverzeichnis, in dem ich für mich bedeutende Aussagen sammle, zu setzen. Wo er vielleicht darauf wartet, dass ich ihn wiederentdecke, um ihn z.B. für einen Artikel zu verwenden. Es wäre sträflich und für mich schlichtweg unmöglich, denn es ist das Leben der Autorin, das mir beim Lesen begegnet und ich hätte das Gefühl, etwas Wichtiges aus diesem Leben zu entfernen.

Das Buch ist Wärme, Gefühl, darüber hinaus ganz großes Erzählkino. Durch ihr Schreiben in der Ich-Form entsteht die Illusion eines Besuches bei ihr: Wir sitzen gemeinsam am Tisch, trinken Tee und ich lausche gespannt ihren Erzählungen über ihr turbulentes und bewegtes Leben. Ihre Beschreibungen sind schlicht und knapp, dabei voller Sanftheit. Genau das vermittelt das warme Gefühl beim Lesen der 29 Kurzgeschichten, die alle, unabhängig voneinander, Begebenheiten aus ihrem Leben darstellen, die für sie von Wichtigkeit waren. Es waren nicht immer glückliche Momente, das Verhältnis zu ihrer Mutter war nicht gut, was sicherlich an deren Gefühlskälte lag. Zitat aus dem Klappentext:

„Drei Heldentaten habe sie in ihrem Leben vollbracht, erklärt Helga Schuberts Mutter ihrer Tochter: Sie habe sie nicht abgetrieben, sie im Zweiten Weltkrieg auf die Flucht mitgenommen und sie vor dem Einmarsch der Russen nicht erschossen“.

Die schönste Zeit verbrachte Helga Schubert als Kind bei ihrer Großmutter auf dem Land, wo sie Liebe und Wärme gefunden hat.

Wunderschön und anrührend erzählt, jede Erzählung vermittelt Warmherzigkeit und Aufrichtigkeit!

Eine unbedingte Leseempfehlung!

Ausgezeichnet wurde das Buch mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis 2020.

Über die Autorin:

Aus dem Klappentext: Helga Schubert, geboren 1940 in Berlin, studierte an der Humboldt-Universität Psychologie. Sie arbeitete als Psychotherapeutin und freie Schriftstellerin in der DDR und bereitete als Pressesprecherin des Zentralen Runden Tisches die ersten freien Wahlen mit vor. Nach zahlreichen Buchveröffentlichungen und Auszeichnungen zog sie sich aus der literarischen Öffentlichkeit zurück, bis sie 2020 mit der diesen Band abschließenden Geschichte „Vom Aufstehen“ den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann.

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Originalausgabe, 5. Auflage 2021

Das Copyright liegt bei der dtv Vertragsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Das Cover wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.