Flucht vor dem Klima
Eine Weltgeschichte der Migration in Zeiten von Klimaschwankungen und der Klimakatastrophe

Gastautor: Josef Henkel

Wir stecken mitten in der Klimakatastrophe. Der beschleunigte Klimawandel macht uns Sorgen. Die Auswirkungen sind spätestens seit diesem Sommer unübersehbar.  Unwetter mit Starkregen und katastrophalen Überflutungen weltweit aber nun auch bei uns. Gletscher schmelzen weltweit beschleunigt. Besonders die Eisschilde Grönlands und der Antarktis schmelzen und verändern sich rapide. Sorgen machen die Landmassen. Hitzerekorde in Amerika und Nordeuropa. Dürren und Überflutungen In Europa und Asien. Besonders schlimm wird Afrika heimgesucht durch Dürren und Überflutungen mit katastrophalen Auswirkungen für die Landwirtschaft. Große Bevölkerungsteile suchen ihr Heil in Flucht, setzen sich in Bewegung. Meistens über das Mittelmeer in Richtung Europa. Aber auch die USA sind das Ziel von Migranten aus Mittelamerika obwohl es gerade dort verstärkt zu Tornados und Hurrikans kommt. Trotzdem wird es zu immer größeren Migrationsströmen in Zukunft kommen die bewältigt werden wollen und müssen. Anders als in der Vergangenheit wird geeigneter Platz rar auf dieser überbevölkerten Erde.

Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Migration von Anfang an. Machen wir daher eine Rückschau. Dabei werden wir sehen, dass die Veränderungen des Nahrungsangebotes durch Klimaveränderungen der wesentliche Grund für Migration waren.

Sizilien (Foto Josef Henkel)
Sizilien (Foto Josef Henkel)

Die erste Menschenart, die sich in Bewegung setzte war der Homo Erectus (der Aufrechte). Diese frühen Menschen besaßen als erste die Fähigkeit das Feuer zu nutzen und entwickelten Jagdtechniken als wichtige Voraussetzung Afrika, ihren anbestammten Lebensraum zu verlassen. Die Jagd war eine wichtige Triebkraft um in entfernten Gebieten nach Beute zu suchen und so den Lebensraum langsam auszudehnen. Spätestens vor 800 000 Jahren verließen diese frühen Menschen Afrika und kamen bis nach Europa und sogar bis Ostasien.  Aus dem Homo Erectus entwickelte sich im Nahen Osten und Europa der Neandertaler. Er ist ab 400 000 v.Chr. nachweisbar. Die maximal nur 50 000 Personen zählende Population hatte heftig mit Auswirkungen der letzten Eiszeit zu tun. Dem Neandertaler wurde ab 40 000 v.Chr. seine Ernährung zum Verhängnis. Er ernährte sich hauptsächlich von Fleisch, speziell von Großwild. Die Zahl dieser Tiere war jedoch durch den starken Kälteeinbruch erheblich verringert. In Afrika hatte sich aus dem Homo Erectus auch der moderne Mensch, der Homo Sapiens entwickelt, der nicht unbedingt nahrungsmäßig auf Fleischverzehr angewiesen war. Er zog von Afrika nach Asien und Europa, wo er vor 50 000 Jahren noch den Neandertaler traf, der bereits im Aussterben war. Bevor der Neandertaler schließlich vor 40 000 Jahren ausstarb, hatte er sich zum Teil noch mit dem Homo Sapiens vermischt. Dieser besiedelte dann die freiwerdenden Räume. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass wir Europäer ca. 3% der Gene des Neandertalers in uns tragen.  Homo Sapiens kam besser mit dem Nahrungsangebot zurecht und überlebte. Eine große Gruppe des Homo Sapiens betrat vor ca. 15 000 Jahren, aus Ostasien kommend den amerikanischen Kontinent. Diese Menschengruppen aber in Nordamerika wurden zunächst durch den Laurentinischen Eisschild und die Gletscher der Coast Mountains daran gehindert, vom damals eisfreien Alaska weiter nach Süden zu wandern. Erst vor ca. 10500 Jahren öffnete sich ein eisfreier Korridor zwischen den beiden Eisschilden im heutigen Territorium Yukon. Der Weg nach Süden war frei und die Menschengruppen besiedelten nach und nach Nordamerika, Mittelamerika und bereits tausend Jahre später trafen die ersten Gruppen an der Südspitze Südamerikas ein.

