Jetzt neu bei der FDP: German Mut
Wenn der Politik die Sprache ausgeht

Telgte. Die Werbung trumpft mit immer neuen sprachlichen Kakophonien auf. Das hat offensichtlich die FDP motiviert, auf diesen Zug des verbalen Stumpfsinns aufzuspringen. Verständlich, wenn einem sonst nichts mehr einfällt.

Heimat Food (Foto A. Illhardt)
Heimat Food (Foto A. Illhardt)

Mein schon lange verstorbener Onkel war in der Familie ein echter Exot: Er fuhr Fiat (und das auf rasante Weise), rauchte wie ein Schlot, machte Fernreisen und war Vorsitzender eines örtlichen FDP-Verbands. Im strammen CDU-Haushalt meiner Familie war die FDP nicht gut gelitten, denn irgendwie hatten sie damals – ich rede von den sechziger Jahren – etwas Unkatholisches und damit Anrüchiges. Der Pastor meiner Messdienergemeinde setzte später die unzüchtige Partei sogar bei den Wahlempfehlungen der Katholen auf den Index, vermutlich weil die Gelb-Blauen damals in einem schier grenzlosen Libertinismus für eine Trennung von Staat und Kirche waren, was ja auch mehr als nur Sinn macht bzw. machen würde. Mit der FDP war es aber dann irgendwann wie mit dem Staub ganz oben auf dem Bücherregal: Ich nahm sie in keinster Weise mehr wahr, was natürlich zum einen an einem komplett anderem Weltbild meinerseits lag, zum anderen daran, dass mir bis heute kein einziger, aber wirklich kein FDP-Politiker einfällt, der auch nur in homöopathischer Dosierung so etwas wie politische Fasson besitzt. Da hilft auch kein Dreitagebart, Cannabisqualm oder ministerielle Homosexualität. Bei der CDU gibt es immerhin noch Norbert Blüm, der ja nun gerade wieder bei seinen Recherchen zum Fußball-Irrsinn in Katar Größe zeigte! Das heißt, an einer Stelle gerieten die Freidemokraten, was ja begrifflich im Grunde schon gequirlter Blödsinn ist (eine echte Demokratie ist doch immer frei, oder???) dann doch in mein politisches Blickfeld: Bei den Wahlen verwechsele ich den Schriftzug ständig mit der IKEA-Werbung, weshalb vermutlich mal ausnahmsweise die Verschwörungstheorie, die FDP sei nichts anderes, als ein vom schwedischen Möbelriesen gecharterter Spaßverein, nicht ganz falsch sein kann.

So wie die Christdemokraten sich gerne mit dem C schmücken, weil die meisten Wählerdeppen das Christliche im Name für bare Münze nehmen und den Schwindel trotz Tagesschau und –themen nicht bemerken, haben sich die Freidemokraten das liberale Mäntelchen umgehängt. Liberal, da assoziiert man ja immer barbusige Fahnenträgerinnen im Revolutionsgetümmel und in dem Zusammenhang Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit. Oder eben umgekehrt! Doch was die Freiheit anbetrifft (über den Rest breiten wir mal für heute den muffigen Mantel des Schweigens aus), so handelt es sich bei diesem philosophischen Begriff um keine feste Einheit, sondern eine äußerst dehnbare und damit beliebige Betrachtung. Ein Asylbewerber oder Hartz-4- Empfänger verfügt hier in Deutschland über eine eingeschränktere Freiheit als die Manager von Monsanto, Shell oder anderen Wirtschaftshalunken. Und genau das meint die FDP: Sie ist für ungebremsten Wirtschaftsliberalismus (Hauptsache der Rubel – und sei er noch so blutverschmiert – rollt), kümmert sich aber um humanistische Ziele einen Scheißdreck. Nicht zuletzt wurde das bei den TTIP-Verhandlungen deutlich: Obschon es sich dabei um einen komplett demokratiefeindlichen Wirtschaftsakt handelt, steht die FDP dahinter und möchte sogar mehr davon. Ist vielleicht mit Freie Demokraten Frei von Demokratie gemeint?

Nun wundere ich mich, dass ich mich überhaupt über diese gelb-blaue Gurkentruppe auslasse, schließlich interessiert sie mich genauso wenig wie der örtliche Schützen-, Erbsenzähler oder Karnevalsverein, aber als ich nun neulich Christian Lindner unter dem neuen FDP-Motto „German Mut“ erblickte, perturbierte mein Brechreizzentrum aufs Heftigste. Welcher runtergewirtschaften Werbefirma ist die Partei denn da aufgesessen? Solche entsetzlichen SprachMUTationen sind genauso dämlich wie frozen Erfrischungsdrinks oder Service Store der Deutschen Bundesbahn. Was wir brauchen sind nicht Menschen mit Mut; damit versuchte ja schon die AfD zu punkten (Mut zur Wahrheit!). Was wir brauchen, sind Menschen, die laut, radikal und unverblümt aufstehen und all diese entsetzlichen Raffnasen, Polithalbstarken und Gesellschaftskiller in ihre Schranken weisen.