Paris – links der Seine
Buchempfehlung zu "Paris - links der Seine" von Hanns-Josef Ortheil

Eine literarische Zeitreise zu Picasso, Sartre und Simone de Beauvoir durch das Paris, links der Seine. Eine Liebeserklärung an dieses intellektuelle Viertel.

„Paris liegt einem zu Füßen, in nicht allzu weiter Ferne, in seinen Details gut erkennbar, wie ein dramatisches Ensemble ganz unterschiedlicher Zonen, deren Verschiedenheit man bald genauer erkennt.(Blick von einem der Türme von Notre-Dame)

Buchcover Paris – links der Seine (Foto Verlag Suhrkamp)

Dieser Satz, der mich beim Stöbern in eben diesem Buch überzeugt hat, es zu kaufen und auch zu lesen, befindet sich gleich auf der ersten Seite! Nicht viele Schriftsteller besitzen in meinen Augen dieses Geschick, einen möglichen Leser schon auf der ersten Seite so zu binden; es kann der Klappentext noch so fesselnd sein, wenn ich mich bedauerlicherweise durch ein Kapitel kämpfen muss, bis das Buch interessant wird, hat es verloren.

Zudem lädt das Schreiben in der Ich-Form dazu ein, mit dem Autor, zumindest in der Vorstellung, durch die Straßen von Saint-Germain-des-Pres und dem Quartier Latin zu ziehen. Er plaudert mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit über die von ihm bevorzugten Ecken in diesem Stadtteil von Paris und lässt dabei nebenbei auch einfließen, was er an den verschiedenen Stationen in diesem Bezirk der Stadt bereits selbst erlebt hat.

Den Leser, der Leserin erwartet ein literarischer aber auch angeregter Spaziergang durch einen der schönsten und spannendsten Intellektuellen-Viertel von Paris. Anekdoten und Begebenheiten von einigen der bekanntesten Schriftstellern, wie z. B. Ernest Hemingway, Janet Flanner, Albert Camus oder Marguerite Duras lassen die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufleben. Hier begegnet man durch die Erzählungen Künstlern wie Pablo Picasso (und „seinem“ Fotografen Brassai), der in der Rue des Grands Augustins (s. Seite 98) tätig war. Ganz besonders im Boulevard St.-Germain und am Place St.-Germain-des-Pres spürt man immer noch einen Hauch des berühmtesten Pärchen vom Rive Gauche: Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre! Dazu kommen noch die vielen eigenen Zitate derer, von denen Ortheil berichtete. Die Vorstellung, dort entlang zu wandeln, wo all diese kreativen Geister lebten und arbeiteten, erweckte in mir den Wunsch, nach vielen Jahren noch einmal Paris zu sehen. Jetzt jedoch mit diesen spannenden Details würde ich sicherlich mit einem anderen Blick durch die Straßen wandeln.

Mit Vergnügen beschreibt er ihre Wohnungen, Ateliers und bevorzugten Restaurants, Bars und Cafés. So erweckt er ganz nebenbei die Lust daran, sich nicht nur in dem vor mir liegenden Buch zu versenken, sondern auch einmal die literarischen Fühler zu den Protagonisten seines Buches auszustrecken. Hanns-Josef Ortheil hat durch seine wunderbare detaillierte und liebevolle Beschreibung des linken Seine-Ufers erreicht, dass ich das Buch nur ungern aus der Hand legen wollte.

Den Wechsel von Gegenwart zur Vergangenheit muss man als Leser mögen, mich hat es nicht gestört, eher begeistert.

Jedoch: Als alleiniger Reiseführer ist dieses Buch nicht unbedingt zu empfehlen, die Karte auf den letzten Seiten des Buches ist sehr dürftig und nicht dazu geeignet, sich ohne zu verlaufen durch Saint-Germain-de-Prés zu bewegen. Doch sicherlich ist es für den literarisch und künstlerisch interessierten Paris-Besucher absolut als Ergänzung zu sehen.

Seine Beschreibungen (vor allem seine Bewertungen), der von ihm besuchten Cafés und Restaurants sind meiner Meinung nach zu kritisch und abgehoben. Ich zitiere:

„Wenn ich mich dem Gelände nähere, werde ich wachsam sein und an den gesichtslosen neuen Restaurants und Bars vorbeigehen, die auf raschen Umsatz zielen und Allerweltsspeisen in schlechter Qualität zu hohen Preisen anbieten.“ (S. 186)

Solche Bemerkung finde ich sehr schade! Ich selbst achte ebenfalls auf eine gute Küche zu entsprechenden Preisen, da gehe ich mit ihm konform. Doch durch die detaillierten Beschreibungen der Lokalitäten verbunden mit den Empfehlungen hinsichtlich der Speisen, ist es zu erwarten, dort eher ein elitäres Publikum anzutreffen.

Das Literatur- und Quellenverzeichnis birgt viele weitere Hinweise zu informativen Lektüren. Wer sich für Paris nach 1945 begeistern kann, kommt hier mit dieser Auswahl auf seine Kosten.

„Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreative Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Sein literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. erhielt er 2002 den Thomas-Mann-Preis der Hansestadt Lübeck.“ (s. Klappentext)

————-

Erste Ausgabe 2019. Die mir vorliegende Ausgabe ist erschienen im Insel Verlag Berlin 2017

Vertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch Verlag

Umschlagsgestaltung: hißmann, heilmann, Hamburg

Umschlagfoto: Lukas Ortheil, Stuttgart

Das Cover wurde mir freundlicherweise vom Suhrkamp Verlag zur Verfügung gestellt.

Paris, links der Seine. Buch von Hanns-Josef Ortheil (Insel Verlag) (suhrkamp.de)