Nach der letzten Eiszeit schmolzen große Teile des Eisschildes ab und die Schmelzwasser ergossen sich ins Meer. Der Meeresspiel stieg enorm und so stieg auch das Mittelmeer um 170m.  Vor 7500 Jahren kam dann die große Katastrophe. Der sogenannte natürliche Bosporus Damm brach und riesige Wassermassen ergossen sich ins Schwarze Meer, das vordem ein Süßwassersee war.  Es kam zur großen Katastrophe, Überschwemmungen mit zahlreichen Siedlungen. Ca. 100 000 Menschen dürften Opfer dieser Sintflut geworden sein. Es war die biblische Sintflut.

Gewitter über Dornbirn (Foto Josef Henkel)
Gewitter über Dornbirn (Foto Josef Henkel)

Größere Völkerbewegungen in der Steinzeit lassen sich im nördlichen Afrika nachweisen. Die damalige Saharazone war damals eine fruchtbare Savannenlandschaft. Die Bewohner jagten Großwild wie wir es zum Teil noch in Ost- und Südafrika kennen. Nordafrika wurde ab 5000 v.Chr. allerdings deutlich trockener, die Savannenzone ging zurück.  Die Entstehung der Wüste Sahara löste zwischen 3000 und 1000 vor Chr. eine Wanderung von großen Bantustämmen aus Westafrika bis ins südliche Afrika aus und verdrängte zum Teil die Urvölker der Pygmäen und Buschmänner. Die Saharabewohner besiedelten schließlich das Niltal, wo ein Ackerbau im fruchtbaren Nilschlamm möglich war. Ab 3000 vor Chr. organisierte eine Oberschicht mit dem Pharao als Oberhaupt die jährliche Feldarbeit Durch die enormen Organisationsleistungen entwickelte sich die erste Hochkultur der Menschheit. Parallel geschah Ähnliches zur gleichen Zeit im Zweistromland von Eufrath und Tigris. Auch hier wanderten Nomadische Völker ein und immigrierten erfolgreich. Der Abraham der Bibel war übrigens ein Migrant, der nach Ur, dem Kulturzentrum gezogen war. Das Alte Testament berichtet ständig von Migrationen. So war der Josef von Ägypten ein hebräischer Immigrant, der am Hofe des Pharaos durch seine Tüchtigkeit sogar zum Wesir wurde. Große Teile seines Stammesclans folgten ihm nach Ägypten und vermehrten sich dort. Generationen später gelang es Moses seine Stämme aus Ägypten nach Kanaan ins gelobte Land zu führen. Verschiedene Naturkatastrophen halfen Ihm bekannterweise beim Auszug.

Das Jahr 1177 Vor Chr. markiert die Schlacht zwischen dem ägyptischen Pharao Ramses dem Dritten und marodierenden sogenannten Seevölkern. Auch die Schlacht von Troya in Kleinasien fällt in diese Zeit. Die Philister der Bibel waren übrigens auch ein Teil dieser Seevölker. Dazu passt dann die Geschichte von David und dem Philister Goliath. Diese und andere Ereignisse erschütterten die bis dahin blühende Zivilisationen der Mykener, Hethiter und Ägypter. Man spricht daher auch von der „Katastrophe der Bronzezeit“. Wie konnte es dazu kommen? Es war ein Internationalismus der zu dieser apokalyptischen Katastrophe führte, mit der die Bronzezeit zu Ende ging. Ihm scheinen der alte Orient, Ägypten und Griechenland so stark voneinander abhängig gewesen zu sein, dass der Untergang der einen Kultur letztlich der Untergang der Anderen nach sich zog. Auf jeden Fall waren es nicht nur Aggressoren, sondern Flüchtlinge (Migranten), die vor Klima- und Naturkatastrophen auf der Flucht waren. Mit zu dieser Völkerbewegung gehört auch die sogenannte „Dorische Wanderung“ der Griechenstämme, die aus dem Balkan in das heutige Griechenland und die Westtürkei migrierten. Kulturell lässt sich diese Zeit der sogenannten „Dark Ages“ durch eine Verarmung der Kunst nachweisen. Diese Epoche spiegelt sich sehr schön in den Homer zugeschriebenen Dichtungen der Ilias und Odyssee wider. Es ist der Untergang des mächtigen Troja durch die von Norden kommenden griechischen Stämme. Grund für die Bewegungen ist wieder einmal eine Klimaveränderung in Eurasien. In diese Jahrhunderte fallen auch die indogermanischen Völkerbewegungen der Perser nach Medien und der sogenannten Arier nach Nordindien. Es entsteht hier in Nordindien das älteste Schrifttum in Sanskrit, eine indogermanische Sprache. Auch das alte Persisch hat viele Ähnlichkeiten mit der germanischen Altdeutschen Sprache. Weitere Volksbewegungen gab es durch die Griechische Kolonisation an den Küsten des Mittelmeeres. Ausgehend von sogenannten Mutterstädten gründeten griechische Kolonisatoren unzählige neue Tochterstädte entlang der Mittelmeerküsten, da in den Heimatgebieten zu wenig Raum war.

Bewegungen von Nomadenstämmen gab es zur gleichen Zeit auch an den Grenzen der damaligen Reiche ins Chinesische Kerngebiet, das damals schon eine hohe Kultur und eine gut funktionierende Landwirtschaft durch Reisanbau besaß. Auch hier waren wieder ungünstige Klimabedingungen im Norden Chinas im Spiel.

Sizilien (Foto Josef Henkel)
Sizilien (Foto Josef Henkel)

Der Aufstieg Roms als Stadtstaat zum Reich fällt in das „sogenannte Klimaoptimum“. Es ist eine Zeit optimaler Verhältnisse des Klimas mit angemessenen Temperaturen. Die Gletscher der Alpen haben sich in die Täler zurückgezogen, so dass die Legionäre für ihre Feldzüge das komplexe Straßensystem durch die Alpen vergrößern konnten. Übrigens konnte durch die Begehbarkeit des Alpenraumes auch Hannibal mit seinen Elefanten nach Rom ziehen. Das Klima in Europa war inzwischen so mild, dass sogar in Britannien und Gallien Weinangebaut werden konnte. Der große indogermanische Volksstamm der Kelten wurde von den Römern besiegt, integriert und entwickelte sich im damaligen Spanien, Frankreich und Britannien zur kulturell hochstehenden gallo-römischen Bevölkerung. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im 3. Jahrhundert v.Chr. Keltische Stämme bis nach Griechenland und Anatolien vorgestoßen waren. In Anatolien gab es noch Jahrhunderte später Keltische Bewohner in der römischen Provinz. So schrieb zum Beispiel noch der Apostel Petrus seine Briefe an die „Galater“ (Kelten). Auch in Nordafrika und in Ägypten waren die Klimaverhältnisse günstig. Diese Gebiete wurden zur Kornkammer Roms. Voraussetzung für die Blüte des Imperiums war eine politische und wirtschaftliche Stabilität, die dem Volk „panem et circenses“ sicherten, Brot und Unterhaltung. Dies gelang über viele Dekaden, weil Schiffe aus Ägypten Rom mit Korn versorgten. Die „fetten“, weil warme Jahre schienen damals nicht enden zu wollen. Die Bevölkerung wuchs vehement, auch die Ausdehnung des Reiches. Ins Zentrum jener Zeit, von 98 bis 117 n. Chr. fiel seine größte Ausdehnung unter Trajan. Anschließend galt er unter den römischen Gelehrten als der „beste“ Kaiser, als „Optimus“ – im Klimaoptimum.  211 verlieh Kaiser Caracalla allen freien Bewohnern aller Provinzen das Bürgerrecht. Rom duldete nicht nur Zuwanderung von jenseits der Grenzen, sondern förderte, ja erzwang sie: Millionen von Sklaven verrichteten die nötigen Arbeiten; halbfreie Bauern wurden angesiedelt und hochbegabte Fremde konnten Karriere machen. Vor allem war der römische Staat an Soldaten interessiert; zunehmend setzte Rom lieber das Leben kampfbereiter „Barbaren“ aufs Spiel als das der eigenen Bürger. Immer schon wurden Hilfstruppen von jenseits der Grenzen eingesetzt. Der Drang der Nachbarn in die reiche Mittelmeerwelt und der Bedarf Roms an Arbeitskräften und Soldaten führten führte zu stetiger Zuwanderung. Seit dem 4. Jahrhundert war es römischen Bürgern erlaubt sich von der Rekrutierung durch eine Ersatzsteuer freizukaufen. Bald bestand die glorreiche römische Armee vorwiegend aus „Barbaren“ von jenseits der Grenzen, zunehmend unter ihren eigenen Anführern. Das ging sogar soweit, dass im 5.Jahrhundert den weströmischen Kaisern mächtige Heermeister (magister militum) zur Seite standen, oft waren es Germanen. Der Bekannteste war wohl Stilicho, der dem Kaiser Honorius zur Seite stand.

Gewitter über Murnau (Foto Josef Henkel)
Gewitter über Murnau (Foto Josef Henkel)

Ab dem dritten Jahrhundert begann langsam der Niedergang. Die Auflösung des Römischen Reiches setze ein im 5.Jahrhundert, befördert durch ein nun fünfhundert Jahre währendes „Klimapessimum“. Und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen blieben nun, in kälteren Zeiten, die guten Ernten in Nordafrika und in der Heimat selbst aus, der Wohlstand war Vergangenheit. Zum zweiten machte die Klimaabkühlung das Leben besonders im Norden und Osten Europas ungemütlich. Sie war eine der Gründe für die große Völkerwanderung, die große Migration der Spätantike, die nun einsetzte. Große germanische Stämme drangen nun in das Reichsgebiet vor, ihrerseits getrieben von dem Reitervolk der Hunnen, die in Asien selbst dem auch dort raueren Klima entflohen. Historische Berichte belegen, dass in nördlichen Gebieten Europas und in Höhenlagen Wein und Getreide nicht mehr gut gediehen. Stürme und Überflutungen führten zu großen Landverlusten an der Nordseeküste und in Südengland. Auch in Italien kam es im 6. Jahrhundert zu vielen Überflutungen. Der Bischof Gregor von Tours berichte aus den 580er Jahren aus dem Frankenreich von ständigen starken Regenfällen, Gewittern, Überschwemmungen, Hungersnöten, Missernten und späten Kälteeinbrüchen. Insgesamt wurde das Klima feuchter. Daher kam es zu einem Anwachsen der Gletscher im 5. Jahrhundert, Der Untere Grindelwaldgletscher und andere Schweizer Gletscher erreichten Ausmaße wie später am Ende der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ im 18. u. 19. Jahrhundert.  Die Römerstraße durch das Val de Bagnes wurde unpassierbar.  Auf den Gebieten des Weströmischen Reiches entstehen Germanische Reiche. Die Germanen vermischten sich in den nächsten Jahrhunderten mit der Gallo-Römischen Bevölkerung und beweisen damit eine gelungene Integration. Aus der lateinischen Sprache entwickelte sich in den nächsten Jahrhunderten das Französische und das Spanische.

Ab dem 9. Jahrhundert erwärmte sich langsam das Klima wieder und es entwickelte sich langsam die mittelalterliche Warmzeit, auch Klimaoptimum genannt. Es ist im Wesentlichen der Zeitraum zwischen 950 und 1250 n.Chr. in der auf der Nordhemisphäre überdurchschnittlich hohe Temperaturen herrschten. In dieser Zeitspanne kam es in Europa zu einer regelrechten Bevölkerungsexplosion. Infolge des wärmeren Klimas kam es in Europa zu einer Expansion der Agrarwirtschaft; der Getreideanbau war nun sowohl in wesentlich nördlicheren als auch in höher gelegenen Gebieten möglich. So wurde Getreidewirtschaft bis nach Norwegen und in den Bergen Schottlands nachgewiesen. In diese Zeitspanne fallen auch die Expansionen der norwegischen Wikinger nach Island und Grönland. Auch hier war es deutlich wärmer geworden und die Eisschilde hatten sich verkleinert. Während Island bis heute dauerhaft besiedelt wurde kam es zunächst zu einer Ansiedlung in Grönland (grünes Land). Nach 500 Jahren wurden in Grönland die Ansiedlungen allerdings wieder aufgegeben, was auf sinkende Temperaturen zurück zuführen sein dürfte. Übrigens wurde um das Jahr 1000 n.Ch. vom Wikinger Leif Erikson sogar Amerika entdeckt; 500 Jahre vor Kolumbus. Diese Siedlungen wurden allerdings schon bald wieder aufgegeben. Die florierende Wirtschaft in Europa erlaubte es nun der wohlhaben gewordenen Bevölkerung den Bau großartiger Kirchenbauten zu ermöglichen. Es war die Zeit der Hochgotik (1150 bis 1500 n.Chr.) Ab dem 12. Jahrhundert setzte sich Migrationsbewegung in Gebiete jenseits der Oder ins heutige Polen ein. Weltliche und geistliche Herrscher sandten Adelige und Missionare ostwärts, um mittels bäuerlicher Siedlungen und Stadtgründungen ihren machtpolitischen Einflussbereich auszudehnen. Auch im Südosten Europas waren es zunächst Adelige, die ab Mitte des 12. Jahrhunderts nach Siebenbürgen im heutigen Rumänien einwanderten. Später entstand daraus der Begriff „Siebenbürger Sachsen“. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts folgten die „Zipser Sachsen“, deutschsprachige Familien, die sich in den slowakischen Karpaten niederließen.

Monument Valle (Foto Josef Henkel)
Monument Valle (Foto Josef Henkel)

Nach 1500 begann sich in Europa das Klima wieder zu verändern. Es wurde kalt und feucht. Pestpandemien forderten große Bevölkerungsdezimierungen. Ein Drittel der übriggebliebenen Bevölkerung starb während des Dreißigjährigen Krieges von 1618 bis 1648. Von 1650 bis 1850 erreichte die Kälte ihr Maximum. Es war die sogenannte „Kleine Eiszeit“. Die Gletscher in den Alpen stießen weit vor. Reste der damaligen Endmoränen kann man heute in den Alpen noch sehr gut sehen. Diese kleine Eiszeit vom 17. bis 19. Jahrhundert   war nach Spätantike/Frühes Mittelalter ein weiteres „Klimapessimum“. Ein Temperaturabfall von durchschnittlich zwei Grad Celsius verursachte nicht nur bittere Winterkälte; die Veränderungen von Wettersystemen, Meerestemperaturen und Niederschlagmustern traf besonders die Landwirtschaft hart. Für die Europäer, die größtenteils vom lokalen Getreideanbau lebten, war das eine Katastrophe. Immer häufiger wurde das Getreide nicht rechtzeitig reif und verrottete noch auf dem Feld. Hungersnöte, Epidemien und Brotaufstände waren die unausweichlichen Folgen. Dazu kamen auch die Folgen durch ein Erbrecht, das das Land in immer kleinere Parzellen aufteilte. Ein Überleben wurde immer schwieriger. Durch die Kolonisierung Nordamerikas durch Briten, Franzosen und Spanier reifte daher bei großen Teilen der Europäer der Wunsch nach Migration ins neue gelobte Land jenseits des Atlantik. Es begann die größte Migrationswelle der Geschichte. Aus den Entstandenen Kolonien der Briten und Franzosen entstanden dann im 18. Jahrhundert die Vereinigten Staaten (USA) und Kanada. Aus der spanischen Kolonie Mexico entstand der unabhängige Staat Mexiko. Auch aus den spanischen und der portugiesischen Kolonie in Südamerika wurden nach und nach im 19. Jahrhundert unabhängige Staaten. Um die gewaltigen Zuckerrohrplantagen zu bewirtschaften brauchte man billige Arbeitskräfte und fand sie in der schwarzen Bevölkerung Afrikas. 100 000tausende Sklaven wurden über den Atlantik verschifft. Von 1861 bis 1865 tobte der Sezessionskrieg oder der Amerikanische Bürgerkrieg in den USA. Ursache war eine tiefe wirtschaftliche, soziale und politische Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten, die vor allem in der Sklavenfrage zu Tage trat. Wichtigstes am Kriegsende war die endgültige Stärkung der Zentralmacht und die endgültige Abschaffung der Sklaverei in den USA.

Das 20.Jahrhundert ist das Jahrhundert der Flüchtlinge, diesmal ausnahmsweise nicht unbedingt klimabedingt, sondern durch machtpolitisches Kriegsgeschehen. Hintergründe waren besonders die beiden Weltkriege, aber auch der dem Zweiten Weltkrieg folgende Kalte Krieg auf die eng mit diesen globalen Systemkonflikt zwischen Ost und West verflochtene Dekolonisation. Der Zweite Weltkrieg soll allein in Europa Schätzungen zufolge 60 Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Deportierte mobilisiert haben. Das Kriegsende bedeutete keinen Einschnitt, Folgewanderungen kennzeichnen die Nachkriegszeit. Dazu zählen zum einen Rückwanderung von Flüchtlingen, Evakuierten, sowie zum anderen Ausweisungen, Vertreibungen oder Fluchtbewegungen von Minderheiten.

Die Kennzeichen der Migration im 21. Jahrhundert sind einmal weiterhin die Flucht vor Gewalt, wie der durch das Vordringen des IS in Syrien und Irak, bei der allein von 2015 bis 2020 zwei Millionen Flüchtlinge in Deutschland Asyl suchten. Immer mehr ist und wird in Zukunft die „Klimaflucht“ letzter Ausweg. Wenn der Regen ausbleibt oder Dörfer weggeschwemmt werden, ist das Überleben vieler Menschen gefährdet, vor allem in den Entwicklungsländern. Ihnen bleibt oft keine andere Wahl als die Heimat zu verlassen. Schätzungen zufolge wurden im letzten Jahrzehnt ca. 26 Millionen Menschen vor Umwelt- und Klimaveränderungen aus ihrem Zuhause vertrieben. Damit gibt es mittlerweile rund 3-mal mehr Vertriebene aufgrund des Klimawandels, als Vertriebene durch Krieg oder zivile Konflikte. So flohen Menschen vor Überschwemmungen in Pakistan und Myanmar oder wegen extremer Dürren am Horn von Afrika.   Schafft es die Politik nicht entschiedener gegen den Klimawandel vorzugehen, wird es immer mehr Vertrieben geben. Im südlichen Afrika, Lateinamerika und Südasien könnten bis zum Jahr 2050 mehr als 140 Millionen Menschen ihr Zuhause durch Dürren, Missernten, Sturmfluten und steigenden Meeresspiegel verlieren. Allein in der Region Subsahara-Afrika könnten 86 Millionen Menschen betroffen sein – weitere 40 Millionen in Südasien und 17 Millionen in Lateinamerika.

Wir leben schon „mitten drin“ im Klimawandel, den allein die Menschen zu verantworten haben. Was ist passiert?

Dürre (Foto Pixabay)
Dürre (Foto Pixabay)

Seit Beginn der Industrialisierung werden immer mehr Kohlendioxyd, Methan und andere sogenannte Treibhausgase in die Atmosphäre transportiert. Je mehr Treibhausgase sich dort befinden, umso weniger langwellige Wärmestrahlung gelangt in den Weltraum und umso stärker und schneller heizt sich die Erde auf. Noch nie war es auf der Erdkugel so warm wie jetzt. Und die Temperaturen werden weiter steigen. Dazu kommen die Veränderungen des Jetstream. Der Jetstream ist ein Starwindband in etwa 10 Km Höhe. Aber der Jetstream verliert in den letzten Jahren zusehend an Kraft mit schwerwiegenden Folgen. Der Jetstream gleicht Unterschiede in der Erdatmosphäre aus. Am Äquator ist es warm, an den beiden Polen sehr kühl. Um diese Gefälle abzumildern, weht ständig ein heftiger Wind – aber nicht am Boden, sondern in der sogenannten Troposphäre in ca. 10 Km Höhe. Durch den Klimawandel nun erwärmen sich die Pohlkappen stärker als die Tropen am Äquator. Das bedeutet für den Jetstream, dass er gar kein so großes Temperaturgefälle mehr ausgleichen muss. Er wird dadurch langsamer.  Das Wetter, das an einem Ort gerade vorherrscht, bleibt deswegen über einen längeren Zeitraum bestehen als in der Vergangenheit, denn es wird von der kraftloser werdenden Ausgleichswinde nicht so schnell in andere Regionen verschoben. Der Jetstream gerät regelrecht ins Stocken und die Wetterlagenbleiben über längere Zeiträume stabil. Es kann lange heiß sein (wie 2018 und 2019) oder auch besonders viel und lange stark regnen (wie 2021). Fast alle Regionen der Erde sind oder werden von dieser Entwicklung betroffen, die allein der jetzt-Mensch zu verantworten hat. In den tausenden Jahren zuvor waren es natürliche Ursachen, wie z.B. Änderungen der Sonneneinstrahlung oder öfter enorme Vulkanausbrüche, die die Erde vor der Strahlung zeitweilig abschirmten.

Es ist bereits „12“ und nicht mehr vor „12“.  Wir sind mittendrin in der Klimakatastrophe. Wenn nicht umgehend radikale Maßnahmen ergriffen werden, fährt die Menschheit unwiderruflich vor die Wand.

Flucht vor dem Klima ist dann nicht mehr möglich.